Vergessene Bauten in München - zu Unrecht

Das Neue Rathaus, die Feldherrnhalle, das Maximilianeum – es gibt Bauwerke in München, die jeder kennt. Andere wiederum werden kaum beachtet.
von  Myriam Siegert
Teile des Werks um das historische Tor gehören heute wieder zu BMW.
Teile des Werks um das historische Tor gehören heute wieder zu BMW. © BMW Group Archiv

München - Ob Fahrrad- oder Spielwaren-Fabrik, Brauerei oder Ziegelei – all das hat es auch in München gegeben. Und manche Gebäude sind sogar noch erhalten. Deren Historie widmet sich das Archiv der Münchner Arbeiterbewegung. Die Baudenkmäler der Industriekultur erzählen die Sozialgeschichte der arbeitenden Münchner und damit ein besonderes Stück Stadt- und Lokalgeschichte.

Nicht alle Bauwerke sind so bekannt wie die Großmarkthalle in Sendling, oder BMW und Knorr-Bremse an der Moosacher Straße im Münchner Norden. Oder wussten Sie, dass Berg am Laim einst ein Industriestandort mit Firmen wie "Cognac Marcholl" oder der Konserven- und Kaffeefabrik "Franz Kathreiner's Nachfolger" war? Inklusive Werkswohnungen und Direktorenvilla versteht sich.

Erinnern Sie sich an die "Perutz Photowerke", die 1880 als Chemikalienhandlung gegründet, auf einem riesigen Areal an der Kistlerhofstraße bis in die 1990er Jahre Kassetten, Ton- und Videobänder produzierten? Ebenfalls verschwunden: das Eisenwerk München, das an der Hofmannstraße etwa die originale technische Bühneneinrichtung fürs Prinzregententheater und mehr als 150 Glasüberdachungen und Schaufenster für Münchner Kaufhäuser herstellte.

Münchens Industrie-Juwele: Es geht nicht nur um die Architektur

Nicht immer wird etwas gebaut oder produziert, Industriebauten sind auch Gebäude wie das Wasserpumpenhaus in Pasing, von dem aus Dampfloks betankt wurden. Und es geht nicht nur um Architektur, auch das Arbeiterleben in den Gebäuden ist erzählenswert.

Bis zur Revolution 1918/19, die sich in diesen Tagen zum 100. Mal jährt, hatte auch München eine Industrialisierung (und Militarisierung) erlebt. Neben diversen Fabriken entstanden Rüstungsbetriebe, in denen Tausende Arbeiter beschäftigt waren. So manche Industriegebäude wurden zum Schauplatz: Wie die BMW-Flugzeugmotorenfabrik im Münchner Norden, in der im Januar 1918 die Munitionsarbeiter streikten und dann maßgeblich an der Revolution beteiligt waren.

Oder die "Rote Burg", ein gewaltiges Gewerkschaftshaus in der Pestalozzistraße, vorher das "Lindcar-Fahrradwerk". Hier waren seit 1925/26 die Volksfürsorge, eine Bibliothek, eine Gaststätte und Versammlungsräume (der größte für 350 Personen) untergebracht.

Droht bald die nächste Abrisswelle? 

Es gab Feste und Bildungsangebote, genauso wie eine Kinderspeisung während der Weltwirtschaftskrise. Ludwig Eiber vom Archiv der Arbeiterbewegung betont, Gebäude, gerade Industriebauten, seien Zeitzeugen. Erfreulicherweise habe ein Umdenken für deren Erhaltungswürdigkeit eingesetzt. Manche Firmen, wie etwa BMW, bewahrten zumindest Teile ihrer historischen Standorte.

Dennoch, so Eiber, drohe die nächste Abrisswelle: Sei es im Klinikviertel, am Viehhof oder der Großmarkthalle. Eiber wünscht sich, dass vor Entscheidungen über solche Bauten deren bau- und stadtteilgeschichtliche Bedeutung geprüft wird.


Zum dritten Mal stellt der Arbeitskreis Industriekultur im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung einen Kalender mit historischen Aufnahmen von selten gesehenen München-Ansichten zusammen.
Der Kalender "Industriekultur in München. Zwischen Abriss und Bewahren" zeigt diesmal Bauten, die bis in die 1920er Jahre entstanden sind.
Der Kalender ist im Verlag Franz Schiermeier erschienen und beispielsweise noch bis Sonntag am Bücherstand der Münchner Buchdienste auf der Auer Dult am Mariahilfplatz erhältlich (Ahornallee 20).

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