Und alles möglichst nackt

Softer Sex trifft derbe Sprüche: Das große Geschäft mit den Schmuddel-Streifen in den 70er Jahren. Der Macher hinter den Kulissen: ein Niederbayer.
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"Auf ins blaukarierte Himmelbet" - so lautet der Titel dieses Sexfilmchens aus den 70er Jahren.
AZ "Auf ins blaukarierte Himmelbet" - so lautet der Titel dieses Sexfilmchens aus den 70er Jahren.

Softer Sex trifft derbe Sprüche: Das große Geschäft mit den Schmuddel-Streifen in den 70er Jahren. Der Macher hinter den Kulissen: ein Niederbayer.

Was waren das noch für Sprüche? Er: „Schau mich an. 80 Kilo pures Dynamit. Genau das, was du jetzt brauchst!“ Sie: „Ja, 80 Kilo Dynamit. Aber eine verdammt kurze Zündschnur!“ Ein Dialog aus dem Film „Unterm Dirndl wird gejodelt“, der 1974 so etwas wie einen „Höhepunkt“ in der Klimaxkurve eines ganz speziellen Leinwandgenres der Nachkriegszeit darstellte – des alpinen Lederhosen-Sexfilms. Ein Phänomen, hinter dem vor allem ein Mann stand: Alois Brummer – Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und Verleiher in einer Person.

Der Niedergang des Kinos

In den 60er Jahren war das Interesse der Deutschen am Kino rapide gesunken. Das hatte mit dem Siegeszug des Fernsehens zu tun. Aber auch mit dem deutschen Filmschaffen selbst: Der Sirupbrei der Heimatschnulzen, die in den 50ern noch die Kassen gefüllt hatten – sturer Großbauer verweigert Tochter die Ehe mit dem kreuzbraven, aber kirchenmausarmen Herrgottsschnitzer – hatte jeglichen Realitätsbezug verloren. Und der ambitionierte Autorenfilm à la Fassbinder oder Werner Herzog faszinierte anfangs nur eine sehr schmale Intellektuellen-Klientel. Immer mehr Lichtspielhäuser mussten schließen.

Die Rettung aus dem Süden

Die Rettung kam aus dem Süden. Wolf C. Hartwig, Produzent aus München, der bereits 1960 in Streifen wie „Ein Toter hing im Netz“ vornehmlich die blanken Reize einer Barbara Valentin leinwandfüllend in Szene gesetzt und dann im Gefolge der Oswald-Kolle-Welle mit pseudoaufklärerischen „Schulmädchen-Reports“ wieder Massen in schmuddelige Bahnhofskinos gelockt hatte, war der Wegbereiter für den legendären Auftritt eines Alois Brummer.

Ein Bauernsohn aus Mainburg

Der, ein Bauernsohn aus dem niederbayerischen Mainburg, Jahrgang 1926, hatte nach dem Krieg zunächst eine Spedition aufgebaut, war dann, in Folge eines Schuldnerausgleichs, in den Besitz von zwei Filmtheatern gekommen – fand Spaß am Kino. Er begann selbst Filme zu verleihen, Dokumentationen, Krimis zunächst. Dann witterte er – im Zuge des Erfolgs der Hartwigschen „Aufklärungs-Reports“ – das ganz große Geschäft: die eigene Produktion von Softpornos. Aber eben nach seinem ureigenen Geschmack – krachledern im Auftritt, verschwitzt in der Komik, derb-anbiedernd im Dialog, das Ganze verbrämt durch rustikales Alpenkolorit. Und alles möglichst nackt.

Krachledern im Auftritt, verschwitzt in der Komik

Und so kamen seine Filme denn auch daher. Unter Titeln wie „Beim Jodeln juckt die Lederhose“, „Graf Porno bläst zum Zapfenstreich“, „Kursaison im Dirndlhöschen“ gehen offensichtlich ausschließlich auf den Fortpflanzungstrieb reduzierte Protagonisten zur Sache. In jeder Umgebung, bei jeder Gelegenheit entledigen sich Männlein wie Weiblein spontan jeglichen Kleidungsstücks. Logik der Handlung? Unwesentlich. Drehbuch? Absolute Nebensache.

Millionen wollten das damals sehen

Komik entsteht dabei eher unfreiwillig. Etwa, wenn der Hauptdarsteller einer Gespielin als Zeichen seiner Zuneigung mit der Hand den Busen quetscht und der Tonmeister dazu im Soundtrack jedesmal eine Fahrradhupe qietschen lässt. Eine reine Nackedei-Parade, „erotischer Jodelkrampf“, wie es Filmemacher Dominik Graf einmal nannte. Mit einem „Pornofaktor“, der jedem über 12-Jährigen heute höchstens ein gequältes Lächeln abfordern würde. Doch Millionen wollten das damals sehen. Und brachten Brummer, der seine Billig-Werke in einer Pasinger Villa produzierte, Millionen ein. Die „Goldene Leinwand“ für den 1968 kommerziell erfolgreichsten Film hätte er sich sogar abholen können. Er lehnte ab, weil er sich durch Hans-Jürgen Syberbergs ZDF-Dokumentation „Sex Business – Made in Pasing“ beleidigt fühlte.

An Darstellern mangelte es nicht

An Darstellern hatte er keinen Mangel. Die Krise des klassischen Heimatfilms hatte ja eine ganze Riege bayerischer Volksschauspieler um ihren Job gebracht. Da blieb nicht viel, als für Brummer eben „seine Haut zu Markte“ zu tragen. Und das taten notgedrungen viele: Franz Muxeneder, Peter Asam, Annemarie Wendl, Margot Mahler, Rosl Mayr, Konstantin Wecker...

"Hans, Hans, ich glaub der Orgasmus kommt"

Im Mai 1984 ist Brummer verstorben. Dass seine Filme kurz danach noch einmal dem neuen Privatfernsehen einen unerwarteten Startschwung geben sollten, wäre ein Deal ganz nach seinem Geschmack gewesen. Kunst hatte ihn ohnehin nie interessiert. Lautete sein Credo doch: „Meine Filme sind nicht geistreich, aber geistreiche Filme sind auch kein Geschäft.“ Und Geld, das wusste Alois Brummer mit seinem Riecher für den Massengeschmack, bringen Sprüche auf Holzhammer-Niveau. Noch einer aus seinem Repertoire? Zum Abgewöhnen! Sie: „Hans, Hans, ich glaub der Orgasmus kommt.“ Er: „Mir doch egal, wer kommt. Ich mach weiter!“

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