Unter Weiden und Hainbuchen wohnt die Freiheit
Münchens Stille Parkanlagen - Teil 1: Der Pasinger Stadtpark
Da kommen sie. Mit ihren Sportwagen in Leichtmetall rollen sie heran, der feine Kies knirscht. Beherzt nehmen sie die Kurve, rauschen über die Brücke und formieren sich zu einer Front. Man kennt das: aus dem Western „Die glorreichen Sieben“.
Doch sind es dieses Mal vier Mütter mit vier Babys zwischen achteinhalb und neun Monaten: Larissa, Niko, Sandra und Hannah. Die jungen Frauen machen zusammen einen Spaziergang – im Pasinger Stadtpark.
Der Stadtpark, den außer den Pasingern, den Aubingern, den Menzingern und vielleicht noch den Laimern kaum jemand kennt, Gott sei Dank, muss man ja sagen – der Stadtpark ist sonst um diese Zeit eher ruhig. Die Wiesen liegen menschenleer, die Gräser schaukeln im Wind, auf den sandigen Wegen kommt nur ab und an ein Radler vorbei – und traulich murmelt die Würm...
Kein Anfang und kein Ende
Die vier Frauen stehen noch immer am Rande der Brücke. Was führt sie an einem wolkenverhangenen Nachmittag in diesen eher abgelegenen Winkel der Stadt? „Wir haben uns“, sagt die Forscheste von ihnen, Simone, „im Krankenhaus bei der Entbindung kennen gelernt.“ Man treffe sich seither abwechselnd bei der einen und dann bei der anderen – und heute ist eben die an der Reihe, die in Pasing wohnt.
„Den Stadtpark“, sagt dann eine der Vier, „finde ich ja direkt beschissen“. Wie? „Na ja, er ist natürlich wunderbar: ruhig, und drei schöne Spielplätze – toll.“ Aber die Anlage sei so weiträumig, dass man sich schier darin verlaufe. „Der Park“, meint sie, und das ist nun mal wirklich eine kluge Beobachtung, „hat keinen Anfang und kein Ende.“
Der Pasinger Stadtpark ist 1929 entstanden. Zu jener Zeit kam die Pfarrkirche Mariä Geburt, die den heutigen Park nach Norden hin, Richtung Pasing, begrenzt, an den Orden der frommen Passionisten. Die Stadt Pasing, damals noch selbständig, bekam dafür große Teile eines Landschaftsparks, der sich um das nahe gelegene, 1869 erbaute klassizistische Schlösschen Gatterburg erstreckte – damit war der Stadtpark geschaffen, der wenige Jahre später nur noch unerheblich erweitert wurde. Erst 1995 dehnte sich durch den Abriss der Mitte des 19. Jahrhunderts erbauten Pasinger Papierfabrik der Park nach Süden hin noch einmal aus – nunmehr allerdings reihen sich dort jüngst hochgezogene, münchnerisch exklusive Wohnblöcke.
Dass der Park dennoch keinen Anfang habe und kein Ende, genau das verleiht ihm seinen eigentümlichen Reiz. Anders als andere Stadtparks vermittelt der Pasinger ein geradezu beglückendes Gefühl von Unbegrenztheit – wer seine mit Hainbuchen, Eichen und Weiden bestandenen Wege durchmisst, wer das Würm-Ufer bis zu dem dicht mit Seerosen bewachsenen Tümpel verfolgt und an den Brennessel- und Huflattichfeldern vorüber wandert, der glaubt sich eher auf freiem Feld nahe den Bergen als im so genannten urbanen Raum.
"Die Leute werden hier ruhiger"
„Man ist mitten in der Stadt, und fühlt sich doch, als wär’ man draußen“, erklärt dann auch die 19-jährige Pasingerin Nadine ihre Vorliebe für den Park. „Und außerdem“, ergänzt ihre Freundin Miriam, ebenfalls 19, „es gibt Wasser hier, das erdet!“ Man bekomme den Eindruck, „die Leute“ würden „hier überhaupt ruhiger“. Unterdessen macht ihr quirliger Jack-Russell-Terrier Florentine Jagd auf eine Kröte und fängt entsetzlich zu schniefen an.
Miriam, die Tierärztin werden will, gibt dann noch Wandertipps. So führt der Weg aus dem eigentlichen, mit knapp 20 Hektar ohnehin schon großen Park hinaus, wo er sich nach Lochham hin zu einer weitläufigen, von Baumgruppen durchsetzten Flur erweitert. Wer will, kann also Richtung Süden bis Gräfelfing und weiter wandern, in Richtung Norden längs der Würm durch Pasing bis Nymphenburg und Obermenzing, ohne je verkehrsreiche Straßen passieren zu müssen – ein Park ohne Anfang und Ende.
So haben sich die vier Mütter vermutlich im Endlosen verloren.
Bernhard Viel
Auf einen Blick
Lage: zwischen Am Klostergraten (Kirche Mariä Geburt) und Lochham in nord-südlicher Richtung, Planeggerstraße und Am Stadtpark in ost-westlicher Richtung.
Größe: 19,8 Hektar.
Anfahrt: S-Bahn Pasinger Bahnhof/Tram 19 bis Pasinger Marienplatz. Planegger Straße stadtauswärts, dann rechts in den Weg Am Klostergarten bis zur Kirche Mariä Geburt.
Sehenswertes: die Kirche Mariä Geburt am nördlichen Ende, mit spätgotischem Kruzifix und neugotischem Chor.
Charakter: Landschaftspark mit weiten, wildwachsenden Wiesen, viel Wald, der Würm und einem Teich mit Seerosen. Note: 1
Kinderspielplätze: 3, mit Klettergerüsten, Schaukeln, Holzhäusern. Note: 1
Publikum: vom Baby bis zum Rentner alle Altersklassen. Jogger, Radler, Spaziergänger. Wegen des benachbarten Karlsgymnasiums zu Schulzeiten viele junge Leute. Note: 1-
Erholungswert: wegen der Ruhe, der Weiträumigkeit, der schönen Picknickmöglichkeiten und der urwüchsigen Flora kaum zu übertreffen. Note: 1
Gastronomie: Zu einem ausgiebigem Spaziergang im StadtPark passt Handfestes: In der nahen Planegger Straße 14 finden Hungrige den „Schweizer Hof“ mit solider bayrischer Küche. Empfehlenswert: der Schweinebraten für ganze 6,50 Euro; die Halbe kostet 3 Euro, das Apfelschorle (0,5) 3,20 Euro. Note: 2
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