Vermeintliches NSU-Opfer: Staatsanwalt ermittelt gegen Anwalt

Die Affäre um eine falsche Nebenklägerin im NSU-Prozess zieht weitere Kreise. Ein Anwalt muss sich gleich zwei Ermittlungsverfahren stellen, und jetzt kommt heraus, dass er auch noch eine Entschädigung der Bundesregierung für seine vermeintliche Mandantin entgegennahm.  
von  dpa

Die Affäre um eine falsche Nebenklägerin im NSU-Prozess zieht weitere Kreise. Ein Anwalt muss sich gleich zwei Ermittlungsverfahren stellen, und jetzt kommt heraus, dass er auch noch eine Entschädigung der Bundesregierung für seine vermeintliche Mandantin entgegennahm.

München - Die Staatsanwaltschaft Aachen hat ein Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt Ralph Willms aus Eschweiler eingeleitet. Das teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag auf Anfrage mit. Willms hatte im Münchner NSU-Prozess ein vermeintliches Terroropfer namens "Meral Keskin" vertreten, inzwischen aber eingeräumt, dass seine Mandantin nicht existiert.

Gleichzeitig wurde am Montag bekannt, dass Anwalt Willms auch eine Entschädigungszahlung der Bundesregierung entgegennahm, die für "Meral Keskin" bestimmt war. Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte, der Anwalt sei als Nebenklage-Vertreter im NSU-Prozess "legitimiert gewesen". Das Geld, ein Betrag von 5000 Euro, sei auf ein Anderkonto von Willms überwiesen worden.

Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden nach Aussage des Sprechers durch Presseveröffentlichungen ausgelöst. Weil Willms für die Vertretung des angeblichen NSU-Terroropfers im Münchner Prozess eine Vergütung erhalten habe, hege die Staatsanwaltschaft einen "Anfangsverdacht" auf Betrug. Zum Verbleib der von der Bundesregierung überwiesenen Opferhilfe könne er noch nichts sagen.

Gegen Willms läuft auf Antrag der Anwaltskammer außerdem ein standesrechtliches Verfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln. Dabei gehe es um den Verdacht, er habe für das Mandat eine Provision bezahlt, sagte eine Sprecherin am Montag.

Willms hatte über seinen eigenen Anwalt erklären lassen, er sei von einem anderen NSU-Geschädigten getäuscht worden. Der Mann habe ihm ein Foto der vermeintlichen "Meral Keskin" vorgelegt und für die Vermittlung der Mandantin eine Provision verlangt. Auch gegen diesen Mann ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts.

Ein Jahr nach dem Auffliegen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" hatte die Bundesregierung Härtefallentschädigungen an alle Opfer und Hinterbliebenen des NSU ausbezahlt. Dieses Geld wurde nach Auskunft des Bundesjustizministerium nur auf Antrag gewährt.

Verantworten muss sich für die Verbrechen des NSU die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Sie ist im NSU-Prozess wegen Mittäterschaft an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen der Gruppe angeklagt. Als unmittelbare Täter gelten der Bundesanwaltschaft die beiden verstorbenen mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

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