Vaniessa Rashid: Keine typische Grüne für den Münchner Osten

Nach dem Abitur machte Vaniessa Rashid ein Praktikum bei Margarete Bause - jetzt tritt sie als Direktkandidatin der Grünen im Münchner Osten an.
von  Christina Hertel
Vaniessa Rashid.
Vaniessa Rashid. © Daniel von Loeper

München - Bis vor wenigen Monaten haben die meisten Münchner den Namen Vaniessa Rashid wohl noch nie gehört. Trotzdem hängt nun ihr Gesicht an vielen Ecken im Osten der Stadt, wo sie als Direktkandidatin der Grünen antritt. Nach den üblichen Regeln des politischen Betriebs müsste einem eigentlich Margarete Bause von den Plakaten entgegenlächeln. 

Bause ist eine bekannte Menschenrechtlerin, war Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag und ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete. Trotzdem: Rashid stach Bause bei einer Abstimmung um das Direktmandat aus. Denn die Leute vor Ort wollten lieber Rashid - eine Studentin, die vor ein paar Jahren noch ein Praktikum in Bauses Büro gemacht hatte. Wie ist das zu erklären? 

Dunkles Weißbier, Dirndl - Vaniessa Rashid ist keine typische Grüne

Eine typische Grüne ist Vaniessa Rashid nicht. Sie fährt ein kleines silbernes Auto, kauft nicht alles im Biomarkt. Sie trage gern Dirndl, sagt Vaniessa Rashid bei dem Treffen mit der AZ in einem Wirtshaus in Perlach. Die 30-Jährige trinkt dunkles Weißbier. 

Das erste, worüber Rashid spricht, ist nicht die Klimapolitik, sondern ihr Stadtteil: Rashid sitzt seit Jahren im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach, fast nirgends in München leben so viele Kinder und Migranten. Möglichkeiten sich zu treffen, gebe es allerdings kaum, sagt Rashid. Sie kämpft dafür, dass sich das ändert. In Berlin will sie sich für eine andere Migrationspolitik einsetzen - weil sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn jemand ganz erstaunt ihr gutes Deutsch lobt, obwohl sie in München seit Jahren zu Hause ist. 

Rashid ist gebürtige Kurdin. Sie war noch ein Kleinkind, als ihre Eltern mit ihr aus dem Nordirak flohen. Noch heute kocht ihr ihre Mutter am liebsten gebratene Auberginen. Denn mit fünf Jahren, als sie mit ihrer Familie in Griechenland auf der Straße lebte, hatte sie so Hunger auf dieses Gericht. "Meiner Mutter hat es damals das Herz gebrochen, dass sie es mir nicht kaufen konnte", erzählt Rashid. 

Mit sechs Jahren kommt Vaniessa Rashid nach München

Mit sechs Jahren kam Rashid in München in der großen Asylunterkunft in der Bayernkaserne an. In der Grundschule habe sie schnell aufgehört, ihren Klassenkameraden zu erzählen, was sie auf ihrer Flucht erlebt hatte. Neben den anderen Kindern habe sie sich immer ein wenig minderwertig gefühlt, sagt Rashid. Tatsächlich war ihr Zuhause alles andere als ein Bilderbuch: Ihr Vater verprügelte die Kinder und die Mutter. Mit 13 Jahren zeigte Rashid ihren Vater an. Seitdem haben sie kaum Kontakt. "Besser keinen Vater als diesen", meint sie. 

Ihre Mutter hingegen, das sagt Rashid oft, sei eine unglaublich starke Frau. Sie brachte ihre Kinder heimlich gegen den Willen des Vaters ins Ballett und in die Bücherei und machte selbst heimlich eine Ausbildung zur Erzieherin.

Ihre Mutter ist Mitglied der SPD. Dass Vaniessa Rashid dort nicht auch landete, obwohl ihr vor allem auch die sozialen Themen wichtig zu sein scheinen, liegt ausgerechnet an Margarete Bause: Nach dem Abi machte Vaniessa Rashid ein Praktikum in ihrem Büro und war begeistert - von ihrem Tatendrang, aber auch davon, wie bei den Grünen gestritten und debattiert wurde. In einer anderen Partei hätte sie sich niemals gegen so eine bekannte Politikerin wie Bause durchsetzen können, da ist sich Rashid sicher. Doch auch die Grünen sind eine Partei, in der prominente Namen etwas zählen: Auf der Landesliste der Grünen steht Margarete Bause auf Platz 22 und hat damit gute Chancen, ab Herbst wieder im Bundestag zu sitzen. Vaniessa Rashid schaffte es nur auf Platz 37. Die Ordnung, sagt Vaniessa Rashid, sei damit wiederhergestellt.

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