Unsere Nachbarn, die Nutten

MÜNCHEN - Während die Bewohner der Freisinger Landstraße Sturm laufen gegen das neue Großbordell, leben am Frankfurter Ring Arbeiter und Prostituierte schon lange Tür an Tür – eine Stippvisite.
Ob sie zu ihm wollen oder doch lieber zu den Prostituierte, ahnt Martin Miltenberger meistens schon, wenn die Herren aus ihren Autos aussteigen: „Den meisten sieht man es an der Nasenspitze an, dass sie auf den Weg in den Puff sind“, schmunzelt der Geschäftsführer einer Autolackiererei am Frankfurter Ring und erzählt, wie betont unauffällig einige versuchen, ins Innere des Bordells zu gelangen: „Das kann richtig unterhaltsam sein."
An der Freisinger Landstraße wollen die Anwohner dieses Vergnügen trotzdem nicht teilen. Seitdem in der Nähe ihres Wohngebietes der Bau eines Großbordells mit bis zu 180 Betten droht, laufen sie Sturm gegen die Pläne eines Investors. Dabei können zumindest die Nachbarn von „Leierkasten“, „Palazzo“ und Co. am Frankfurter Ring über die ungewöhnliche Nachbarschaft nicht klagen: „Meistens bekommt man von denen ohnehin überhaupt nichts mit“, erzählt Tanja Geradi.
Die Münchnerin ist Service-Mitarbeitern im Autohaus „Car 2000“, das sich das Gebäude mit dem „Palazzo der Sinne“ am Frankfurter Ring teilt. Mitunter gäbe es zwar Streit wegen der Parkplätze. Ansonsten sei das Verhältnis aber problemlos: „Einige Prostituierte bringen sogar ihre Autos in unsere Werkstatt.“
Der Besitzer einer benachbarten Autowerkstatt will dagegen lieber nicht seinen Namen nennen: „Man weiß ja nie, was für Typen hinter diesen Clubs stecken“, sagt er. Trotzdem macht er sich keine Sorgen, dass die Arbeit in Dunstkreis der Bordells gefährlich sein könnte: „So lange es nicht noch mehr Clubs werden, ist das in Ordnung.“
In Freimann sieht man das freilich anders. „Die Errichtung eines Großbordells muss unter allen Umständen verhindert werden“, fordert nun auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer. Eine Notwendigkeit, Freimann zum zentralen Rotlichtviertel Süddeutschlands zu entwickeln, bestehe nicht. „Die Lage am Rand eines Wohngebiets mit vielen Kindern ist völlig ungeeignet für ein Monsterbordell.“
Die Stadtratratsfraktion der CSU hat deshalb schon gestern Oberbürgermeister Christian Ude aufgefordert, für Aufklärung zu sorgen: „Wir wissen derzeit auch nicht mehr, als das, was in der Zeitung steht“, sagte Stadtrat Richard Quaas. Unter anderem soll geklärt werden, ob Antragssteller und Grundstückseigentümer identisch sind.
Frauen werden dort „wie Schlachtvieh“ behandelt
Auch in der Rotlicht-Szene regt sich Widerstand gegen das Großprojekt: „Schon jetzt ist der Markt gesättigt“, berichtet ein Bordellbetreiber aus Pasing, „ein Großbordell würde viele kleinere Betriebe in den Ruin treiben“. Außerdem würden die Frauen dort „wie Schlachtvieh“ behandelt werden.
Bei der der Münchner Sozialberatungsstelle Mimikry sieht man es dagegen nicht ganz so kritisch: „Ein großer Club bietet den Damen immer auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten“, sagt etwa Dienststellenleiterin Carmen Jörg. Allerdings sei der Leistungsdruck in Großbordellen zumeist viel größer. Die Freier haben dort eben die Qual der Wahl.
Daniel Aschoff