Vertrag plötzlich aufgelöst: Doch kein Kiesabbau im Münchner Forst Kasten

Nach knapp zwei Jahren wird der Vertrag zwischen der Heiliggeistspital-Stiftung und einem Kiesabbauunternehmen plötzlich aufgelöst – ohne, dass der Stadtrat etwas davon weiß.
von  Irene Kleber
Im Forst Kasten wird künftig nun doch kein Kies abgebaut werden. Ein entsprechender Vertrag wurde aufgelöst. (Archivbild)
Im Forst Kasten wird künftig nun doch kein Kies abgebaut werden. Ein entsprechender Vertrag wurde aufgelöst. (Archivbild) © Martin Gebhardt

München - Die Proteste, die Baumbesetzungen, die Mahnwachen und Unterschriftensammlungen für die Rettung des Walds im Forst Kasten – das alles ist nun von Erfolg gekrönt: Überraschend, auch für den Stadtrat, hat OB Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch erklären lassen: Es wird keinen Kahlschlag für einen Kiesabbau geben, die bedrohten 10.000 Bäume im Würmtal im Südwesten Münchens werden nicht abgeholzt. Der bestehende Pachtvertrag mit dem Kiesabbauunternehmen sei "einvernehmlich aufgehoben" worden.

Nun ist Feierstimmung und ein großes Jubeln im Würmtal bei den Wald-Aktivisten: "Ich bin überwältigt und freue mich unglaublich, dass sich unser Kampf gelohnt hat", sagt Malwina Andrassy von der Ortsgruppe Würmtal-Nord des Bund Naturschutz zur AZ. "Es hat so hoffnungslos ausgesehen, jetzt planen wir ein großes Fest für den 16. Juni."

Der Stadtrat wollte den Wald im Forst Kasten mehrheitlich erhalten

Vorausgegangen war ein massiver Streit um die Frage, ob der Münchner Stadtrat, der die grüne Lunge am Stadtrand aus Klimaschutzgründen mehrheitlich erhalten wollte, gezwungen sei, einer Rodung für den Kiesabbau zuzustimmen – aus rechtlichen Gründen.

Das Protestcamp im Forst Kasten wird am 9. Juni 2021 geräumt.
Das Protestcamp im Forst Kasten wird am 9. Juni 2021 geräumt. © Lennart Preiss/dpa

Denn das 9,5 Hektar große Waldstück gehört der Münchner Heiliggeistspital-Stiftung, die aus ihren Einnahmen Altenheime betreibt – und die von der Stadt München verwaltet wird. Es gehört zum Stiftungszweck, aus dem Stiftungseigentum Einnahmen zu erwirtschaften.

Womöglich, so hieß es, haften die Stadträte, die in diesem Fall als "Verwalter" agierten, persönlich, wenn sie eine Entscheidung treffen, die der Stiftung finanziell schadet. Zu der Einschätzung war auch die Regierung von Oberbayern als Stiftungsaufsicht gekommen.

Man stimmte am 20. Mai 2021 also der Rodung für den Kiesabbau zu (gegen ÖDP-München-Liste und Linke), die Stiftung unterschrieb am 11. Juni 2021 den Pachtvertrag mit einem Kiesunternehmen. Grüne und SPD sprachen von einer "unerträglichen Zwangslage".

Der Vertrag mit der Kiesfirma wurde aufgehoben

Und im Forst Kasten, wo Klimaaktivisten für die Rettung von "Kasti" Bäume besetzt und Zustände wie im Hambacher Forst ("Hambi") oder Dannenröder Forst angekündigt hatten, erreichten die Proteste ihren Höhepunkt. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei räumte das Camp.

Nun, zwei Jahre später, die Kehrtwende – und der Aufhebungsvertrag mit der Kiesfirma. "Nun ist doch gelungen, was zwischendurch unmöglich schien", erklärt OB Dieter Reiter. Als Grüne für die Volte nennt er "geänderte Rahmenbedingungen, die dazu geführt haben, dass die öffentlich-rechtliche Genehmigungsfähigkeit des Kiesabbauprojekts in Frage steht." Gleichgleichzeitig könne man "den Stiftungszweck für das Heiliggeistspital auch ohne Kiesabbau sichern".

Aktivistin fordert: Grüne sollen Bußgelder für Waldbesetzer übernehmen

Über Einzelheiten sei Stillschweigen vereinbart, hieß es am Mittwoch aus dem Rathaus. Offiziell informiert werden soll der Stadtrat erst im Sozialausschuss am 22. Juni.

"Es ist eine große Erleichterung für alle, vor allem die Engagierten vor Ort, dass nicht ausgekiest werden muss", erklärt SPD-Fraktionschefin Anne Hübner. "Eine gute Nachricht für den Klima- und Umweltschutz", sagt auch die grüne Fraktionschefin Mona Fuchs.

Freude – aber auch Kritik kommt von Klimaaktivistin Lisa Poettinger, die sich selbst im "Kasti"-Baumhaus-Camp angeseilt hatte. Nur ÖDP und Linke hätten "Rückgrat bewiesen, indem sie gegen die Abholzung stimmten". Nun fordern die Aktivisten, dass die Grünen die Bußgelder für die Kasti-Waldbesetzer übernehmnen. "Alles andere", so Poettinger, seien "nur leere Worte". 

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