Und wer regiert München, wenn Ude Wahlkampf macht?

Der OB antwortet auf diese Frage: „Ich! Wer sonst?”Aber wie soll das gehen, sobald er auch noch als Spitzenkandidat für 2013 antreten will? Die AZ hat sich sein Pensum mal genau angeschaut
von  Willi Bock
So hat es Münchens OB Christian Ude am liebsten: Viele Mikrofone.
So hat es Münchens OB Christian Ude am liebsten: Viele Mikrofone.

Der OB antwortet auf diese Frage: „Ich! Wer sonst?”
Aber wie soll das gehen, sobald er auch noch als Spitzenkandidat für 2013 antreten will? Die AZ hat sich sein Pensum mal genau angeschaut

München -  Wäre das Hamsterrad noch nicht erfunden: Für Christian Ude ließe sich trefflich eines kreieren. Er ist Feuerwehrchef, Festredner, Ehrenbürger in Pülümür, Buchautor, Kabarettist, Kolumnist, Aufsichtratsvorsitzender, Oberbürgermeister, Städtetags-Präsident und Wiesn-Anzapfer.
Wann macht er das alles? Und vor allem: Wer regiert München, wenn Ude wirklich im Herbst auf den Schild des Spitzenkandidaten der Bayern-SPD gehoben wird – und zur Landtagswahl 2013 in den Wahlkampf gegen Ministerpräsident Horst Seehofer zieht? „Ich!”, röhrt es energisch aus seinem Amtszimmer: „Wer denn sonst?!” Dann müsse er eben sein „Zeitmanagement noch mehr verbessern”, sagt er der AZ: „Ich werde selbstverständlich meine Pflicht tun.”
Die Opposition wartet schon darauf, dass Ude im Wahlkampf ein Schlenker passiert. Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle warnte Ude davor, sich fortan nur noch einseitig dem Wahlkampf zu widmen. Die CSU werde „kritisch begleiten”, ob er bis zur Landtagswahl im September 2013 noch seine Aufgaben als Rathauschef vernünftig wahrnimmt. Und das sind viele. Wahlkämpfer Ude ist da als Organisationstalent gefragt.

Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) wird dann einiges auffangen müssen. Zwischen ihr und Ude gibt es seit Jahren bei allen Detaildifferenzen ein Vertrauensverhältnis. Auch zum Grünen-Bürgermeister Hep Monatzeder. Die drei halten eng zusammen.
Der Wahlkampf, meint Ude jetzt, werde sich „auf die letzten Wochen und Monate” im Sommer vor der Wahl 2013 konzentrieren. Auch sein Job als Präsident des Deutschen Städtetags (das ist er noch bis Mai 2013) „beißt sich in keiner Weise” mit dem Wahlkampf. Dafür braucht er ein bis zwei Tage die Woche – mit Auswärtsterminen.

Udes tief gestaffeltes Büro: Für jeden Bereich hat er seine Spezialisten. Sein Alarmsystem. Sie müssen alle Stadtratsvorlagen vorab lesen und den Chef informieren. Das Büro ist Hektik gewöhnt. Zuletzt musste es die Olympia-Bewerbung mit internationalen Auftritten von Mexiko bis Südafrika zusätzlich ins OB-Geschäft integrieren. Dabei setzt Ude auf sein eingespieltes Team. „Egal wo er ist, der Chef hat immer alle Entscheidungen selbst getroffen”, sagt ein Mitarbeiter. Ude habe ständig Kontakt mit seinem Büro. Auch im Urlaub. Auch zu Journalisten.

Udes Zeitmanagement: Gut, dass er da seine gute Seele und Assistentin Christine Rauch hat! Samstag, Sonntag frei? Nein! Vorlagen lesen, Interviews geben, Reden halten, Vorträge schreiben. Oder als Wahlkampfhelfer unterwegs sein – zum Beispiel mal kurz in Wien. Und in der Woche ist er auch kaum Zuhause.
An einem „guten” Tag arbeitet der OB „nur” 14 Stunden. Das klettert rauf bis zu 17 Stunden. Dabei ist der Alt-Bohémien eigentlich kein Frühaufsteher. Da holt er seinen Schlaf gern in Sitzungen nach.

Sein Terminkalender – Rauchs Revier. Er ist „hunderttausend Prozent ausgebucht”, staunen seine Mitarbeiter. Eine enorme Leistung. Auch weil der Chef immer wieder gerne neue Termine mitbringt. Da muss verschoben und gestrichen, besänftigt und vertröstet werden, damit alles passt. Olympia war die letzte Herkulesarbeit am Terminkalender. Alles klappte. Rauch sei Dank.
Der Montag gehört zu den widrigsten Tagen der Woche: 8 Uhr: vertrauliche Strategie-Runde der SPD-Parteispitzen. Dann Bürobesprechung. Vorstandssitzung der SPD-Fraktion, 11 Uhr: die Runde mit seinen elf „Stadtministern”. 13 Uhr: Treffen der Rot-Grünen-Spitzen, 14 Uhr: Fraktionssitzung der SPD, 17 Uhr: Besprechung mit Bürgermeistern. Dazwischen Interview. Abends Empfang und Festvortrag.

Und immer wieder: Grundsteinlegung, Empfang, Eröffnung, Info-Veranstaltung mit Abgeordneten und Bürgern, Aufsichtsräte, Besucher („die Anfragen kommen körbeweise”) , Jubiläen, Preisverleihungen, Kongresse, Kolumnen, Diktate, Unterschriften. Um ein Willy-Brandt-Denkmal zu enthüllen, ist er auch schon nach Istanbul gereist.
Zum Abarbeiten nützt er die ganztägigen Stadtrats-Vollversammlungen: Dann werden wie am Fließband Unterschriftenmappen vorgelegt.

Im Stadtrat leitet er die Ausschüsse für Kultur, Arbeit und Wirtschaft, Stadtplanung, Verwaltung und den Ältestenrat.
Als OB ist Ude Aufsichtsratschef der Stadtwerke, der Messe, der Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag, des Olympiaparks und der VHS. Er ist im Aufsichtsrat des Flughafens, Vorsitzender des MVV und des Verwaltungsrats der Stadtsparkasse, Präsident des Deutschen Städtetags und „nur” Vorstandsmitglied im bayerischen Städtetag.

Quasi nebenbei ist Ude Ehrenbürger von Mykonos und von Pülümür in Ostanatolien. Gastprofessor der Uni in Tianjin/China und „Beratender Professor” an der Tongji-Universität in Shanghai. Um sich abzureagieren schreibt er gerne Bücher: „Chefsache”, „Stadtradeln” oder „Mein Pinselohrschwein”. – Dabei muss ein Münchner OB eigentlich nur eines können, wie Ude seit seiner Schulzeit weiß: anzapfen.

Da wird der Landtags-Wahlkampf sein Hamsterrad noch schneller drehen. Danach geht es nahtlos in den Stadtratswahlkampf 2014.

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