Väterchen Timofejs Kirche: Warum das Wiederaufbau-Projekt scheitern könnte

Am 11. Juni brannte im Olympiapark ein Wahrzeichen Münchens ab: die Ost-West-Friedenskirche. Freiwillige, darunter auch Prominente wie Christian Ude, bemühen sich um den Wiederaufbau. Doch das könnte an der Bürokratie scheitern.
von  Gaby Mühlthaler
Am 11. Juni ist das Kirchlein von Väterchen Timofej komplett ausgebrannt. Nun liegt nur noch Schutt an dem Ort.
Am 11. Juni ist das Kirchlein von Väterchen Timofej komplett ausgebrannt. Nun liegt nur noch Schutt an dem Ort. © Branddirektion München

München - Der Brandschutt liegt noch am Platz, an dem bis zur Nacht zum 11. Juni die Ost-West-Friedenskirche stand. Das Wahrzeichen der Einsiedelei des Eremiten von München, von Einheimischen liebevoll "Väterchen Timofej" genannt, ist unwiederbringlich zerstört.

Das Ensemble mit Basilika, Kapelle und Wohnhäuschen im Olympiagelände war stets ein Magnet für Besucher aus aller Welt und eine Oase von Ruhe und Frieden in einer schnelllebigen Zeit. Die Münchner Fotografin Camilla Kraus hat sich vor langem in die Einsiedelei verliebt und für deren Erhalt gesorgt.

Eine Münchner Fotografin hat die Timofej-Kirche immer wieder fotografiert und repariert

"Im Winter 1989 stand ich zum ersten Mal vor dem alten Gartentürchen von Väterchen Timofejs Anwesen. Mein Sohn und ich hatten Timofejs Einsiedelei vom Gipfel des Olympiabergs aus entdeckt", sagt Camilla Kraus. "Die Dächer waren verrostet, die Dachrinnen notdürftig mit Draht befestigt. Wir dachten, die Einsiedelei ist verlassen, da trat uns ein bärtiger Mann mit Pelzmütze entgegen."

Mit stark russischem Akzent habe der sich vorgestellt: "Bin ich Timofej". Dann öffnete er sein Gartentor und führte die Besucher zur Basilika, die er Ost-West-Friedenskirche nannte.

Üppig geschmückt war die Basilika.
Üppig geschmückt war die Basilika. © Camilla Kraus

Gerührt von der bescheidenen Pracht lauschte Kraus Timofejs Bericht darüber, wie all dies entstanden war. Mit seiner Frau Natascha hatte der Eremit Kapelle, Wohnhäuschen und die Basilika mit Materialien vom Bombentrümmer-Schuttberg des Zweiten Weltkriegs gebaut.

Auf glitzernde Pracht mochte er dennoch nicht verzichten und versilberte die Decke der Kirche mit aufgesammeltem Schokoladenpapier.

Väterchen Timofej hat es geschafft, die Planungen für die Olympischen Spiele in München zu verändern

Geboren im Russischen Kaiserreich, fuhr Timofej Wassiljewitsch Prochorow in der Stadt Schachty Kohle aus, als die deutsche Wehrmacht den dreifachen Familienvater zwang, mit seiner Kutsche die Flucht deutscher Soldaten vor der Roten Armee zu unterstützen.

Frei kam er erst bei Rostow. Hier, so erzählte Timofej stets, sei ihm erstmals die Muttergottes im Traum erschienen und habe ihn geheißen, westwärts zu ziehen und eine Kirche für den Ost-West-Frieden zu bauen. Den Einwand, er habe Familie, hätte Maria nicht gelten lassen.

Timofej vor seiner Einsiedelei. Er soll mehr als 100 geworden sein.
Timofej vor seiner Einsiedelei. Er soll mehr als 100 geworden sein. © Camilla Kraus

In Wien traf er Natascha, mit der er sich auf der ehemaligen Flakstellung am Oberwiesenfeld niederließ.

Als 1972 die Bauarbeiten für Olympia begannen, wurde das Gelände extra weiter nördlich gelegt als geplant, um die Gebäude zu erhalten. Im Jahr 2004 starb Timofej, er soll 110 Jahre geworden sein.

Münchens Alt-OB Christian Ude wünscht sich, dass die Kirche wie das Original wieder aufgebaut wird

Ohne Camilla Kraus wäre München wohl um eine Sehenswürdigkeit ärmer, denn der Zahn der Zeit nagte am Ensemble. Seit der ersten Begegnung hat die Fotografin die Ost-West-Friedenskirche unter ihre Fittiche genommen, ließ die Dächer abdichten, die Fassaden streichen und rettete nicht nur die aus Wolle alter Pullover gestrickten Teppiche vor dem Vermodern.

Die Fotografin hat beim Entrümpeln alte Fotos gefunden und damit und anderen Stücken ein Museum eingerichtet. Viele Besucher kommen und für Kinder hat Kraus ein Mal-Zimmer eingerichtet: "Aus den originellsten Bildern haben wir die Broschüre – Kinder zeichnen für den Frieden – gestaltet".

Die Fotografin Camilla Kraus hat das Kirchlein oft besucht.
Die Fotografin Camilla Kraus hat das Kirchlein oft besucht. © Camilla Kraus

Was nun, wird die Kirche wieder aufgebaut? "Ich wünsche mir ein Kirchlein, genau wie das Original. Für dieses Bau- oder Kunstwerk müsste die Landeshauptstadt die Bauherrschaft übernehmen", sagt Alt-OB Christian Ude.

"Es muss jemand von der Landeshauptstadt die Initiative ergreifen". Kosten seien weniger ein Problem, denn "die Spendenbereitschaft ist groß".

Beliebtes Ziel auch von Touristen: Die Basilika von außen.
Beliebtes Ziel auch von Touristen: Die Basilika von außen. © Camilla Kraus

Friedenskirche: Die Stadt München kann einen Schwarzbau im Olympiapark nicht dulden

Dass der Verein "Stiftung Ost-West-Friedenskirche" den Wiederaufbau schaffen könnte, glaubt Ude nicht. Er sei "eher ein Provisorium". Zwar kümmern sich dessen Vorsitzender Sergej Kaiser und andere ehrenamtliche Helfer mit Herzblut um die Enklave inmitten des Tollwood-Geländes, doch Infos über Mitgliederzahlen und anderes gibt es nicht.

Der Beirat aus Vertretern von Stadt, Stadtrat und Bezirksausschuss, der 2004 gegründet werden sollte, wurde nie realisiert. "Keiner von der Landeshauptstadt hat die Initiative ergriffen", sagt Ude. Was auch immer die Kirche ersetzen wird, einen Schwarzbau kann die Stadt nicht dulden. "Es braucht natürlich eine Baugenehmigung, allein aus Sicherheitsaspekten", sagt Ingo Trömer vom Planungsreferat. Auch wenn das Ganze als "Kunstwerk" laufe, "müssen wir das baurechtlich prüfen". Immer sei der Sicherheitsaspekt im Vordergrund.

Wann kommt der Bauschutt weg? Das Münchner Baureferat sagt, dafür sei es nicht zuständig

Die Einsiedelei liegt laut Flächennutzungsplan in einer "Allgemeinen Grünfläche", Bauten sind dort möglich. Zwar hat der Stadtrat kürzlich beschlossen, diese Flächen frei zu lassen, doch schon jetzt werden zahlreiche große Siedlungen in solchen Bereichen geplant.

Camilla Kraus' Sohn Christian fände ein originalgetreues Modell der Basilika im Museum mit virtuellem VR-Rundgang durchs Innere am besten. Wie berichtet, hat eine Studentin die Kirche mit 3D-Laserscan exakt vermessen und dokumentiert. Und der Brandschutt? Dafür sieht sich das Baureferat nicht zuständig, für den Olympiapark schon. Bleibt spannend, wie es weitergeht und was aus den diversen Stadtratsanträgen zur Ost-West-Friedenskirche wird.

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