Verschüttete Tradition
Französische Weltmusik: Die Gruppe Bratsch spielt heute Abend im Ampere.
Sie stellen sich vor als Frankreichs älteste Boygroup. Und tatsächlich reicht ihre Geschichte in prähistorische Zeiten, bis ins Jahr 1975. Da gaben Bruno Girard und Dan Ghariban ihr erstes Konzert, damals noch als Duo. 1976 ist der Name Bratsch erstmals urkundlich erwähnt, und damit begann die musikalische Erfolgsgeschichte einer Formation, die sich ein sehr spezielles musikalisches Feld vorgenommen hat.
Komponisten von Franz Liszt bis Johannes Brahms haben sich von der so genannt Zigeunermusik inspirieren lassen. Man kann die aufregende Andersartigkeit einfach in musikalische Begriffe fassen. Es ist das Zigeuner-Moll, eine Abwandlung des harmonischen Moll mit einer erhöhten vierten Stufe. Und Bratsch sind diesem Klang verfallen. Es ist diese eigenartige Mischung aus überbordender Lebensfreude und Melancholie, die in ihren Stücken schwingt.
„Plain Du Monde“ heißt ihr aktuelles Album. Und neben der Brass-Fröhlichkeit einer Nummer wie „Au bar est barré Papa (Opa Cupa)“ steht die überwältigende Traurigkeit von „Nié bouditié“. Bratsch hören ist vor allem eine Gefühlsreise. Neben ihren Alben hat die Gruppe für sechs Kinofilme den Soundtrack geschrieben, darunter auch für „Balzac und die kleine chinesische Schneiderin“. Aber Bratsch nehmen sich auch die Freiheit von Ausflügen in den jiddischen Kletzmer.
Und dabei haben Bratsch völlig recht, wenn sie beklagen, dass die Improvisation in der europäischen Tradition eigentlich keinen Platz mehr hat. Denn alle Musikarten zwischen Jazz und Blues, in denen diese Kunstform zuhause ist, sind natürlich aus Amerika importiert. Wenn also Bratsch sich mit Feuer der Musik der Sinti und Roma widmen, entdecken sie damit auch eine verschüttete und europäische Improvisationstradition wieder.
chj
Ampere, Zellstraße 4, Beginn: 20.30 Uhr, Eintritt: 20 Euro, www.ampere-muffatwerk.de
- Themen:
- Johannes Brahms
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