Vater des Airbus-Opfers klagt an: „Ich muss wissen, was passiert ist“

Der Vater der toten Münchnerin Ines G. (†31) spricht über die letzten glücklichen Tage seiner Tochter – und macht Air France schwere Vorwürfe.
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Ines G. (31)
az Ines G. (31)

Der Vater der toten Münchnerin Ines G. (†31) spricht über die letzten glücklichen Tage seiner Tochter – und macht Air France schwere Vorwürfe.

Meine Tochter. Die gibt’s nicht mehr.“ Bernd G. macht sich keine Hoffnungen. Seine Tochter Ines (31) war an Bord der Air France 447 von Rio de Janeiro nach Paris. Ihr Ziel war München, wo die Arbeit als Verkaufsmanagerin beim „Bayerischen Hof“ auf sie wartete. Doch sie kam nie an.

Zwei Wochen verbrachte Ines G. in Rio de Janeiro bei ihrem Bruder, der mit einer Brasilianerin zusammenlebt. Zuletzt hatte Ines ihren Bruder vor eineinhalb Jahren bei dessen Hochzeit gesehen. „Sie hat sich sehr gefreut, ihren Bruder wiederzusehen“, sagt Bernd G. „Sie hat bei ihm gewohnt, hat einen Ausflug nach Petropólis gemacht, verbrachte viel Zeit am Strand. Er hat sich frei genommen – zum Glück.“ Zwei Tage vor dem Unglück, am Samstag, feierte sie ihren 31. Geburtstag unter der Sonne, am Meer, in der warmen Luft. Dass Ines die Zeit in Brasilien genoss, gibt dem pensionierten Ingenieur Trost. „Sie hat dort sehr, sehr schöne Stunden verbracht. Dann flog sie direkt in die Katastrophe.“

Sie war tüchtig und sehr erfolgreich

Ihr Leben war Erfolg: Als Verkaufsleiterin im „Bayerischen Hof“ war sie für den USA-Markt zuständig. „Sie war glücklich, viel reisen zu dürfen“, sagt ihr Vater. „Sie war sehr sprachgewandt.“ Jahre hatte Ines auf dieses Leben hingearbeitet: In Stuttgart wuchs sie auf, ihr Vater arbeitete bei Daimler-Benz. Als sie die 12. Klasse des Gymnasiums besuchte, heuerte Bernd G. bei MBB in München an – die Familie zog nach Vaterstetten. Ines G. studierte vier Jahre an der Hotelfachschule European Center of International Hotel Management und wurde Hotelfachfrau. „Das war immer ihr Wunsch.“ Von September 2003 bis Ende 2006 arbeitete sie bei „Arabella Sheraton“ in München, 2007 stellte der „Bayerische Hof“ sie als Verkaufsangestellte ein.

Ines war tüchtig: Nach einem Jahr war sie Verkaufsmanagerin. Sprecherin Elena Del Carlo beschreibt sie als „sehr gute Kollegin. Sie war sehr präsent und lebensbejahend.“ Nur die große Liebe fehlte ihr zum absoluten Glück: Ines war Single.

"Ein Blitzschlag - das überzeugt mich nicht"

Bernd G. will wissen, wer oder was sie ihm für immer genommen hat. „Wir müssen Informationen von Air France abwarten, bis jetzt gibt es null“, sagt der Rentner. „Die Airline hält sich total zurück.“ Bernd G. glaubt nicht, dass ein Blitz das Flugzeug in den Atlantik stürzen ließ – und er kennt sich aus. Als Vorsitzender der „German Business Aviation Association“ vertritt er die Interessen des deutschen Werksflugverkehrs. „Blitzschlag überzeugt mich nicht – da sind mehrere Dinge zusammengekommen. Da gehen Antennen kaputt, der Rechner ist geschützt im Flugzeug.“ Er denkt sogar an einen Anschlag. Zu wissen, warum Ines starb, „tröstet sicher nicht. Aber ich muss es wissen, das ist sehr wichtig für mich.“

Auch für den Erlanger Eberhard K. brach gestern eine Welt zusammen. Sein Sohn, der Siemens-Angestellte Ralf K. (42), war ebenfalls an Bord der Air France. Ralfs K.s Schwester ist entsetzlich traurig. „Die Familie war für ihn immer der Mittelpunkt“, sagte sie unter Tränen. „Er war der gutmütigste Mensch, den ich kenne.“

Thomas Gautier und Susanne Will

Ein Psychologe über die Trauer der Angehörigen

AZ: Herr Maragkos, was ist das Besondere an der Trauer, die die Angehörigen der Katastrophen-Opfer jetzt erleben?

MARKOS MARAGKOS: Grundsätzlich ist es immer sehr schwer, jemanden durch einen Unfall zu verlieren. Gibt es eine Krankheit oder war jemand sehr alt, bereiten sich die Angehörigen innerlich darauf vor, bei einem Unfall geht das nicht. Dass man vielleicht vor wenigen Stunden noch mit der Tochter telefoniert hat, und jetzt ist sie nicht mehr da, das bringt die Menschen aus dem Lot, das kann der Kopf nicht begreifen.

Wie wichtig sind für die Angehörigen Informationen über die Unglücksursache?

Sie sind sehr wichtig. Die Angehörigen wollen möglichst genau wissen, was passiert ist, Informationen können beruhigen. Allerdings bergen zu viele Details die Gefahr, dass sich die Angehörigen darin verlieren – das belastetunter Umständen noch mehr.

Was können Freunde und andere Angehörige tun?

Sie sind jetzt sehr gefragt. Das Problem ist: Trauer ist sehr individuell. Wenn eine Familie jemanden verloren hat, reagieren die einzelnen Familienmitglieder oft ganz unterschiedlich. Die einen wollen viel reden, andere gar nicht. Das sollte man auch als Freund oder Bekannter respektieren. Es gibt bei Trauer in dem Sinne kein Richtig oder Falsch.

Die Toten werden wohl nie gefunden. Was bedeutet das für die Hinterbliebenen?

Wir wissen, dass manche jahrelang noch eine Hoffnung verspüren, solange kein Leichnam da ist. Andere sind da rationaler. Für alle Hinterbliebenen ist es sicherlich schwer, dass kein Begräbnis stattfindet. Eine Beerdigung ist ein Abschied innerhalb eines behutsamen Rituals, in dem vielleicht sogar bestimmte Wünsche des Verstorbenen berücksichtigt wurden. Für die Angehörigen ist das ein vorläufiges Ende, das ist sehr wichtig, auch wenn der Trauerprozess noch viel länger geht.

Können die Hinterbliebenen ihre Trauer anders ritualisieren?

Sie sollten das auf jeden Fall tun. Wie das dann genau abläuft, ist wieder sehr unterschiedlich. Ein Trauergottesdienst etwa, zu dem Freunde und Bekannte zusammenkommen, kann den Angehörigen sehr helfen.

Interview: ta

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