Versuchter Amoklauf im Krankenhaus: Bewährungsstrafe

MÜNCHEN - Mit einer Doppelflinte stürmte er ins Krankenhaus, wegen versuchten Mordes musste der 58-Jährige vor Gericht. Doch die Staatsanwaltschaft ließ jetzt die Anklage fallen und verurteilte den Mann zu einer Bewährungsstrafe.
Mitten in der Nacht kommt ein Mann mit einem Gewehr in eine Klinik – für die Justiz auf den ersten Blick ein versuchter Amoklauf. Am Donnerstag verurteilte das Landgericht München II den Angeklagten aber nur wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe zu 15 Monaten Haft auf Bewährung. Der 58 Jahre alte Lackierer war am 10. März bewaffnet in das Krankenhaus in Hausham (Landkreis Miesbach) gekommen, in dem zwei Wochen zuvor seine 90- jährige Mutter gestorben war.
Die Staatsanwaltschaft ging deswegen zunächst davon aus, dass der lange Zeit heroinabhängige Mann aus Rache für den Tod seiner einzigen Bezugsperson ein Massaker anrichten wollte und klagte ihn wegen versuchten Mordes in 38 Fällen an. Bereits im Plädoyer war Staatsanwalt Matthias Läpple jedoch von der Anklage abgegangen und hatte 21 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung für das Waffendelikt verlangt.
„Ein konkreter Plan zur Tötung von Klinikpersonal kann dem Urteil nicht zugrunde gelegt werden“, begründete der Vorsitzende Richter Thomas Bott die Entscheidung. Außerdem habe der Angeklagte das Gewehr mit einem Schrot- und einem Kugellauf auf niemanden gerichtet.
In der Tatnacht hatte ein diensthabender Arzt den Angeklagten ohne weiteres entwaffnen können. Der Mediziner erkannte die Umrisse der unter einem Schlafsack verborgenen Büchsflinte und roch Waffenöl. „Das geht aber nicht, dass Sie hier mit einer Waffe reinkommen“, sagte er zu dem Besucher rang ihn zu Boden.
Der 58-Jährige ist seit Jahrzehnten heroinabhängig, seit 14 Jahren bekommt er die Ersatzdroge Methadon. In der Untersuchungshaft machte er deshalb einen Entzug. Seit einem Arbeitsunfall ist der Maler und Lackierer zudem erwerbsunfähig. Seine einzige Bezugsperson war die betagte Mutter, die er zuletzt pflegte. „Der Wegfall dieses einzigen sozialen Rückhalts hat zu einem impulsiven Handlungsdurchbruch ohne konkretes Ziel geführt“, sagte Richter Bott. Gutachter bescheinigten dem Angeklagten eine eingeschränkte Schuldfähigkeit zur Tatzeit. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
dpa