Vater soll zwei Monate altes Baby heftig geschüttelt haben
München Die Zuhörer im Schwurgerichtssaal können nicht glauben, was da von der Anklagebank zu hören ist. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Michael Höhne, was er denn so vorhabe, wenn er irgendwann wieder in Freiheit ist, antwortet Daniel J., dass er sich darauf freut, mehr Zeit mit seiner Tochter zu verbringen und das Mädchen später einmal beim Besuch des Kindergartens und der Schule zu begleiten: „Ich habe gehört, es geht ihr immer besser.“
Hat der seit einem Jahr in U-Haft sitzende Mann nicht gehört oder gelesen, was Staatsanwältin Nicole Selzam zum Auftakt des Mordprozesses als Anklage vorgetragen hat? Dass Anna (1, Name geändert) bereits jetzt in ihrer Entwicklung stark zurückgeblieben ist, schwerst behindert bleibt und Zeit ihres Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sein wird. Dass sie 24 Stunden am Tag betreut wird und das kleine Mädchen weitgehend über eine Sonde ernährt werden muss. Dass ihr Schädel stark deformiert ist und auch bleibt.
Das alles ist laut Anklage Folge eines Schütteltraumas, das ihr der Vater zugefügt und dass zu einem massiven Hirnödem bei dem damals zwei Monate alten Baby geführt hat. Daniel J. wusste um die Gefährlichkeit des Schüttelns, er erklärte am Montag selber, dass ihn die Hebamme ausführlich darüber informiert hatte.
Der arbeitslose Mann soll dennoch aus Frust über seine Situation und weil er sich von dem schreienden Kind beim Surfen auf Pornoseiten im Internet gestört fühlte, die Kleine am Abend des 1. Dezember 2014 mehrmals kräftig geschüttelt haben, so dass der Kopf des Babys hin und her flog.
Obwohl das Baby kein Lebenszeichen mehr zeigte, holte Daniel J. laut Anklage zunächst keine Hilfe. Und der endlich doch benachrichtigten Notärztin sowie den Klinikärzten habe er das Schütteln verschwiegen, so dass die Ärzte zunächst eine Infektion vermuteten.
Anna wurde bereits zuvor misshandelt
Für die Staatsanwältin ist das versuchter Mord. Daniel J. soll zudem eine Woche davor das Kind „aus einer gefühllosen Gesinnung“ heraus misshandelt haben. Die Ärzte fanden Hämatome oberhalb der rechten Schläfe, am Bauch und Spuren einer Bissverletzung am Oberschenkel.
Der behandelnde Kinderarzt mutmaßte sofort, dass Anna misshandelt worden war und meldete das Mädchen im Harlachinger Kinderkrankenhaus an. Doch da tauchten die Eltern mit der kleinen Anna nie auf.
Annas Mutter (19) erklärte die Verletzungen ihrer Tochter damals mit einem zu hartem Zupacken beim Baden des Säuglings. Sie hält auch jetzt offenbar noch zu ihrem Mann. Vor Gericht ließ sie ankündigen, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen will. Die epileptischen Krampfanfälle unter denen Anna leidet, interpretiert die junge Mutter laut Anklage als „Lächeln“.
Der arbeitslose Telekommunikationselektroniker wird nicht müde zu beteuern, dass die Anklage nicht zutreffe: „Ich habe sie nicht geschüttelt.“ Er bietet andere Erklärungsversuche für das Schütteltrauma an. So will er das Baby einmal im Kinderwagen über Ackerfurchen gefahren haben, einmal habe im Auto eine Vollbremsung mit dem Auto machen müssen, ein anderes Mal habe er Anna hochgehalten und sie zu ihrem Vergnügen hoch und runter gehoben.
So richtig überzeugend klang das nicht. Jedenfalls nicht für den Vorsitzenden Richter des Schwurgerichts. Höhne bezeichnete die Aussage an einem Punkt sogar als „völlig abwegig“. Der Angeklagte versuche in seinen Augen, eine Fahrlässigkeit zu konstruieren.
Daniel J. bezeichnet sich als „sehr religiös“, seine junge Frau habe er vor fünf Jahren in der Kirchengemeinde kennengelernt. Das Kind sei zwar nicht geplant gewesen – seine Frau habe damals noch für ihr Abitur gelernt – er habe sich aber über die Geburt „sehr gefreut“.
Der Prozess gegen den jungen Vater wird am Donnerstag fortgesetzt. Ein Urteil soll dann am 21. Januar verkündet werden.
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