Urteil der Woche: Rechtsanwalt prellt demente Dame um zwei Wohnungen
München - Zwei Jahre Bewährungsstrafe: Das ist das Urteil, dass das Münchner Amtsgericht für zwei Fälle von Untreue gegen einen inzwischen 65-jährigen Rechtsanwalt verhängte.
Der Mann hatte - unter Verwendung einer Generalvollmacht - seinen beiden Kindern Immobilien verkauft, die er im Auftrag einer langjährigen und mittlerweile dementen Freundin seiner Familie verwaltete.
Die Wohnungen von je etwa 80 Quadratmetern Größe waren im Münchner Stadtteil Lehel gelegen - und damit an einer Premiumadresse der Stadt. Die Kaufsummen, die der Mann seinen Kindern berechnete, lagen allerdings in einem Bereich, den das Gericht als völlig unter Wert betrachtete.
So zahlte die Tochter im Jahr 2015 einen Kaufpreis von 600.000 Euro, der Sohn 675.000 Euro. Tatsächlich hatten die Wohnungen laut Gericht aber jeweils einen Verkaufswert in Millionenhöhe: Sie hätten zum Verkaufszeitpunkt beide auf rund 1,1 Millionen Euro taxiert werden müssen.
Kinder bekommen Wohnungen: Vollmacht rechtswidrig ausgenutzt
Die betagte und in späteren Jahren dann auch demente Dame, die hier nach Meinung des Gerichts insgesamt um einen Millionenbetrag betrogen worden war, ist bereits verstorben. Der heute 65-Jährige kannte die 1926 geborene Freundin seiner Eltern seit Jahrzehnten, nämlich schon seit den 1980er Jahren.
Vom Testament gibt es mehrere Fassungen
Zwischen beiden bestand offenbar zumindest zeitweise ein tiefes Vertrauensverhältnis: Im Jahr 2008 hatte sie dem Rechtsanwalt eine umfassende notarielle General- und Vorsorgevollmacht erteilt und ihn unter anderem in ihrem Testament berücksichtigt, da sie selbst keine eigenen Kinder hatte. Von dem Testament erstellte sie allerdings mehrere Versionen und nahm später Korrekturen vor. Derzeit ermittelt ein Zivilgericht, welche Fassung Geltung hat.
Zwei Jahre danach wurde die Seniorin wegen ihrer fortschreitenden Demenz in einem Pflegeheim untergebracht, und der Rechtsanwalt übernahm für sie die Verwaltung ihres erheblichen Vermögens.
Vor Gericht gab der Mann nun an, dass er den Wert der Wohnungen unterschätzt habe und es ihm nicht darum gegangen sei, "seinen Kindern etwas zuzuschustern". Er habe wegen seines guten Verhältnisses zu der betagten Dame außerdem angenommen, dass es in ihrem Sinne gewesen sei, dass diese Wohnungen von seinen Kindern bewohnt würden.
"Schutzbehauptung": Mangelnde Kenntnis des Immobilienmarktes
Der Richter nahm ihm diese Begründung nicht ab und bezeichnete sie im Urteil sogar wörtlich als reine "Schutzbehauptung": Ein jahrzehntelang in München ansässiger Rechtsanwalt, der hier bereits vorher Immobilien verkauft habe, kenne die Münchner Marktlage oder habe zumindest die nötigen Fähigkeiten, Informationen darüber einzuholen. Dass er in dieser Weise versucht habe, den "Unrechtsgehalt der Tat zu relativieren", fließt strafverschärfend ins Urteil ein, ebenso, dass der Schaden erheblich und die zum Tatzeitpunkt bereits vollständig demente Dame völlig wehrlos gewesen sei.
Geldstrafe und "berufsrechtliche Folgen" für den Rechtsanwalt
Da der 65-Jährige allerdings nicht vorbestraft sei, der Verkauf nun schon sieben Jahre zurückliege, er den Verkauf gestanden und die Wohnungen inzwischen zurückgegeben habe, sei seine Tat zumindest "vollumfänglich wieder gut gemacht".
Auch das augenscheinliche Vertrauensverhältnis zu der alten Dame, deren Willen nun nicht mehr geklärt werden kann, wurde ihm zugute gehalten. Darüber hinaus werden die aus dem zivilrechtlichen Verfahren entstehenden Forderungen und die "berufsrechtlichen Folgen" der Tat strafmildernd gewertet.
Aus dem Juristendeutsch übersetzt heißt dies: Der Rechtsanwalt wird in einem gesonderten Verfahren ohnehin eine hohe Geldstrafe bezahlen und sich wohl von seinem erlernten Beruf verabschieden müssen.
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