Unterschätzte Parlamente: Das müssen Wähler vor der Bezirkstagswahl in Bayern wissen

Sie verwalten ein Milliardenbudget: Die Bezirkstage in Bayern haben vor allem im sozialen Bereich viel Macht. Die AZ erklärt, wie die Wahl funktioniert und warum dort auch Kleinstparteien eine Chance haben.
von  Kathrin Zeilmann, Tobias Lill
Oft steht die Bezirkstagswahl im Schatten der Landtagswahl. Foto dpa:
Oft steht die Bezirkstagswahl im Schatten der Landtagswahl. Foto dpa: © picture alliance/dpa

München – Am Wahlsonntag geht es nicht nur darum, wer in den Landtag einziehen darf – es geht auch darum, wie die sieben Bezirkstage im Freistaat künftig besetzt sind. Die Wahlen stehen zwar naturgemäß im Schatten der Landtagswahl. Und doch haben die Bezirke eine wichtige Bedeutung – vor allem in den Bereichen Soziales und Kultur.

Doch was sind die Bezirke eigentlich genau und was ist der Unterschied zu den Bezirksregierungen? Bezirke gibt es nur in ganz wenigen Bundesländern. Sie sind im Freistaat die dritte kommunale Ebene neben Gemeinden und Städten sowie Landkreisen und kreisfreien Städten. Die Bezirkstage sind gewählte Parlamente, die jeweils einen Bezirkstagspräsidenten wählen. Die Verwaltung des Bezirks ist vor allem für den Sozialbereich verantwortlich.

Bezirkstage als "Sozialparlamente": "Zuständig für die Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf"

Die Bezirke sind nicht mit den sieben sogenannten Bezirksregierungen zu verwechseln, die es in Unterfranken, Oberfranken, Mittelfranken, Schwaben, Niederbayern, Oberbayern und der Oberpfalz gibt. Letztere sind Teil der staatlichen Verwaltung und erfüllen somit Aufgaben, die beispielsweise Ministerien ihnen übertragen.

Welche Aufgaben haben die Bezirke und deren Parlamente? "Die Bezirkstage werden auch Sozialparlamente genannt", sagt Franz Löffler, Präsident des Bayerischen Bezirketags. "Sie sind in erster Linie zuständig für die Versorgung von Menschen mit Behinderung, Pflegebedarf und psychischen Erkrankungen."

Der Präsident des Bayerischen Bezirketages, Franz Löffler.
Der Präsident des Bayerischen Bezirketages, Franz Löffler. © dpa / Nicolas Armer

Bezirke in Bayern: Gewählt wird am Tag der Landtagswahl

Zudem haben die Bezirke Aufgaben im Bereich der Kultur- und Heimatpflege, der Bildung sowie im Umweltbereich. Bezirke tragen beispielsweise Bezirkskliniken mit psychiatrischen und neurologischen Behandlungsschwerpunkten. Außerdem engagieren sie sich im Bereich Fischerei und Landwirtschaft und unterhalten in diesem Bereich Lehranstalten für die Aus- und Weiterbildung.

Und wie laufen die Wahlen ab? Gewählt wird zeitgleich mit der Landtagswahl. Das Prinzip ist ähnlich – es gibt eine Stimme für einen Direktkandidaten und eine Zweitstimme für die Liste. 2018 konnte die CSU in allen sieben Bezirksparlamenten die Mehrheit erringen.

Über 90 Prozent ihres Haushalts geben die Bezirke für soziale Leistungen aus

Josef Mederer (CSU), Präsident Bezirks Oberbayern, sagt der AZ, der Bezirk "sei das soziale Gewissen". Für ihn ist klar: "Menschen mit Behinderung oder psychischen Problemen sollen die Hilfe, die sie brauchen, auch bekommen." Weil es keine Fünfprozenthürde gibt, sitzen im Bezirkstag auch kleinere Parteien. Im oberbayerischen Bezirkstag sitzen etwa auch die ÖDP, die Tierschutz– sowie die Bayernpartei.

Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer.
Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer. © IMAGO / Christine Roth

Als Kandidaten für die Bezirkswahl stellen sich häufig Menschen zur Verfügung, die schon auf anderen kommunalen Ebenen aktiv sind – etwa als Bürgermeisterin, Landrat oder Stadtrat. Bezirksräte sind ehrenamtlich tätig.

Der Haushalt des Bezirks Oberbayern umfasst im Jahr 2023 rund 2,4 Milliarden Euro. Nach Angaben des Bezirkstags betrug das Haushaltsvolumen aller sieben Bezirke 2021 6,3 Milliarden Euro. Davon wurden 5,7 Milliarden Euro für soziale Leistungen ausgegeben, das sind rund 91 Prozent.

Noch gelten die Finanzen der Bezirke in Bayern als solide

Das Geld für die Bezirke kommt von Umlagen, die die Kreise und kreisfreien Städte zahlen, und vom Freistaat im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Derzeit sei die finanzielle Ausstattung der Bezirke "solide", so Präsident Löffler und fügt hinzu: "Allerdings kämpfen wir seit Jahren mit erheblichen Kostensteigerungen."

Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs hätten diesen Effekt verstärkt. Es seien in den kommenden Jahren Finanzierungslücken bei den Sozialausgaben zu befürchten, wenn die Kosten immer weiter steigen und die Einnahmen der Kommunen stagnieren oder gar zurückgehen.

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