Vergewaltigte Frauen von Kliniken in München abgewiesen: Wie die Stadt nun besser helfen will

Wer einen sexuellen Übergriff erlebt hat, muss nicht gleich zur Polizei. Auch sieben Kliniken leisten Hilfe und sichern Spuren. Die Stadt München will das nun bekannter machen.
von  Christina Hertel
Nach einem sexuellen Übergriff fühlen sich viele Frauen allein. Sie können sich aber Hilfe holen. Auch in Kliniken, wenn sie nicht zur Polizei möchten.
Nach einem sexuellen Übergriff fühlen sich viele Frauen allein. Sie können sich aber Hilfe holen. Auch in Kliniken, wenn sie nicht zur Polizei möchten. © IMAGO/Zoonar

München - Zumindest statistisch gibt es in jedem Freundeskreis, in jedem Büro, in jeder Straße Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt, aber nie darüber gesprochen haben: Jede siebte Frau in Deutschland hat sie erfahren und zwar so, dass es strafrechtlich relevant ist. Doch jede zweite erzählt davon niemandem – keinem Freund, keinem Therapeuten und erst recht nicht der Polizei.

Frauen wurden von Kliniken in München abgewiesen: Ein Grund ist das Geld

Diese Zahlen nennt Maike Bublitz. Sie Geschäftsführerin des Frauennotrufs, der seit über 30 Jahren Frauen berät. Bublitz weiß auch: Selbst jene Frauen, die nach einer Vergewaltigung Hilfe suchen, bekamen diese bis jetzt nicht immer. Sie kennt Frauen, die Münchner Kliniken abgewiesen haben. "Solche Fälle gibt es in ganz Deutschland", sagt Bublitz.

Ein Grund dafür sei das Geld: Denn bislang werde Spurensicherung nicht refinanziert. Gleichzeitig könne sie eine bis eineinhalb Stunden dauern, sagt Bublitz. Christoph Scholz, Chefarzt der Frauenklinik in Harlaching und Neuperlach, kann sich vorstellen, dass Ärzte und Ärztinnen überfordert sind, wie sie am besten mit einer Frau, die vergewaltigt worden ist, umgehen sollen. Zahlen, wie oft Kliniken Frauen abgewiesen haben, können beide nicht nennen.

Besserung in Sicht: Schulungen für das Personal in Münchens Krankenhäusern

Sie hoffen aber, dass es jetzt besser wird: Das Gesundheitsreferat hat sich zusammen mit der Rechtsmedizin der LMU, dem Frauennotruf und fünf Frauenkliniken Qualitätsstandards zusammengestellt, die garantieren sollen, dass Frauen Hilfe erhalten und gleichzeitig – auf eine rechtssichere Art und Weise – Spuren gesichert werden. "Die Akutversorgung nach einer Vergewaltigung sollte genauso selbstverständlich sein wie der Gang in die Notaufnahme, wenn jemand sich ernsthaft verletzt hat", sagt Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD).

Um das zu gewährleisten, ließ das Gesundheitsreferat das Personal in sieben Münchner Kliniken schulen. Die München Klinik Harlaching, das Klinikum Dritter Orden, die Frauenklinik im Schwabinger Krankenhaus, die Frauenklinik der LMU an der Ziemssenstraße, die Frauenklinik am Campus Großhadern, das Klinikum rechts der Isar und die Klinik Neuperlach wissen jetzt, wie sie eine Frau, die vergewaltigt wurde, richtig behandeln. Und sie wissen auch, wie sie die Spuren sichern, so dass sie in einem Prozess als Beweismittel dienen können.

Eine Hürde weniger für Betroffene: Der Weg zu Polizei fällt weg

Für Betroffene soll das eine Erleichterung sein. Denn die Spuren müssen spätestens 72 Stunden nach der Tat erfasst werden. Aber die Hürde zur Polizei zu gehen und eine Anzeige zu erstatten ist, hoch. "Nur jede zehnte bis jede 20. Frau zeigt eine Vergewaltigung an", sagt Bublitz. Wenn sich die Frau aber dafür entscheidet, die Spuren im Krankenhaus sichern zu lassen, gewinnt sie Zeit. Denn erst nach einem halben Jahr werden die Spuren laut Gesundheitsreferat vernichtet.

Für die Polizei sei es ein Gewinn, wenn auch Kliniken Spuren sichern können, sagt Kriminalhauptkommissarin Esther Papp. "Frauen sind oftmals nicht sofort in der Lage, eine Anzeige zu erstatten." Vergangenes Jahr wurden in München laut der Polizei 290 Vergewaltigungen angezeigt. Nur in 83 Fällen kannte die Frau den Täter gar nicht. "In der Regel streitet der Täter alles ab oder sagt, es sei freiwillig geschehen", sagt Esther Papp. Umso wichtiger seien Beweise.

Mit solchen Plakaten will die Stadt darauf aufmerksam machen, wie Frauen sich Hilfe holen können.
Mit solchen Plakaten will die Stadt darauf aufmerksam machen, wie Frauen sich Hilfe holen können. © GSR/LHM

"Sexualisierte Gewalt wird nicht toleriert: München startet eine Kampagne

Damit Betroffene erfahren, an wen sie sich nach einer Vergewaltigung wenden können, startet die Stadt außerdem eine neue Kampagne. Sie soll auch ein Zeichen sein, sagt Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD): "Sexualisierte Gewalt wird nicht toleriert."


Mehr Infos: www.frauennotruf-muenchen.de

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