Verkehrswende am Brenner: Verbände von Bayern bis Tirol sehen dringenden Handlungsbedarf

Weniger Stau und mehr Umweltschutz: Einflussreiche Wirtschaftsvertreter aus Bayern, Österreich und Italien wollen Ausnahmen für das LKW-Nachtfahrverbot.
von  Ralf Müller
Aktuell dürfen Lkw-Fahrer nur zu bestimmten Zeiten über den Brenner fahren. Jetzt diskutieren Wirtschaftsvertreter aus Deutschland, Österreich und Italien über eine Änderung der bisherigen Regeln.
Aktuell dürfen Lkw-Fahrer nur zu bestimmten Zeiten über den Brenner fahren. Jetzt diskutieren Wirtschaftsvertreter aus Deutschland, Österreich und Italien über eine Änderung der bisherigen Regeln. © dpa

München – Wirtschaftsdachverbände aus Bayern, Tirol und Südtirol haben eine Aufhebung des Nachtfahrverbots für Lkw über den Brenner gefordert.

Zeitgleich mit der anstehenden Sanierung der Lueg-Brücke der Brennerautobahn könnte eine Aufhebung des Nachtfahrverbots für Lkw der besten Schadstoffklasse Euro 6 "eine zusätzliche Umweltbelastung durch Stau und stockenden Verkehr erheblich reduzieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Industriellenvereinigung Tirol (IV Tirol), Unternehmerverband Südtirol (UVS) und Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), die in München unterzeichnet wurde.

Wirtschaftsverbände wollen Tempolimits und kürzer geltendes Nachtfahrverbot

Für Nachtfahrten von Lkw können sich die Wirtschaftsverbände eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 60 oder 70 vorstellen. Unmittelbar würde bereits eine Verkürzung des bestehenden Nachtfahrverbots etwa bis 3 Uhr eine spürbare Verbesserung bringen, heißt es weiter.

Als "große Belastung für die Wirtschaft in Südtirol und Bayern" werden die von Tirol praktizierten "Dosierungen" für Lkw und das Nachtfahrverbot bezeichnet. Aber auch die Tiroler Industrieunternehmen seien betroffen, sagte IV-Tirol-Präsident Max Kloger. Blockabfertigungen und andere Verkehrsbeschränkungen erschwerten den Güterverkehr "erheblich".

UVS-Präsident Heiner Oberrauch bezeichnete das Nachtfahrverbot als "Umweltfrevel", weil in der Folge unnötig Schadstoffe durch Lkw-Staus am Tage produziert würden. Die aktuellen Beschränkungen stellten "eine ernsthafte Herausforderung" dar, unterstrich Kloger. Es müssten Lösungen gefunden werden, die sowohl die Lebensqualität der Tiroler Bürger schützen als auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhalten.

Der Brenner sei die "Lebensader der europäischen Wirtschaft" und ein "Symbol für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration innerhalb der Europäischen Union".

Verkehrswende am Brenner muss schneller kommen

Die Verbände setzen geringe Erwartungen in die auf Regierungsebene geplante "Slot-Lösung" zur Auflösung der Lkw-Staus an Tagen mit Blockabfertigung. Eine solche Maßnahme werde "am Grundproblem nichts ändern", sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Das Slot-System sei "nicht ausgereift", sagte UVS-Präsident Heiner Oberrauch. Kloger sprach von "Skepsis".

In der gemeinsamen Erklärung fordern die Wirtschaftsverbände einen "zügigen Ausbau der Schieneninfrastruktur". Vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt kritisierte das langsame Tempo bei Planung und Realisierung des Eisenbahn-Nordzulaufs für den Brenner-Basistunnel in Oberbayern.

Bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten "alle Register" gezogen werden, damit die Strecke früher fertig wird, sagte Brossardt. "Der Kleinkrieg um den Trassenverlauf muss beendet werden." Bis zur Inbetriebnahme des Brenner-Basistunnels müsse die Ist-Situation der Brenner-Route auf Schiene und Straße schnell verbessert werden.

Unterschiedliche Ansichten bestehen zwischen den Unternehmerverbänden Bayerns und Südtirol in der Frage der Brenner-Maut. "Von Südtiroler Seite können wir auch einer Erhöhung der Maut zustimmen, um Umgehungsverkehrs zu minimieren", sagte Oberrauch.

Auswirkungen auf Urlauber: Drohen bald Mauterhöhungen?

Zwischen Bayern und Italien gebe es "keine echten Alternativrouten", betonte hingegen vbw-Geschäftsführer Brossardt. "Daher darf es auch keine Mauterhöhung geben", wohl aber Mautsenkungen für besonders umweltfreundliche Lkw. Oberrauch konnte sich hingegen eine "höhere Maut für umweltbelastende Lkw" vorstellen. "Weltweit und europaweit", so der Südtiroler Verbandschef, müssten Transporte von Gütern und Menschen sowieso teurer werden.

Zu dem von Italien gegen Österreich wegen der Verkehrsbeschränkungen auf dem Brenner angekündigten Vertragsverletzungsverfahren äußern sich die Wirtschaftsverbände der drei Länder in der gemeinsamen Erklärung nicht. "Besser wäre es, wenn es ohne Klage ginge", sagte Brossardt. "Ich mag Klagen gar nicht."

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