Urteil im Mordprozess gegen Hilfspfleger erwartet

In München steht der Mordprozess gegen einen Hilfspfleger vor dem Ende. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für einen Serienmörder. In dem Fall geht es aber nicht nur um die Schuld eines Einzelnen - sondern auch um das Versagen eines Systems.
von  dpa
Der Angeklagte sitzt vor Beginn der Sitzung im Verhandlungssaal.
Der Angeklagte sitzt vor Beginn der Sitzung im Verhandlungssaal. © Sven Hoppe/dpa

Im Prozess gegen einen Hilfspfleger wegen sechsfachen Mordes vor dem Landgericht München I wird heute das Urteil erwartet. Der 38-Jährige soll seinen pflegebedürftigen Patienten an verschiedenen Tatorten in Deutschland Insulin gespritzt haben, das in Überdosis verabreicht tödlich sein kann. Der Mann aus Polen soll über das Medikament verfügt haben, weil er - im Gegensatz zu seinen Opfern - Diabetiker ist. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte kurz vor dem Ende des Prozesses Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich um Kriminalität in der Pflege kümmern. "Quer durch Deutschland ist es symptomatisch, dass bei Delikten in der Pflege und Medizin der Aufklärungsdruck oft fehlt", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. "Das muss sich ändern. Es braucht Schwerpunktstaatsanwaltschaften, zentrale Ermittlungsgruppen und ein vernetztes Vorgehen aller Bundesländer für solche Delikte."

Der Fall des Hilfspflegers erinnert auch an den spektakulären Fall des Patientenmörders Niels Högel, der 2019 vom Landgericht Oldenburg wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.

Anders als bei Högel hätten die angeblichen Taten des 38-Jährigen aber in einer Art Grauzone stattgefunden, sagt Brysch. Weil die Angebote in Deutschland nicht reichen, "wird die Not in der Pflege durch über 300 000 oft weibliche Hilfskräfte aus Ost- und Südosteuropa gelindert. Fast rund um die Uhr und an sieben Tagen die Woche wird hier geschuftet, damit das Pflegesystem in Deutschland nicht kollabiert. Landläufig wird das als grauer Pflegemarkt bezeichnet".

Brysch betont: "Zum allergrößten Teil verlaufen diese Einsätze unauffällig." Aber eben nicht immer. "Die Politik interessiert sich nicht dafür. Fakten und Zahlen fehlen. Auch die Behörden vor Ort schauen weg, weil es keine Alternativen gibt. Das macht es Einzeltätern zu leicht. Selbst bei erdrückenden Hinweisen tun sich die Justizbehörden schwer." Brysch spricht sich deshalb auch dafür aus, "verbindliche amtsärztliche Leichenschauen bei allen Pflegebedürftigen gesetzlich anzuordnen".

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