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Verdächtiger im Porsche-Mord: Filmreife Flucht aus der JVA Stadelheim

Der Verdächtige, der einen 25-Jährigen in München im vergangenen Jahr kaltblütig erschossen haben soll, ist aus der JVA Stadelheim geflohen. Mittlerweile konnte der 24-Jährige aber wieder gefasst werden.
von  Ralph Hub
Der Verdächtige konnte aus der JVA Stadelheim flüchten. (Archivbild)
Der Verdächtige konnte aus der JVA Stadelheim flüchten. (Archivbild) © Peter Kneffel/dpa

München - Der 24-Jährige saß seit dem 5. Juni 2020 unter Mordverdacht in einer Zelle der JVA in Stadelheim. David H. soll einen Bekannten, dem er viel Geld schuldete, im März vergangenen Jahres am Harthof in dessen Porsche Panamera erschossen haben. Am Dienstagmorgen gelang dem Verdächtigen die spektakuläre Flucht aus der gut gesicherten Justizvollzugsanstalt.

Umstände der Flucht "werden derzeit mit Hochdruck aufgearbeitet"

David H. schaffte es offenbar am Vormittag unbemerkt vom Wachpersonal, sich in einem Lastwagen zu verstecken, der Ware angeliefert hatte. Das bestätigte am Dienstag Andrea Leonhardt, Sprecherin des Justizministeriums auf Anfrage der AZ. "Die Umstände, die zu der Entweichung geführt haben, werden derzeit mit Hochdruck aufgearbeitet."

"Ob er Hilfe hatte, klären wir in den nächsten Tagen ab", sagte JVA-Direktor Michael Stumpf. "Mir ist schleierhaft, wie er das geschafft hat." Der 38-Tonner passierte die Sicherheitsschleuse, ohne dass David H. bemerkt worden wäre. Kurz nach 9 Uhr schlug der Lkw-Fahrer bei der Polizei Alarm, nachdem er den blinden Passagier bemerkt hatte. Sofort lief eine Fahndung in der gesamten Stadt nach dem Ausbrecher an.

Verdächtiger am "Mira Einkaufszentrum" gefasst

Viel Freude hatte David H. an seinem erfolgreichen Fluchtversuch nicht. Denn bereits um 11 Uhr erkannte eine Zivilstreife den 24-Jährigen. Die Beamten stellten den Flüchtigen am Hasenbergl in der Schleißheimer Straße in der Nähe des Mira Einkaufszentrums. In der Nähe sollen Verwandte leben. David H. sitzt erneut hinter Gittern, vorerst wieder in der JVA Stadelheim.

Er soll sich noch im Lauf dieses Jahres vor dem Münchner Schwurgericht wegen Mordes verantworten. "Wir sehen Heimtücke und niedere Beweggründe als Mordmerkmale erfüllt", sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding, nachdem der Verdächtige im Frühjahr 2020 von der Polizei festgenommen worden war.

Kokain und viel Geld – um diese beiden Dinge ging es bei dem Mord an einem 25-jährigen Porsche-Fahrer vor knapp einem Jahr. Einer Passantin fiel der Panamera am Morgen des 18. März auf, weil er in falscher Richtung geparkt in der Hugo-Wolf-Straße stand. Sie rief die Polizei.

Der Tote wurde in der Hugo-Wolf-Straße gefunden.
Der Tote wurde in der Hugo-Wolf-Straße gefunden. © Daniel von Loeper

Am Steuer des verschlossenen Sportwagens saß Dominik S. (25) mit blutverschmiertem Gesicht. Ein Notarzt stellte fest, dass der Mann seit Stunden tot war. Die Obduktion ergab, dass S. durch einen Schuss in den Kopf starb. Im Porsche des Opfers fand die Spurensicherung eine Patrone. Sie passt zu dem Projektil, das Dominik S. getötete hatte. Die Pistole, eine Kleinkaliberwaffe, war zunächst verschwunden, ebenso wie der Autoschlüssel.

Spurensicherung fand jede Menge belastende Indizien

Die Ermittlungsgruppe "Panamera" mit mehr als 20 Kriminalbeamten wurde eingerichtet. Systematisch begann das Team, das Leben von Dominik S. unter die Lupe zu nehmen. Sein Handy wurde ausgewertet, Freunde, von denen es ziemlich viele gab, wurden befragt. Dabei ergaben sich konkrete Hinweise auf illegale Drogengeschäfte. Einer der Kunden war offenbar der damals 23-jährige David H.. Laut Polizei bezog der Barkeeper aus München offenbar Kokain über Dominik S.

Die Spurensicherung fand noch mehr belastende Indizien. In dem Porsche, in dem Dominik S. erschossen worden war, wurden Fingerabdrücke und die DNA des Barkeepers David H. gefunden. Der Verdächtige hatte rund 10.000 Euro Schulden beim Opfer. Das Geld sollte David H. an Dominik S. zurückzahlen. Die beiden Männer verabredeten sich, wie die Ermittler herausfanden, am Abend des 17. März 2020 in der Hugo-Wolf-Straße vor der evangelischen Versöhnungskirche. Der Barkeeper stieg zu Dominik S. in den Porsche.

Für restliche U-Haft muss David H. mit Disziplinarmaßnahmen rechnen

Am 27. März 2020 um 6 Uhr stürmte eine Spezialeinheit eine Wohnung in Neuhausen, in der die Freundin von David H. wohnte. Der Barkeeper wurde festgenommen. Von Anfang an gab es Gerüchte, das Mordopfer habe mit illegalen Drogengeschäften zu tun gehabt. Dominik S. hatte keinen richtigen Job, lebte aber auf großem Fuß und besaß mit nur 25 Jahren bereits einen rund 100.000 Euro teuren Porsche.

Ein Ausbruch aus einem Gefängnis ist nach deutschem Gesetz nicht strafbar. Soweit dabei niemand zu Schaden gekommen ist, wird sich das im Mordprozess deshalb nicht auf das zu erwartende Strafmaß auswirken – dem 24-Jährigen droht eine lebenslange Haft. Für die Zeit der restlichen U-Haft muss David H. mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Dazu zählen schärfere Sicherungsmaßnahmen – wie verstärkte Kontrollen der Zellen.

Gefängnisausbrüche sind "die absolute Ausnahme"

Ausbrüche aus Gefängnissen in Bayern sind nach Angaben des Justizministeriums "die absolute Ausnahme" – und seit vielen Jahren trotz gestiegener Gefangenenzahlen rückläufig. Im Jahr 2018 und 2020 kam es den Angaben zufolge zu keinem Ausbruch, im Jahr 2019 zu zweien. Ausbruchversuche werden zwar nicht statistisch erfasst. In der JVA Stadelheim gab es laut Ministerium den letzten Ausbruchsversuch aber am 16. Oktober 2017.

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