Vermülltes München: Streik der Straßenreinigung sorgt für reichlich Dreck nach dem Fasching
München - Es ist Mittwoch, kurz vor 11 Uhr. Normalerweise würde Yasar Karaca bald Feierabend machen und sich dann zu Hause zwei Stunden hinlegen, weil er so erschöpft von seinem Arbeitstag ist, der früh um vier beginnt und an dem er die Fußgängerzone von all dem befreit, was die Menschen dort auf den Boden oder in die Mülleimer fallenlassen.
Yasar Karaca arbeitet für die Straßenreinigung im Stadtzentrum. Die letzte Nacht allerdings kehrte er nicht und er leerte auch keine Mülleimer aus. Der 30-Jährige steht an diesem Vormittag auf dem Marienplatz zwischen etwa 180 Kollegen. Viele tragen neon-gelbe Warnwesten, manche halten Schilder hoch: "Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich verdiene", steht auf einem.
Verdi-Forderung: 10,5 Prozent mehr Lohn und mindestens 500 Euro mehr für jeden Mitarbeiter
Die Straßenreinigung hat zwei Tage lang gestreikt. Der Faschingsmüll, das Konfetti und die Pappbecher, blieben also größtenteils liegen. Viele Mülleimer quollen über – obwohl die Stadt andere Mitarbeiter einsetzte, um Scherben zusammenzukehren. 1,5 Tonnen Glasmüll entsorgten sie laut Baureferat. Insgesamt fällt aber ein Vielfaches an. 2020 musste die Stadtreinigung 4,5 Tonnen einsammeln.
Etwas Sorge vor der nächsten Schicht habe er schon, sagt Yasar Karaca. Trotzdem ist er überzeugt, dass der Streik notwendig ist. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi organisierte ihn. Sie fordert für alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst 10,5 Prozent mehr Lohn und mindestens 500 Euro mehr für jeden Mitarbeiter.

"Alles ist teurer geworden", sagt Yasar Karaca. "Früher hat man für 50 Euro einen halben Einkaufswagen voll bekommen, jetzt kriegt man dafür gerade mal eine halbe Tüte." Von 2.400 Euro netto müsse er seine zwei Kinder versorgen, neun und sechs Jahre alt. Und er müsse 900 Euro Miete bezahlen. Würde seine Frau nicht auch arbeiten, ginge es gar nicht, meint er.
"Ich schaue immer, was es gerade für Angebote gibt, und dann kaufe ich davon etwas mehr", erzählt Adem Schabiu (45). Er hat drei Kinder und sein Gehalt muss für die ganze Familie reichen. Er verdiene nach 13 Berufsjahren etwa 2500 Euro netto. Hätte er mehr, würde er mehr für seine Kinder ausgeben, sagt Schabiu: "An Fasching wollten sie gerne Karussell fahren. Es ist schwierig, da immer Nein zu sagen." Auch ins Kino oder ins Restaurant würde er gerne mit ihnen gehen. "Natürlich nicht jeden Tag, aber vielleicht so einmal alle zwei Wochen."
Leute werden immer unhöflicher
Ohne den Streik würden die Menschen die Arbeit der Straßenreinigung gar nicht wahrnehmen, glaubt der 45-Jährige. Schließlich lautet ihr Auftrag: Alles sauber machen, bevor die Münchner aufwachen und den Dreck sehen. Im Winter, wenn es schneit, beginne die Schicht um zwei Uhr morgens, erzählt Schabiu. Mit seinen 45 Jahren spüre er die harte Arbeit bereits: "Meine Gelenke tun weh." Viele seiner Kollegen seien schon operiert worden.
Dass die Arbeit unangenehmer geworden ist, erzählt Dennis Dogan (33). Er beobachtet, dass immer mehr Menschen Hunde besitzen und den Kot nicht wegmachen – das muss dann er tun. Auch, dass die Leute unhöflicher geworden sind, bemerkt er. "Neulich hat jemand extra vor mir eine Flasche fallenlassen und gesagt: Da hast du etwas vergessen", erzählt Dogan. Ein Betrunkener habe ihn mit Wodka bespritzt. "Wenn wir uns morgens um sieben Uhr einen Kaffee holen, schimpfen die Leute, ob wir nichts zu tun haben. Dabei fangen wir doch schon nachts um vier an."
"Wir bräuchten sicher zehn neue Mitarbeiter"
Härter sei die Arbeit auch deshalb geworden, weil Personal fehlt, sagt Dragan Papic. Als er vor fünf Jahren bei der Straßenreinigung anfing, seien sie 37 Kollegen im Bezirk Westend gewesen. Jetzt seien sie bloß noch 27. "Wir bräuchten sicher zehn neue Mitarbeiter."
Doch die zu finden, könnte schwierig werden. In der ganzen Stadt fehlt Personal. Und nicht nur die Straßenreinigung ist unzufrieden. Heinrich Birner, der Chef von Verdi in München, kündigte auf dem Marienplatz an: "Wenn bei den Verhandlungen nichts auf den Tisch kommt, werden wir einen Streikplan auferlegen, der sich gewaschen hat."
Nicht nur die Straßenreinigung, auch die Müllabfuhr und die Kindergärten könnten dann nicht wie gewohnt arbeiten.
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