Untersuchungsausschuss zur Stammstrecke: Ex-Bahnchef Pofalla weiß von nichts

Noch mal antanzen muss der ehemalige Bahn-Vorstand Ronald Pofalla im Landtag in München. Dort wird die Frage geklärt: Wie groß ist sein Anteil beim Debakel der Zweiten Stammstrecke in München?
von  Heidi Geyer
Pofalla vor dem Ausschuss am Mittwoch.
Pofalla vor dem Ausschuss am Mittwoch. © dpa

München - "Nein", lautet die kurze und eisige Antwort zur AZ. Mit ihr wollte Ronald Pofalla nicht reden, auch nicht mit anderen Medien. Vielleicht lag es am Veranstaltungsort, dass der Ex-Bahnvorstand kurze Zeit später jedoch etwas kooperativer und gesprächiger war.

Denn der Untersuchungsausschuss zur Zweiten Stammstrecke tagte am Mittwoch nicht im schnöden Tagungssaal, sondern eben genau dort, wo sonst bayerische Politik gemacht wird: im Plenum, mit den Mitgliedern des Ausschusses auf der Regierungsbank.

Untersuchungsausschuss: Pofalla weigerte sich, Fragen zu beantworten

Von "rotzfrech" bis "unglaublich" lauteten die Urteile über den letzten Auftritt des ehemaligen Vorstands für Infrastruktur im U-Ausschuss.

Er hatte zuvor für einen Eklat gesorgt und keine Fragen beantworten wollen – mit dem Ergebnis, dass er am Mittwoch nochmal im Maximilianeum antanzen musste.

Deutsche Bahn: Pofallas Vorstandsrolle bleibt unklar

"Am Ende ist er für die Umsetzung der Investitionen verantwortlich", erklärt Pofalla seine frühere Rolle als Vorstand für das Thema Infrastruktur. Wer sich fragt, was ein Konzernvorstand so den ganzen Tag macht, der weiß auch nach Pofallas Aussage nicht so viel mehr.

Es klingt eher nach einer peniblen und trägen Bürokratie denn nach der Arbeit in einem Weltkonzern. "Vorlagen für die Konzernvorstandssitzungen" habe er geprüft und Fristen eingehalten. Er sei aber derjenige im Konzern gewesen, der am meisten "draußen" gewesen sei, etwa auf Baustellen, er spricht von einer Zahl von 30.000.

Stuttgart 21 hält Pofalla für komplexer als die Zweite Stammstrecke 

"Es gab bis zu dem Spitzengespräch am 2. Juli 2019 keine Besonderheiten, die erwähnenswert gewesen wären. Mit einer Ausnahme!", sagt Pofalla. "Ein übliches Beispiel" sei das Projekt gewesen im Vergleich zu anderen großen Infrastrukturprojekten.

Stuttgart 21 hält Pofalla für deutlich komplexer als die zweite Schiene in München. Vor den Spezialisten bei der DB Netz AG habe er "immer den Hut gezogen". Nur, wie kann es dann trotzdem im Fall der Zweiten Stammstrecke so gründlich schiefgehen?

Debakel Zweite Stammstrecke: Was wusste Pofalla?

Im Sommer 2020 habe er zum ersten Mal mitbekommen, dass es zwischen der Baubegleitung vom Freistaat und der Bahn Knatsch gebe. "Bei 30.000 Baustellen kann doch nicht ein Konflikt, der zu einer Baubegleitung besteht, auf Konzernebene erscheinen", sagt Pofalla.

Den Ausschussvorsitzenden Bernhard Pohl (FW) wundert das. Kann es wirklich sein, dass ein Vorstand erst so spät von massiven Problemen erfährt bei einem Projekt, das er selbst unter die "Big Five" bei der Bahn einordnet? Immerhin sei dann klar gewesen, dass die Bahn reagieren muss, die Zahlen sollten daraufhin überprüft werden, so Pofalla.

Erst nach Gespräch mit Bauministerin Schreyer: Pofalla sieht Handlungsbedarf

Von einem laut Pohl "temperamentvollen" Treffen mit der damaligen bayerischen Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) berichtet Pofalla so: Beim Rauchen sei er von Schreyer angesprochen worden und angeblich sollen die Fetzen geflogen sein.

"Ich krieg ja erst Betriebstemperatur, wenn das auch ein bisschen diskursiv wird", meint Pofalla zur Atmosphäre. Er habe dann zum ersten Mal erkannt, dass es einen gewissen Handlungsbedarf gebe.

Pofalla hat "ständig Termine dieser Art"

Schreyer hatte nach dem Zusammentreffen einen Brief formuliert, in dem sie den Zustand der Zweiten Stammstrecke als "Bestürzung" bezeichnete. Ein Begriff, der wiederum Pofalla nicht überraschte: In Briefen würde man schon mal etwas "kräftiger" formulieren.

An ein geplantes, aber geplatztes Gespräch mit dem Ministerpräsidenten, Schreyer und dem damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kann sich Pofalla nicht mehr erinnern. Das sei aber auch nicht ungewöhnlich, schließlich habe ein Bahn-Vorstand ständig Termine dieser Art. Er könne sich aber nicht erinnern, dass es beispielsweise mit Scheuer oder Söder jemals um die Stammstrecke gegangen sei.

Bahn-Großprojekte: Es bleiben Fragen offen

Auch wenn er Söders Handynummer hat, gab es laut Pofalla nur Geburtstagsgrüße, weder Bahninfos noch Beschwerden seitens Söder. Der Abgeordnete Martin Runge (Grüne) konfrontiert Pofalla mit Schriftverkehr, bei dem die Staatsregierung die Bahn kritisiert. Ob ihm die gravierendsten Planungsfehler bekannt gewesen seien?

Es werde so gewesen sein, "sonst hätte es ja keine Planänderungen gegeben", sagt Pofalla. Nach der mehrstündigen Befragung bleibt vor allem die Frage offen, wie die Bahn Kosten und Fortschritt von Großprojekten kontrolliert. Und wann ein Vorstand tatsächlich einschreitet, wenn ein Projekt aus dem Ruder läuft.

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