Verkäuferin von Baulöwen eingemauert
Ein Miet-Streit in der Maximilianstraße eskaliert. Der millionenschwere Besitzer lässt das Gebäude mit Brettern dicht machen – und wird bei der umstrittenen Aktion von der Polizei abgeführt.
MÜNCHEN - Plötzlich wird’s dunkel. Ute Kaßner, Verkäuferin im „Pashmina“-Shop, sieht bloß noch ein großes Brett vorm Schaufenster. Arbeiter hängen es an einen Zaun vor dem Laden. Eine Menschenmenge auf der Maximilianstraße sieht fassungslos dabei zu. Manche Passanten schimpfen und buhen die Handwerker aus. Ute Kaßner hört’s und freut sich über die moralische Unterstützung. Nur bringt ihr die gerade recht wenig. Sie ist eingesperrt.
Der Kaschmirwaren-Laden unter den Bürklein-Arkaden in der Maximilianstraße 6 ist seit Tagen Stadtgespräch.
Der Besitzer des Gebäudes, Baulöwe Urs Brunner, lässt den Bau entkernen – bis auf die Fläche des Pashmina- Shop, der noch geöffnet hat. Sein Besitzer, Marc Rückle, will bis Ende März bleiben. Brunner widerspricht: Es waren drei Tage Kündigungsfrist ausgemacht, Rückle müsse raus.
Seit Tagen umgibt ein Bauzaun die Arkaden – und sperrt potenzielle Kunden aus. Bis jetzt war der Miet-Streit also recht bizarr. Jetzt geht’s aber ans Eingemachte.
Am Montag um 14.50 Uhr betreten Angestellte von Urs Brunner den Shop. Sie fordern Ute Kaßner auf zu gehen. Die weigert sich. „Da haben sie gesagt: ,Dann müssen Sie den Laden über die Feuertreppe verlassen’.“ Kaßner meint, sie könne das nicht, sie habe einen Bänderriss.
Die Männer gehen – und schließen die Tür. Daraufhin setzen Handwerker einen Metallgitterzaun vor die Tür, bohren Dübel rechts und links in die Wand, setzen Haken ein und schweißen die ans Gitter. Dann verbarrikadieren sie die Konstruktion mit großen Holzbrettern und parken noch einen Kleinbagger dahinter.
Ladenbesitzer Marc Rückle ist entsetzt: „Frau Kaßner hatte Todesangst!“ Baulöwe Brunner wiegelt ab: „Warum ist sie nicht rausgegangen?“
Gegen 15.30 Uhr ist die Polizei vor Ort. Der Dienstleiter entscheidet, Ute Kaßner rauszuholen und greift zu einem Brecheisen. Urs Brunner fotografiert ihn dabei. Ein Beamter will ihm die Kamera abnehmen, Brunner weigert sich – dann führen sie den Millionär ab, stecken ihn in einen Streifenwagen und nehmen seine Personalien auf.
Derweil flext ein Schlosser das Gitter auf. Ute Kaßner ist frei. Marc Rückle ist entsetzt: „Brunner will hier anscheinend das Faustrecht einführen.“ Der Kaschmir-Händler vermutet, dass man ihn und seine Mitarbeiter unter Druck setzen wolle – damit sie den Laden verlassen.
Urs Brunner sagt, von „einsperren“ könne keine Rede sein. Im Gegenteil: „Es war eine Einfriedung der Baustelle. Die Firma Brunner & Co. muss sicherstellen, dass hier keine Personen gefährdet werden. Hier sind Personen in Gefahr, erst letztens ist eine Glasscheibe aufs Pflaster gefallen.“ Mit dem Miet-Streit habe das Ganze nichts zu tun – Ute Kaßner habe sich trotz Aufforderung „beharrlich geweigert“, den Laden zu verlassen.
Trotzdem hat die Aktion Folgen für Brunner: Die Polizei hat gegen ihn Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte, Nötigung und Freiheitsberaubung gestellt. Auch Brunner will die Sache nicht auf sich beruhen lassen: „Da wird es ein Gespräch mit dem Polizeipräsidenten geben.“
Der Bauzaun ist seit neuestem übrigens weg. Am Dienstag brachte Rückle eine einstweilige Verfügung des Landgerichts zur Brunner & Co.: Der Zugang zum Geschäft dürfe bis auf Weiteres nicht verhindert werden. Am späten Nachmittag wird der Zaun entfernt – ein Teilsieg für Rückle.
Brunner will die Verfügung vor Gericht wieder aufheben lassen. „Wieder wurde uns kein rechtliches Gehör geschenkt.“ Er wisse, dass er in der Sache als „der Böse“ dastehe – „und Rückle als armer Kerl“. Es sei aber anders: „Der will nur Kohle von mir. Das ist Abzocke."