Verrückter Winter: Die Folgen, wie's weitergeht
München - Der Frühling hat diesen Winter vielerorts schon zu Weihnachten begonnen. Ab Samstag ziehen die Temperaturen zwar wieder an - in der kommenden Woche erwarten München sogar wieder Minusgrade und leichten Schneefall.
Die warmen Temperaturen haben jedoch bereits jetzt Auswirkungen auf den menschlichen Körper, die Natur und sogar die Stromrechnung. Die wichtigten Aspekte im Überblick (und in der Bilderstrecke zum Durchklicken):
STROMSPAREN: Ist es im Winter warm, kann die Heizung häufiger aus bleiben. Das spart Heizkosten.
GESUNDHEIT: Auch für den Organismus ist die Wärme von Vorteil. Sport im Freien ist bei lauen Temperaturen angenehmer: Die Lunge muss keine zu kalte Luft aufnehmen und die Muskeln werden schneller warm.
UNFALLRISIKO: Zwar muss man vielerorts von Skiern auf Laufschuhe umsteigen. Grundsätzlich ist Sport an der frischen Luft jedoch gesünder, wenn die Temperaturen nicht in den Minusbereich sinken - und ohne Eis und Schnee rutscht man auch nicht aus. Egal ob als Fußgänger, Radlfahrer oder im Auto: Bei lauen Temperaturen ist das Unfallrisiko geringer.
SONNE SATT: Ganz zu schweigen vom Vitamin D, das wir nur über Tageslicht in natürlicher Form aufnehmen können. Scheint die Sonne, tanken unsere Vitamin-D-Speicher auf. Wir sind geschützt vor dem sogenannten "Winter-Blues" und insgesamt besser drauf.
DRAUSSENSITZEN: Natürlich locken bei Sonnenschein auch die Cafés der Stadt, Raucher haben draußen endlich wieder Gesellschaft.
BAUSTELLE: Auch Arbeiten im Freien sind bei warmen Temperaturen angenehmer. Das gilt etwa für Bau- und Straßenarbeiten.
HEUSCHNUPFEN: Die warmen Temperaturen bringen nicht nur Gutes mit sich. So leiden etwa Allergiker heuer bereits im Januar unter herumfliegenden Pollen - das zweiten Jahr in Folge außergewöhnlich früh. Wegen der milden Temperaturen mit bis zu 15 Grad sind bereits Haselpollen und Erlenpollen unterwegs und bringen die Nasen zum Triefen.
Beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) in Mönchengladbach gingen bis zum Donnerstag über 200 Meldungen von Betroffenen ein, wie die Organisation mitteilte.
In Nordrhein-Westfalen meldeten sich besonders Allergiker aus dem Rheinland und dem Siegerland. Auch aus Frankfurt am Main, dem Saarland und Hamburg gebe es Hinweise. Der Deutsche Wetterdienst hat ebenfalls bereits erste Pollenflugmeldungen verbreitet.
LANDWIRTSCHAFT: Wegen der zu früh keimenden Triebe sind auch Bauern alarmiert. Das ungewöhnlich milde Wetter tut vielen Kulturpflanzen gar nicht gut.
„Die Getreidepflanzen brauchen jetzt eigentlich Ruhe. Aber bei acht oder neun Grad wächst alles“, sagte der Präsident des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Rainer Tietböhl, am Donnerstag. Mancherorts seien die Bestände schon von Schimmelpilzen befallen.
Noch sei die Ernte jedoch nicht verloren. „Die Natur wird alles wieder richten“, ist sich Tietböhl sicher und erinnerte daran, dass 2013 noch im April in manchen Regionen Schnee lag und niemand eine gute Ernte erwartete. Innerhalb weniger Wochen habe die Natur alles aufgeholt.
VOGELNESTER: Auch die Tierwelt reagiert auf den warmen Winter. Die einheimische Vogelwelt gerate teilweise schon in Brutstimmung, kommt mit dem derzeit milden Winter nach Beobachtungen von Vogelschützern jedoch sehr gut klar.
„Einige Vogelarten profitieren sogar von der derzeit milden Witterung“, berichtete der Landesbund für Vogelschutz (LBV) am Donnerstag in Hilpoltstein (Landkreis Roth). So bekomme die Schleiereule die Chance, frühere Brutverluste auszugleichen. Gleiches gelte für den Eisvogel, sagte LBV-Artenschutzreferent Andreas von Lindeiner.
Auch andere Vögel versuchten Brutausfälle während des verregneten Frühsommers 2013 wieder wettzumachen und seien bereits in Brutstimmung.
Da ohne Schnee auch genügend Nahrung vorhanden sei, fingen einige Vogelarten bereits mit dem Balzen an.
Die ersten Spechte seien beim Trommeln zu hören, vereinzelt sängen auch schon Amseln, Kohlmeisen, Grünfinken und Rotkehlchen. Sie strebten damit eine mögliche Brutzeit an und steckten ihr Revier ab, um später ein Weibchen anzulocken.
„Sollten brütende Vögel doch noch von einem Wintereinbruch ereilt werden, geht die Brut zwar verloren. Sie haben aber zumindest einen Brutversuch unternommen“, erklärte Lindeiner.
Allerdings führe der milde Winter zum Leidwesen mancher Naturfreunde dazu, dass sich Vögel in den Hausgärten rarer machten: „Für die Vögel gibt es derzeit keinen Grund, ihren normalen Lebensraum zu verlassen, da sie dort meist noch genügend Nahrung finden.“ Wegen der bereits länger anhaltenden milden Witterung blieben die Tiere in ihrem angestammten Revier, wo sie sich am besten auskennen und sich bei der Nahrungssuche weniger Gefahren aussetzen als in städtischen Parks und Hausgärten.
SEEN: Während die Fische vom milden Winter nahezu nichts mitbekommen, ist die Wärme für ihren Lebensraum, die Seen ein Problem. Die milden Temperaturen haben etwa Auswirkungen auf die Wasserzirkulation im Bodensee.
„Man kann vermuten, dass es in diesem Jahr nicht zu einer Vollzirkulation kommen wird“, sagt der stellvertretende Leiter des Instituts für Seenforschung in Langenargen (ISF), Herbert Löffler. Normalerweise mischten sich die verschiedenen Wasserschichten des insgesamt rund 536 Quadratkilometer großen Sees im Winter, so dass Sauerstoff von der Oberfläche in die Tiefe des Sees gelangt.
Der Hintergrund der Zirkulation: Das kalte und schwere Tiefenwasser liegt am Grund des Sees, die darüber liegenden Schichten sind im Sommer wärmer und leichter. Im Spätwinter kühlt sich das Wasser an der Oberfläche jedoch ab – dadurch löst sich die Temperaturschichtung auf und die Wasserschichten beginnen sich zu durchmischen.
Ein einmaliges Ausbleiben der Durchmischung habe aber keine akuten Folgen, sagt Löffler. „Der See kann einige Jahre ohne Vollzirkulation überstehen.“
Schwierig werde es erst auf Dauer: Wenn die Vollzirkulation – zum Beispiel bedingt durch den Klimawandel - mehrere Jahre nacheinander ausbleibe, könnten sich aus dem Sediment Nährstoffe wie Phosphor oder auch Schadstoffe lösen.
FISCHE: Die Fische im Bodensee bekommen von den milden Temperaturen dagegen nicht viel mit. Ihr Stoffwechsel sei im Winter nicht so aktiv, daher bräuchten sie weniger Nahrung, sagt Norbert Knöpfler vom Württembergischen Fischereiverein. „Sie verharren einfach in der Tiefe – auf Sparflamme.“
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