Unverpackt-Läden in München: Ist der Trend vorbei?

Vor Corona lag plastikfrei einkaufen im Trend, auch in München. Doch nach der Pandemie und in Zeiten von Inflation haben es Geschäfte ohne Verpackung schwer. Manche schaffen es trotzdem.
von  Anna-Maria Salmen
Christine Holzmann in ihrem Laden Servus Resi in Sendling. Bei ihr funktioniert das Konzept.
Christine Holzmann in ihrem Laden Servus Resi in Sendling. Bei ihr funktioniert das Konzept. © Daniel von Loeper

München - Innerhalb von nur einer Stunde produzieren die Münchner so viel Plastikmüll, dass man damit die Bavaria füllen könnte. Vergleiche wie dieser, den Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) kürzlich anstellte, machen klar, dass sich etwas ändern muss.

Viele Menschen wollen bewusst ihren Plastikverbrauch reduzieren – und kaufen dafür zum Beispiel in Unverpackt-Läden ein.

Aktuell fünf Unverpackt-Läden in München – und ein Wochenmarkt

Vor der Pandemie war plastikfreier Konsum im Trend, überall entstanden neue Geschäfte, in denen sich zum Beispiel Nudeln, Nüsse oder Getreide lose abfüllen lassen. In München gibt es momentan fünf solcher Läden. Zudem startete jüngst im Arnulfpark Münchens erster Unverpackt-Wochenmarkt.

Doch Corona hat viele Händler vor Probleme gestellt. Im vergangenen Jahr mussten in ganz Deutschland rund 70 plastikfreie Geschäfte schließen, wie der Verband der Unverpackt-Läden mitteilt. Auch in München überlebten manche die Krise nicht.

Unverpackt-Trend: Rückgang auch beim Online-Handel

Zu ihnen gehört Katrin Schüler, die 2014 einen plastikfreien Laden in Haidhausen eröffnet hatte und damit nach eigener Aussage eine Pionierin in München war.

Vor zwei Jahren musste sie jedoch zusperren: "Durch die Pandemie sind die Umsätze komplett eingebrochen. Es kamen einfach keine Kunden mehr." Schüler betreibt weiterhin den Online-Handel Plastikfreie Zone, doch auch hier spürt sie einen deutlichen Rückgang, berichtet sie.

Körner, Müsli, Zucker: In Glasdosen sind alle Lebensmittel ausgestellt. Müsli kann man sich auch selbst mischen.
Körner, Müsli, Zucker: In Glasdosen sind alle Lebensmittel ausgestellt. Müsli kann man sich auch selbst mischen. © Daniel von Loeper

Die Soziologin sieht mehrere Gründe für diese Entwicklung. Die Unverpackt-Bewegung habe vor einigen Jahren einen enormen Aufschwung erlebt, den Corona jedoch völlig ausgebremst habe. "Wir waren auf einem guten Weg, aber die Verhaltensänderung war nicht stabil genug, um die Krise zu überstehen."

Nach Corona-Pandemie: Viele kehren in alte Muster zurück

Viele Menschen seien durch die pandemiebedingten Einschränkungen wieder zu alten Mustern zurückgekehrt. Sie haben zum Beispiel wieder angefangen, beim Discounter einzukaufen.

"Wenn man sich schon rausgetraut hat, ist man einfach zum nächsten Supermarkt gegangen. Und zu dem, der das größte Sortiment hatte, damit man möglichst nicht noch in einen zweiten Laden musste."

Eine mögliche Erklärung für die Unverpackt-Misere: Die aktuelle Krisenstimmung

Auch finanzielle Engpässe könnten die Menschen laut Schüler dazu bewegen, wieder öfter den Discounter aufzusuchen. An dieses schnelle und günstige Einkaufen haben viele sich rasch wieder gewöhnt, meint die Soziologin.

Eine weitere mögliche Erklärung sieht Schüler in der aktuellen Krisenstimmung: "Wenn es einer Gesellschaft gut geht, kann sie sich mit Umweltthemen beschäftigen. Sobald die guten Bedingungen erschüttert werden, kommt das Thema auf den Parkplatz."

Wegen Ukraine und Inflation: "Menschen haben keine Lust auf schwere Themen"

Mit dem Krieg in der Ukraine und der Inflation gebe es momentan schon schlechte Nachrichten im Überfluss. "Und dann sollen wir auch noch Plastik reduzieren. Der Mensch hat momentan keine Lust auf solche schweren Themen", sagt Schüler.

Trotzdem wünscht sie sich, dass nachhaltiger Konsum wieder mehr in den Fokus rückt. "Wir haben einen Auftrag für die nächste Generation." Auf die setzt Schüler große Hoffnungen: Immer wieder stelle sie fest, dass junge Menschen gerne umweltfreundlich einkaufen. "Aber wir brauchen auch noch die Mütter und die Omas." Das Thema Plastikreduktion sei jedenfalls noch lange nicht am Ende.

Im Unverpackt-Laden "Servus Resi" ist die Betreiberin zufrieden

Das sieht auch Christine Holzmann so. Ihren kleinen Unverpackt-Laden Servus Resi in Sendling betreibt sie seit März 2020, kurz darauf traten die ersten pandemiebedingten Einschränkungen in Kraft. "Wir haben in die große Krise rein eröffnet."

Auch Liebhaber von Süßem können fündig werden: Schokolade gibt es ebenfalls ganz ohne Pappe und Zellophan.
Auch Liebhaber von Süßem können fündig werden: Schokolade gibt es ebenfalls ganz ohne Pappe und Zellophan. © abz

Ihr Sortiment hat sie seitdem enorm erweitert. Das sieht man zum Beispiel an den Gewürzen: Angefangen hat es mit unter zehn Sorten. Heute sind es über 30, die sich auf einem Tisch im Laden in gläsernen Behältern aneinanderreihen.

Neben Lebensmitteln auch Kosmetik und Haushaltswaren im Unverpackt-Laden

An der Wand daneben hängen hohe Glaszylinder, gefüllt unter anderem mit Basmati-Reis, roten Linsen, schwarzen Bohnen oder verschiedenen Müsli-Sorten zum Selbstmischen. Backzutaten wie Vanillezucker oder Schokodrops finden sich in Holzmanns Laden ebenso wie Kaffee, Nudeln oder Nüsse. Außer Lebensmitteln gibt es bei Servus Resi auch Kosmetik und Haushaltswaren, darunter Waschmittel, das man sich im Laden abfüllen lassen kann.

Als die AZ gerade im Laden ist, kommt eine Kundin zur Tür herein und steuert auf das Gewürzregal zu. Ungefähr alle drei Wochen – sobald die Vorräte daheim aufgebraucht sind – kommt sie zum Einkaufen in Holzmanns Unverpackt-Laden, erzählt sie. Besonders empfehlen kann sie den geräucherten Tofu: "Davon bin ich ein großer Fan."

Holzmann lächelt und dankt der Kundin. "Ich bin super zufrieden", antwortet sie auf die Frage, wie es ihrem Laden gehe. Vor allem samstags sei bei Servus Resi immer viel los, "da kommen wir bei manchen Sachen kaum mit dem Auffüllen hinterher".

Holzmann sitzt selber im Vorstand des Berufsverbands

Von den gegenwärtigen Krisen spürt Holzmann eigener Aussage nach nichts. Allerdings hat sie mit ihrem Laden die Zeiten vor der Pandemie nicht erlebt, räumt sie ein.

Dass andere Unverpackt-Händler hingegen Probleme haben, bekommt Holzmann, die seit Kurzem im Vorstand des Berufsverbands sitzt, hin und wieder mit. Es gebe tatsächlich im Konsumverhalten einen Wandel zum Online-Einkauf, der vielen kleineren Läden Schwierigkeiten bereite. "Aber das betrifft den gesamten Einzelhandel und ist kein spezifisches Problem von Unverpackt-Läden."

Holzmann: "Dass unverpackt teuer ist, ist ein Klischee"

Außerdem "hält sich hartnäckig das Klischee, dass unverpackt teuer ist." Für ihren eigenen Laden kann Holzmann das nicht bestätigen. Mit einem Discounter könne Servus Resi zwar nicht mithalten, das sei klar. "Aber das wollen wir auch gar nicht." Ihre Preise seien vergleichbar mit einem Bio-Laden, manchmal auch etwas günstiger.

Holzmann ist überzeugt davon, dass der Einkauf im Unverpackt-Laden ein Ausgleich zum hektischen Alltag sein kann. "Es ist immer Zeit für einen Plausch, manche Kunden kennt man auch schon lange." Oft hat sie auch den Eindruck, dass die plastikfreie Welt für die Kunden ein Weg aus der Krise sein kann. "Es gibt ihnen das Gefühl, dass sie selbst etwas tun können und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten."

Auf die kommenden Jahre blickt Holzmann daher optimistisch: "Das Konzept von Unverpackt-Läden ist zukunftsweisend. Wir beweisen jeden Tag, dass es möglich ist."


Preise im Unverpackt-Laden: Kaum ein Unterschied zum normalen Bioladen

Wirklich teurer als im Supermarkt? Wie so oft gilt: Es kommt darauf an, mit was verglichen wird. In Unverpackt-Läden wird in der Regel Bioware verkauft. Die Preise können also nur mit anderen Biowaren verglichen werden und nicht mit (günstiger) Discounterware. Penne aus dem Unverpackt-Laden kosten in einem Beispiel 39 Cent pro 100 g, bei Barilla kosten 100 g 44,8 Cent.

Beim Edeka kosten die Eigenmarkennudeln 39,8 Cent und die Alnatura Bio Penne 43,8 Cent pro 100 g. Gerade wer häufig zu Markenprodukten greift oder ohnehin im Bioladen einkauft, stellt keinen großen Unterschied in seinen Ausgaben fest.

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