Umweltpolitik für München: Klima-Gipfel der Kandidaten

München - Auch ums böse "F-Wort" geht es bei der Podiumsdiskussion, zu der das Bündnis "München muss handeln" und die AZ die drei aussichtsreichsten OB-Kandidaten eingeladen hatten. Amtsinhaber Dieter Reiter (SPD) debattierte mit seinen Herausforderinnen Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU) vor 600 Zuschauern über das Thema Klimaschutz.

Mit dem "F-Wort" meint AZ-Chefredakteur Michael Schilling die Fraunhoferstraße. Sie ist zum Symbol für die Debatte rund um die Umsetzung des Radentscheids – und damit auch der angestrebten Verkehrswende – geworden. Die Begeisterung von Klimaschützern und Radl-Freunden über die neuen, sicheren Radwege teilen nicht alle.

Größter Kritiker ist die CSU, denn es wurden 120 Parkplätze gestrichen. "Was da passiert ist, war hoppladihopp", kritisiert Kristina Frank (CSU). Ihre Konkurrentin von den Grünen, Katrin Habenschaden, nervt die Debatte um die Straße sichtlich. Sie kommentiert: "Mich regt es auf, dass diese einzelne Straße bei jeder Diskussion wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird." Und: "Wir brauchen Debatten, bei denen nicht um jeden Parkplatz gekämpft wird, als gehe das Abendland unter."

Auch Dieter Reiter (SPD) appelliert: "Wir müssen aufhören, Diskussionen auf Kindergarten-Niveau zu führen." Von einer einzelnen Straße geht der Blick auf die ganze Stadt. Michael Schilling, der mit Katharina Habersbrunner (vom Verein Women Engage for a Common Future, WCEF) die Podiumsdiskussion moderiert, fordert die Kandidaten dazu auf, konkrete Klimaschutzmaßnahmen für die kommenden sechs Jahre zu nennen.
Dieter Reiter

Der OB strebt diese Maßnahmen an, die er umsetzen möchte. Seine Forderungen...
- "Eine Mobilitätswende muss her, damit wir eine Zukunft in dieser Stadt haben", sagt Reiter. Deshalb werde es in seiner zweiten Amtszeit ein Mobilitätsreferat geben. Reiter sagt: "Wir müssen alles tun, damit Autos sich nicht mehr im Stadtkern aufhalten." Dafür müsse man das Thema autofreie oder autoarme Altstadt angehen.
- Der Radverkehr soll attraktiver und sicherer werden. "Dafür müssen wir die Forderungen des Radlbegehrens anpacken, indem wir den Altstadt-Radlring und insgesamt mehr Radwege in der Stadt schaffen", sagt Reiter.
- Auch den ÖPNV will der Stadtchef "intensiv stärken". Bei dem Thema spielt der OB auch auf die Versäumnisse noch vor seiner ersten Amtszeit an: "Ich hätte wirklich Spaß daran gehabt, eine neue U-Bahn-Linie einzuweihen – und nicht bloß welche zu planen", sagt er. Neben der geplanten Verlängerung der U5 bis nach Freiham und der neuen Linie 9 müssten zudem die U-Bahn-Außenäste verbunden werden. Reiter: "Als Zwischenlösung gern mit Bussen."
- "Wir müssen die Zielzahlen bei der energetischen Gebäudesanierung erhöhen", sagt der OB. Aktuell liegt die Rate im Jahr bei etwa einem Prozent der städtischen Bestandsgebäude. Reiter kündigt an: "Wir müssen künftig auf bis zu vier Prozent kommen." Und: Photovoltaik soll künftig auf eigenen Gebäuden zwingend vorgeschrieben werden.
Katrin Habenschaden

Eine "gut gemachte Verkehrswende" steht auch auf Katrin Habenschadens Prioritätenliste. "Beim ÖPNV-Ausbau sind auch kurzfristige Lösungen wie Busspuren und der Trambahn-Ausbau wichtig", sagt die grüne OB-Kandidatin. Sie würde neben der energetischen Sanierung beim Gebäudebau weitere Schwerpunkte setzen – etwa auf Dach- und Fassadenbegrünung.
Auch das Thema Ernährung komme ihr zu kurz. Habenschaden will mehr Bio und Saisonales sowie weniger Fleisch für alle Kantinen, auf die die Stadt Einfluss hat. Habenschaden fordert zudem einen Nachhaltigkeitsrat. Sie sagt: "Der Expertenrat muss ein direktes Antragsrecht bekommen – und die Möglichkeit, sich aktiv in Debatten einzubringen" OB Reiter pflichtet dem übrigens bei.
Kristina Frank

CSU-Kandidatin Kristina Frank fordert: "Wir brauchen ein Klimaschutzreferat, in dem alle Kompetenzen der Stadtverwaltung gebündelt werden." Damit die Verwaltung selbst es schaffe, bis 2030 klimaneutral zu sein, müssten alle städtischen Gebäude energetisch saniert werden.
Auch müsse der städtische Fuhrpark komplett auf E-Fahrzeuge umgestellt werden. Frank, die als Kommunalreferentin erste Werkleiterin des Abfallwirtschaftsbetriebes ist, will zudem den Müll reduzieren und, etwa durch verstärkte Kontrollen von Wertstofftonnen, bessere Recyclingquoten erreichen.
Auch AZ-Leser hatten die Möglichkeit, vorab Fragen zu stellen. Eine davon: "Wohnen wir – bei durchschnittlich 45 Quadratmeter pro Münchner – zu groß?" Habenschaden findet: "Wir sollten vermehrt auf Shared-Space-Lösungen setzen." Nicht jeder brauche ein eigenes Gästezimmer. Das könne man in gut geplanten Neubauten teilen.
Frank will, dass Bestandsgebäude, wo es nur geht, um zwei Stockwerke aufgestockt werden, um Platz zu gewinnen: "München plus zwei." Und Reiter? Der findet: "Es ist nicht der richtige Ansatz, Menschen vorzuschreiben, wie groß sie wohnen. Ich möchte bezahlbaren Wohnraum schaffen und dabei ökologisch vernünftig bauen."
Wer hat am meisten überzeugt? Das sagen die Besucher

Theresa Stimpfle (20), macht gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr: "Mir gefällt Katrin Habenschaden am besten. Sie hat am ehesten konkret geantwortet. Genervt hat mich, dass alle drei sich in ihren Antworten nicht kurz gehalten haben. Das Thema Ernährung kam mir leider etwas zu kurz. Habenschaden hat am meisten überzeugt und geht als Gewinnerin aus der Podiumsdiskussion raus. Kristina Frank hatte meiner Meinung nach einige Widersprüche in ihrer Argumentation. Dieter Reiter kam mir anfangs etwas gelangweilt vor, wurde später dann besser."

Alexander Rampp (23), Jurastudent und Mitglied im Vorstand der Jungen Union, Kreisverband München Süd: "Kristina Frank schätze ich aufgrund ihrer natürlichen Art und weil sie eine klare Vision hat, damit München auch in Zukunft eine lebenswerte Stadt bleibt. Ich fand sie überzeugend. Sie hat gesagt, wofür sie steht und dass sie für die Klimapolitik klare Lösungen hat. Das Gros der Zuschauer war auf der Seite von Katrin Habenschaden. Es gab jedoch keinen klaren Gewinner – jeder konnte eigene Argumente aufzeigen. Am besten fand ich persönlich Kristina Frank."

Tabea Tissler (46), Angestellte: "Katrin Habenschaden wirkt am authentischsten, sie ist meine Favoritin. Oberbürgermeister Dieter Reiter gibt sich zwar Mühe, aber ist aus meiner Sicht schon zu lange an der Macht. Schade, dass das Thema Ernährung und Energie nicht mehr Zeit hatte in der Runde. Die Kandidatin der Grünen, Katrin Habenschaden, sieht man überall, sie ist sehr umtriebig. Bei Kristina Frank hatte ich bei der Diskussionsrunde das Gefühl, dass sie sich einiges ausgedacht hat, was beim Publikum ankommt."

Georg Fersch (77), Rentner: "Kristina Frank gefällt mir am besten. Sie hat konkrete Vorstellungen für den Klimaschutz, die anderen eiern nur rum. Meiner Meinung nach gilt Frau Frank als Gewinnerin der Diskussionsrunde. Sie packt gut an und bleibt realistisch in ihren Forderungen. Den meisten Applaus im Publikum bekam Katrin Habenschaden. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass sie nicht halten kann, was sie verspricht."

Louise Hegge (25), Medizinstudentin: "Ich bin für Health for Future da und bin daher unparteiisch. Natürlich habe ich persönlich Favoriten. Mir gefällt derjenige oder diejenige am besten, bei dem oder der ich gemerkt habe, dass die Dringlichkeit begriffen wurde, in der Klimakrise zu handeln und dazu klare Vorstellungen vorliegen. Ich wünsche mir, dass der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin sich in unserem Sinne einsetzt. Ich möchte jeden einladen, zur Wahl zu gehen und die Kommunalwahl zur Klimawahl zu machen – mindestens so stark, wie das in Hamburg passiert ist."

Julian Gutsch (29), Mikrobiologe: "Von den Dreien aus der Diskussionsrunde überzeugt mich Katrin Habenschaden – allerdings fehlt mir selbst bei den Grünen noch etwas stringenteres Vorgehen. Für mich persönlich ist Habenschaden aber deutlich als Gewinnerin hervorgegangen. Sie hat die Argumente am authentischsten rübergebracht. Bei Frau Frank hatte ich das Gefühl, dass sie viel gesagt hat zur Beruhigung der Gemüter. Oberbürgermeister Dieter Reiter ist mir nicht visionär genug, eigene Ideen habe ich von ihm in der Diskussionsrunde vermisst. Am zukunftsträchtigsten ist Katrin Habenschaden."

Andreas Schuster (43), SPD-Stadtratskandidat: "OB Dieter Reiter hat mir am besten gefallen in der Diskussionsrunde, er hat überzeugend dargestellt: Es müssen Taten folgen. Er will auch für die Stadt und für seine Enkelkinder München lebenswert erhalten. Reiter hat die Selbstsicherheit und das Selbstvertrauen, dass er nochmal sechs Jahre anpacken kann. Er kennt die Themen und weiß, worum es geht. Für mich ist er der Gewinner des Abends. Er hat gezeigt, dass die SPD Klimaschutz kann."

Gesche Hoffmann-Weiss, Rentnerin und im Vorstand der SPD Maxvorstadt: "Ich fand Dieter Reiter in der Podiumsdiskussion klar und deutlich und sachlich stark. Er beschönigt nichts. Die anderen beiden Kandidatinnen schwafeln mir zu viel. Die Frauen erobern sich jedoch viel Redezeit – daher schwer zu sagen, wer letztendlich gewinnt. Ich finde, Reiter ist genau richtig für München."