Umzug, Ausverkauf: Hofstatt verändert die City

Das neue Projekt "Hofstatt" auf dem ehemaligen Gelände von AZ und SZ ist noch gar nicht fertig - doch der große Wandel hat begonnen. Nicht alle profitieren davon
Myriam Siegert, Anne Kathrin Koophamel |
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Vorher und Nachher: Derzeit ist die Hofstatt Münchens bekannteste Baustelle. Später soll Abercrombie & Fitch einziehen. Wir zeigen die Bilder von der Baustelle
Gregor Feindt/Visualisierungen: formstadt architekten + ingenieure 5 Vorher und Nachher: Derzeit ist die Hofstatt Münchens bekannteste Baustelle. Später soll Abercrombie & Fitch einziehen. Wir zeigen die Bilder von der Baustelle
Noch wird im künftigen Wohnbereich an der Hotterstraße fleißig gearbeitet. Die ersten Bewohner werden im September einziehen.
Daniel von Loeper 5 Noch wird im künftigen Wohnbereich an der Hotterstraße fleißig gearbeitet. Die ersten Bewohner werden im September einziehen.
Im Hintergrund die alte SZ-Druckerei: Bis zu 13 Meter tief haben sich die Bagger an der Hofstatt in die Erde gegraben.
Daniel von Loeper 5 Im Hintergrund die alte SZ-Druckerei: Bis zu 13 Meter tief haben sich die Bagger an der Hofstatt in die Erde gegraben.
Wo früher eine triste Hinterhofstraße entlang des Verlagsgeländes verlief, werden jetzt ein Restaurant und 69 schicke Wohnungen fertig.
AZ 5 Wo früher eine triste Hinterhofstraße entlang des Verlagsgeländes verlief, werden jetzt ein Restaurant und 69 schicke Wohnungen fertig.
Neue Fassade: Der Entwurf zur "Hofstatt" ist überarbeitet
Visualisierung formstadt 5 Neue Fassade: Der Entwurf zur "Hofstatt" ist überarbeitet

Das neue City-Projekt ist noch gar nicht fertig, doch schon jetzt steigen die Mieten in der Sendlinger Straße und im Hackenviertel: Der große Wandel ist also längst im Gange

Altstadt -
Schaufenster leer, Teppich herausgerissen, in den Regalen Klebeband, Pinsel, Dreck. Die Sendlinger Straße ist im Umbruch. Viele Läden haben hier in den vergangenen Monaten geschlossen. „Durch den Investitionsschub der Hofstatt und den Umbau des Joseph-Pschorr-Hauses verändert sich die Innenstadt stark“, sagt Wolfgang Fischer von City Partner. „Die Mieten steigen, aber die Besitzer investieren auch in Läden.“

Das weiß auch Reimar Uhlig, der mit seiner Frau den Süßigkeitenladen „Bears & Friends“ betreibt. „Einige können sich die ständig steigenden Mieten nicht mehr leisten“, sagt er. Kleine Läden müssen raus, große Ketten ziehen ein. „Die Ladenbesitzer nervt das brutal“, sagt er. Der ständige Wechsel ist schlecht fürs Geschäft.

„Bears & Friends“ zieht Mitte März aus dem Singspielerhaus aus. Der Gummibärchen-Laden eröffnet ein paar Häuser weiter in der Sendlinger. Eigentlich gilt der Mietvertrag bis 2015, vor zwei Jahren erst haben Uhligs ihren Laden renoviert. Jetzt saniert die Hausverwaltung das ganze Gebäude.

 


 

Auch der angrenzende „Weltbild“-Laden muss raus. Die Filiale zieht im Dezember um – wohin, ist noch unklar. „Wir suchen nach einem neuen Standort in der Sendlinger Straße, im Tal, im Rosental und in der Kaufingerstraße“, heißt es.

Die Suche könnte sich ziehen. „Die Nachfrage ist deutlich größer als das verfügbare Angebot“, sagt Experte Wolfgang Fischer. Der Umbau des ehemaligen Geländes von AZ und SZ wertet das Viertel deutlich auf, ebenso wie die geplante Fußgängerzone zwischen Fürstenfelder und Hackenstraße. „Das Viertel hat ein hohes Entwicklungspotenzial“, glaubt Fischer.

 


 

Die großen Ketten bleiben aber lieber in der Neuhauser Straße. „Die Sendlinger Straße ist kleinteilig“, sagt Fischer. Das musste auch das Ehepaar Swetlik erfahren, die seit 22 Jahren einen Laden gemietet hatte. Erst für Herrenmode, dann mit „Schuhskandal“. „Die Sendlinger Straße war die komplizierteste Filiale, wegen dem kleinen Verkaufsraum mit Treppe nach oben“, sagt Martina Swetlik. Erst im Obergeschoss war die eigentliche Verkaufsfläche. Während die Filialen am Färbergraben und im Rosental gute Umsätze fuhren, krankte die in der Sendlinger Straße. „Wir haben freiwillig aufgegeben.“ In ein paar Monaten zieht die Foto-Galerie „Yellow Korner“ hier ein, die auch in New York und Paris schon agiert.

 


 

„Die Preise haben deutlich angezogen. Was heute verlangt wird, war früher undenkbar“, sagt Sabine Stöhr von „1A Retail“, die Einzelhandelsflächen vermittelt. Sie schätzt, dass bis zu 120 Euro Miete pro Quadratmeter verlangt werden. „Das ist aber stark abhängig vom Zuschnitt“, sagt Stöhr. Die Preiserhöhung sei nicht unbedingt schlecht für kleine Läden. „Durch die Hofstatt erfährt das Quartier eine Stärkung. Die Überlebenschancen für kleine Läden in den Seitenstraßen sind besser.“

 


 

Das Aus kommt für Lilo Barszus: Nach 24 Jahren schließt sie ihren Blumenladen in der Kreuzstraße, einer Parallelstraße zur Sendlinger. Das Gebäude ist baufällig und soll abgerissen werden – jetzt, wo das Viertel einen Aufschwung erlebt, wird investiert.

„Am Anfang fiel es mir nicht leicht, das Geschäft nach so vielen Jahren aufzugeben“, sagt Barszus. Aber selbst wenn das Haus nicht abgerissen würde, ein Geschäft lohne sich hier einfach nicht mehr. „Diese Straße ist tot.“

Für sie ist das ein Beispiel für die Entwicklung im ganzen Hackenviertel. „Schauen Sie sich die Sendlinger Straße an: Das war mal eine edle Einkaufsmeile. Heute sind da nur noch Ramschläden.“
Der leuchtend rote Flagship-Store von Beate Uhse – einst ein Aushängeschild des Erotik-Unternehmens – hat sein Spielzeug für Erwachsene bereits ausgeräumt. Auch dieser Laden steht leer.

Viele können ihren Laden nicht mehr halten. Besonders deutlich wird das an der Fürstenfelder Straße: Anfang des Jahres zog das Traditionsgeschäft „Pralinen Cordes“ aus. Dann machte Schuh-Sauro Räumungsverkauf – auch der Gürtelladen „Buckles and Belts“ schließt. Eine komplette Zeile – verwaist.

 


 

„Ich bedaure es sehr, dass Sauro aufgeben muss“, sagt Jörg Bengestrate, der sich seit 1972 als Anwalt und Steuerberater um die Belange der Firma kümmert. Aber: Der Vermieterin wurde 80 Prozent Miete mehr für den Laden geboten. Eine große Firma soll hier einziehen – man munkelt, die spanische Textilfirma Inditex, zu der auch „Zara“ gehört, habe Interesse. Bengestrate stört diese Entwicklung. „Aber das sind Mechanismen, die man leider nicht aufhalten kann.“ Die Eigentümer kann er verstehen. „Warum sollten sie so ein Angebot ausschlagen?“

Ingeborg Ruchner von Pralinen Cordes stört eher, dass sie so schnell raus musste. „Knall auf Fall, mit  Frist von vier Wochen. Im Sommer hatte es noch geheißen, wir können bleiben.“ Zwar hat der Schokoladen-Laden mit 80-jähriger Familiengeschichte zwei weitere Filialen in der Wasserburger Landstraße und am Harras. „Aber am Umsatz merkt man deutlich, dass die Fürstenfelder Straße fehlt“, sagt Ingeborg Ruchner. Sie sucht, hat aber noch nichts Passendes gefunden.

Ein weiteres Geschäft wird im Mai in der Sendlinger Straße frei. Der Promi-Friseur „Bash“ zieht in die Sonnenstraße. Man wolle was Neues, mit Dachterrasse und Spa. Einen fixen Nachmieter für den Laden mit den großen Bogenfenstern im ersten Stock gibt es noch nicht. Allerdings hat Nivea Interesse bekundet, hier einen seiner Spas zu eröffnen. Bis jetzt gibt es so was nur in Hamburg, Berlin – und Dubai.

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