Verkäuferin bei Olympia '72: Olympische Standlgaudi

Waldis, Servietten, Schals, Flaschenöffner, Schlüsselanhänger, Käppis und mehr. Hier erzählt Eleonore Kohlmann-Strandes von ihrer grandiosen Zeit als Souvenir-Verkäuferin bei den Spielen 1972.
Eleonore Kohlmann-Strandes |
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Lässig rauchend im Olympiapark: Eleonore Kohlmann-Strandes 1972, als sie Souvenir-Verkäuferin wurde.
Lässig rauchend im Olympiapark: Eleonore Kohlmann-Strandes 1972, als sie Souvenir-Verkäuferin wurde. © privat

München - Ich war damals Metallographin an der Technischen Hochschule in München und viel in Schwabing unterwegs. Dort in einer Kneipe lernte ich einen jungen Mann kennen, der mir empfahl, bei dem Souvenirverkauf für die Olympischen Spiele mitzuarbeiten. Er selbst war schon als Verteiler mit Bauchladen im Olympiastadion eingeteilt. 

Ich bewarb mich also und wurde gleich für einen Stand im Stadion eingeteilt. Dort gab es einen großen "Stadl", in dem die Schätze gelagert wurden. Ich bekam mit einer jungen Frau (wir wurden sehr schnell Freundinnen) zusammen einen eigenen Stand. Der bestand aus einem langen, stabilen Tisch mit Schubladen und links und rechts zwei Stangen. Dort sollten wir eine Schnur spannen und die Souvenirs aufhängen und überall drapieren.

Ein Tisch, zwei Stangen und eine Schnur, um die Souvenirs zu drapieren

Es machte unheimlich viel Spaß, denn die Leute rissen sich förmlich um die schönen Artikel. Waldis, Schals, Servietten, Flaschenöffner, Schlüsselanhänger, Käppis und vieles mehr - alles mit den Ringen versehen.

Die Bauchladenzubringer kamen kaum noch durch, um uns zu beliefern, sodass immer eine von uns beiden zu dem Stadl hetzte und neue Ware anschleppte. Dort sollte alles registriert werden, das hätte aber viel zu lang gedauert, es gab ja noch mehrere Stände. Wir rafften die Waren zusammen und das Geschäft florierte. Gegen Abend kam ein freundlicher Mann auf einem Moped vorbei und sammelte unser verdientes Geld aus dem Schuhkarton ein. Wir waren sowohl am Umsatz beteiligt als auch an einem Tagegeld.

Zugegebenermaßen haben wir manchmal aus unserem Schuhkarton Geld für Getränke oder Eis genommen, wenn Verkäufer vorbeikamen. Wir waren ja auch sehr fleißig. 16 Tage von 9 bis 23 Uhr an einem Stück bis zum Ende der Fußball- oder anderer Flutlichtspiele.

Eleonore Kohlmann-Strandes: "Der furchtbare Anschlag hat eine große Lücke geschlagen"

Wenn alle im Stadion waren, hatten wir auch die Gelegenheit, schnell mal in die Olympia-Schwimmhalle zu gehen und Mark Spitz zu bewundern oder ein Hockeyspiel. Natürlich blieb immer eine am Stand.

Der furchtbare Anschlag hat eine große Lücke geschlagen. Aber schon am nächsten Tag ging es ja weiter. Ich hatte Spaß daran, die "Plastikteller", die man dank der Schlitze auf den Kopf zog und so einen Sonnenschutz erhielt, auf den steilen Stufen im Stadion für eine Mark zu verkaufen.

Und so sieht die AZ-Leserin heute aus. Danke für die Bilder!
Und so sieht die AZ-Leserin heute aus. Danke für die Bilder! © privat

Das Highlight der ganzen Verkaufsorgie war der letzte Abend mit dem Fußballfinale. Das war das erste Mal, dass es regnete und die meisten Verkäufer hatten sich schon nach Hause begeben. Wir aber haben uns kartonweise Regenumhänge, mit den Ringen drauf, geholt und diese schon durch die Gitterstäbe an die Wartenden verkauft.

Meine Hosentaschen waren vollgefüllt mit nassen Fünf-Mark-Scheinen und Münzen. Als das Stadion gefüllt war, haben wir uns im Depot verabschiedet und sind erschöpft nach Hause.

Fröhliche, friedliche Leute – das bleibt eine unvergessliche Zeit

Es war eine unvergessliche Zeit, so eine tolle Stimmung, und fröhliche, friedliche Leute, Jung und Alt und die fantastischen sportlichen Erfolge um uns herum. Diese Zeit werde ich nie vergessen und das Verkaufen hat mir so viel Freude gemacht, dass ich später einen Secondhandladen in Schwabing eröffnete.

So haben die Olympischen Spiele mein Leben geprägt und mir ein unvergessliches Erlebnis geschenkt.

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