Interview

Unternehmer Martin Schoeller: "Afrika ist eine Marktlücke"

Ein Unternehmer aus Bayern hat eine wirtschaftliche Vision für den Kontinent. Infrastruktur muss her und die Löhne rauf. Aber wie? Ein Gespräch.
von  Rosemarie Vielreicher
Der Unternehmer Martin Schoeller aus Pullach ist selbst in 50 Ländern tätig und setzt sich als Honorarkonsul für Togo ein.
Der Unternehmer Martin Schoeller aus Pullach ist selbst in 50 Ländern tätig und setzt sich als Honorarkonsul für Togo ein. © AZ

AZ-Interview mit Martin Schoeller: Der Unternehmer aus Pullach ist selbst in 50 Ländern tätig und setzt sich als Honorarkonsul für Togo ein. Sein Buch zusammen mit Daniel Schönwitz: "Afrika First. Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft" (Berg und Feierabend; 22 Euro)

AZ: Herr Schoeller, Sie sind Honorarkonsul des westafrikanischen Togo. Wie kommt's?
MARTIN SCHOELLER: Ich bin auch der Vorstand der Familienunternehmer in Bayern - und aufgrund dieses Postens bin ich gefragt worden, als das Amt des Konsuls frei wurde. Ich habe das gerne übernommen, weil ich dadurch einen Beitrag für eine bessere Zusammenarbeit und für die Armutsbekämpfung leisten kann.

Alte Verbindung zwischen Togo und Bayern

Togo und Bayern - was verbindet uns?
Togo hat eine alte Beziehung mit Bayern - schon zu Zeiten von Franz Josef Strauß. Zudem war es einmal eine deutsche Kolonie. Die Deutschen sind in Togo übrigens sehr beliebt, sie haben ordentlich investiert und angepackt und nicht nur Sachen kontrolliert. Das Image haben wir dort noch heute.

Wie schlägt sich Togo gerade in der Pandemie?
Die Statistiken dort werden nicht so sorgfältig erhoben. Deswegen sehen die Zahlen klein aus. Aber wenn Projekte verschoben und Investitionen nicht getätigt werden, verlieren Menschen ihren Job - im Schnitt verdienen sie ohnehin nur unter 1.000 Euro im Jahr. Es gibt dort zudem keine Arbeitslosenunterstützung.

Unternehmer Schoeller: "Ganz Afrika ist eine Marktlücke"

Sie entwickeln in Ihrem Buch "Afrika First" eine wirtschaftliche Vision für den Kontinent. Natürlich denkt man bei dem Titel sofort an Donald Trump und "America First".
Das Gegenteil davon ist gemeint. Trump sagte ja: "Ich zuerst. Ich gewinne, ihr verliert." Ich sage: Afrika first! Ich finde, wir sollten jetzt mal an die anderen denken. Aber damit ist nicht gemeint, dass wir Spenden dorthin schicken, sondern dass wir investieren. Es ist eine große wirtschaftliche Chance. Afrika kann entwickelt werden.

Inwiefern?
Dort leben eine Milliarde Menschen, die ein Dreißigstel von dem haben, was wir haben. 700 Millionen Menschen müssen von einem Dollar pro Tag leben. Ganz Afrika ist eine Marktlücke. Wenn es uns über die richtige Zusammenarbeit gelingt, die soziale Marktwirtschaft dort in Schwung zu bringen, kann dort auch für uns Europäer ein riesiger Wirtschaftsraum entstehen.

Zuerst muss eine Mindest-Infrastruktur gebaut werden

Was braucht es dafür?
Zwei Dinge: Es muss eine Mindest-Infrastruktur gebaut werden - Straßen, Wasser und Strom. 70 Prozent in der Subsahara haben keinen Anschluss an Wasser und Strom, keinen Zugang zu einer Straße.

Eine Frau in einer Seifen-Fabrik in Togo.
Eine Frau in einer Seifen-Fabrik in Togo. © imago images/UIG

Was ist das zweite?
Wir müssen die Löhne ankurbeln. Es kann nicht sein, dass man dort zehn Cent pro Stunde bekommt. Wenn die Menschen in ihrer Heimat mehr Geld bekommen, haben sie dort auch eine Perspektive. Und auch das enorme Bevölkerungswachstum würde dann reduziert.

Wie soll man das umsetzen?
Wir müssen sehr viel längere Kreditzeiten ermöglichen und gleichzeitig die Bedingung daran koppeln, dass Arbeiter mehr Lohn bekommen. So kann eine soziale Marktwirtschaft beginnen. Denn diese schützt im Alter mit der Rente, auch bei Krankheit und bei Arbeitslosigkeit. Sie macht die Schulausbildung von Kindern möglich und sorgt dafür, dass ein einfacher Arbeiter seine Familie ernähren kann. Diese fünf Dinge gibt es in Afrika bisher nicht. Ich möchte, dass wir alle unsere Handels-, Zoll-, aber auch Finanzierungs- und Kooperationsverträge mit den Standards der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft verknüpfen, um die fürchterliche Armut zu beenden.

Schoeller will die Perspektive für Afrika verbessern

Ein konkretes Beispiel?
Nehmen wir wieder Togo, denn dort möchte ich das gerne versuchen. Um dort das Land zu erschließen, braucht es natürlich viel Geld. Das wird den Afrikanern momentan vom Finanzmarkt geliehen, aber nur mit sieben Jahren Zahlungsziel und mit sieben Prozent Zinsen. Damit gehen sie in die Knie. Mein Vorschlag ist, bei der Europäischen Investment-Bank große Anleihen aufzunehmen und das Geld günstig etwa für zwei, drei Prozent an die Afrikaner weiterzugeben. Und das nicht mit einer Sieben-Jahres-Frist, sondern mit 30 Jahren. Die Bedingung dafür wäre, dass 80 Prozent der Straßenbauer Afrikaner sein müssen, 20 Prozent können aus dem Ausland kommen und ihr Know-How mitbringen. Ich möchte dann die Lohnsteigerung mit der Finanzierung koppeln. Arbeiter, die mehr Geld bekommen, werden am Ende auch zu Konsumenten.

Zusammengefasst: Wir können die Perspektive für Afrika verbessern und gleichzeitig für uns einen Wirtschaftsraum erschließen.
Ja, das sind gegenseitige Vorteile. Am Schluss ist das Beste, was für beide Seiten gut ist. China ist auch in Afrika aktiv, aber die wollen den direkten Zugang zu den Rohstoffen.

"Korruption ist wie eine Krankheit, die es auszumerzen gilt"

Aber wenn wir Europäer dort investieren, müssen dann nicht dringend die Start-ups und Firmen in Afrika eingebunden werden?
Da haben Sie zu 100 Prozent recht. Wir bringen unsere Technik und helfen, dass sie sich schneller und besser entwickeln können.

Was ist mit der Korruption?
Korruption ist wie eine Krankheit, die es auszumerzen gilt. Ich möchte eine Transparenzfirma zwischen Deutschland und Togo vorschlagen, die etwa die Aufgabenausschreibung objektiv übernimmt.

Corona-Krise hat Afrika schon zwei Jahre Entwicklung gekostet

Ist das alles in der Corona-Zeit überhaupt umsetzbar?
Ich glaube, dass wir leider warten müssen. Die Corona-Krise hat Afrika jetzt schon ein bis zwei Jahre Entwicklung gekostet. Sie legt die Schwächen noch mehr offen. Das ist wie bei einer Erkrankung mit einem schwachen Immunsystem. Aber in Togo gibt es auch einen positiven Effekt durch die Krise: Dort will man jetzt ein Gesundheitssystem aufbauen mit Versicherung und staatlichem Gesundheitsschutz.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat das Vorwort zu Ihrem Buch geschrieben. Er gibt sein Amt ja bald auf. Wen wünschen Sie sich als Nachfolger?
Ich hoffe, dass Gerd Müller ein größeres Amt bei den Vereinten Nationen bekommt! Er hat ein Herz, setzt sich wirklich ein. Ich bin ein Fan.

Und ein Wunsch-Nachfolger?
Vielleicht ein Grüner. Robert Habeck!


 

Afrika First - erschienen im Verlag Berg & Feierabend.
Afrika First - erschienen im Verlag Berg & Feierabend. © Berg & Feierabend

Martin Schoellers Buch zusammen mit Daniel Schönwitz: "Afrika First. Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft" (Berg und Feierabend; 22 Euro).

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