Uwe Böhnhardts Vater: Wir haben nichts geahnt

Uwe schwänzte die Schule, klaute, musste in Haft – doch dass sich sein Sohn zum gewaltbereiten Neonazi entwickelte, davon will Vater Böhnhardt nichts geahnt haben.
dpa |
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Vater Böhnhardt spricht im NSU-Prozess: In der Familie hielt sich sein Sohn an die Vorgaben, sagt er . Dann entschuldigt sich der 69-Jährige 

München Müde wirkt der hagere Mann, er ringt die Hände im Zeugenstuhl: „Es hat alles nichts genutzt“, sagt Jürgen Böhnhardt, wenn er über seinen Sohn redet. Über Uwe Böhnhardt (†34), der einer der Killer im NSU-Trio wurde. Es ist die Aussage eines ratlosen, kraftlosen Vaters.

Nach Brigitte Böhnhardt, Annerose Zschäpe und Siegfried Mundlos war der pensionierte Ingenieur der vierte von den Eltern, die über den Weg ihrer Kinder in den rechten Abgrund berichten sollten. Im Gegensatz zu Vater Mundlos und Mutter Böhnhardt schob er nicht sofort alle Schuld auf die anderen, die Mittäter, die Behörden, den Staat.

„Wir kamen nicht mehr an ihn ran“, sagt er: „Ich habe den Ernst nicht erkannt.“ Eingeständnisse der Machtlosigkeit, die schmerzen müssen. Die Böhnhardts müssen erkannt haben, auf welch gefährlichen Kurs Uwe war. Ausrichten konnten sie nichts.

Leistung habe man gefordert, erzählt der Vater. Vor allem die Mutter habe sich „intensiv gekümmert“ um den Uwe. „Aber wer will ein Problemkind?“ Er wolle auch nicht ausschließen, so der Vater, „dass dem Uwe die Hand ein wenig locker gesessen hat“. Eine höfliche Umschreibung. Bevor er in den Untergrund abtauchte im Januar 1998, bevor er zum Mörder wurde, hatte Uwe Verfahren wegen Körperverletzung am Hals und war wegen unerlaubten Waffenbesitzes im Knast.

Während die Rechten in Jena und Umgebung Angst und Schrecken verbreiteten, war es den Eltern wichtig, dass er „sich zuhause an die Vorgaben“ hielt. Springerstiefel und Bomberjacken, die seien verboten gewesen daheim. „Und sein Zimmer hat er in Ordnung gehalten und im Haushalt mitgeholfen.“

Hauptsache, die bürgerliche Fassade stimmte in den eigenen vier Wänden, und deshalb war das besonders ekelhafte Foto vom Sohnemann mit Glatze und hasserfüllter Fratze wohl ein Schock: „Vielleicht war er da auf dem Sportplatz, da ist man ja auch fanatisch“, sagt der Vater im Prozess. Entstanden ist es bei einem Neonazi-Aufmarsch. Die Bilder, die habe er erst gesehen, „als es zu spät war, als wir nicht mehr richtig Einfluss nehmen konnten“.

Man habe geredet, über Politik, „es ist aber keine Antwort gekommen“. Drei bis fünf Mal war die Polizei da, suchte Waffen im Elternhaus: „Das war sehr unangenehm.“ Deshalb setzten die Eltern so große Hoffnungen in die „sympathische junge Frau“, die der arbeitslose Sohn ab 1997 mit heimbrachte: „Na, jetzt wird's besser“, dachte sich der Vater.

Gebacken, gebügelt, „was Frauen so machen“, habe Beate Zschäpe im Hause Böhnhardt. „Wir hätten nichts dagegen gehabt, wenn es ein richtiges Paar geworden wäre.“ Doch den moderierenden Einfluss, den sich die Eltern erhofften, hatte Zschäpe offenbar nicht: Die Anklage hält sie für ein gleichberechtigtes NSU-Mitglied. Die zehn Morde haben sie nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft gemeinsam geplant. Am Nachmittag nutzt Böhnhardt die Gelegenheit: „Ich möchte den Opfern mein Beileid ausdrücken.“ Er könne sich „gut hineinversetzen“ in diejenigen, die „Opfer von den Uwes geworden sind“. So deutlich hat das noch niemand hier gesagt von den Eltern.

Und Beate Zschäpe auf der Anklagebank, drei Meter neben ihm, hört endlich auf, ihre Fingernägel zu begutachten. Matthias Maus

 

 

 

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