Zwei Gemeinden nahe München suchen dringend einen Landarzt: Warum nur eine Erfolg hatte

Zwei Ortschaften im Landkreis Freising suchen mit besonderen Kampagnen nach Medizinern und finden viele Bewerber. Warum bei einem Ort das Glück bisher trotzdem ausbleibt.
Maximilian Neumair |
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Ein Blick auf den Ort Langenbach im Landkreis Freising mit rund 4200 Einwohnern.
Ein Blick auf den Ort Langenbach im Landkreis Freising mit rund 4200 Einwohnern. © Gemeinde Langenbach

Hohenkammer/Langenbach - An die 15 Jahre hat die Gemeinde Hohenkammer (Kreis Freising) ohne Arzt auskommen müssen. Für Hunderte Jahre hatte sich die Adelsfamilie "Caius" um die Gesundheit der Menschen gekümmert – ein neuer "Doktor Caius" soll die Tradition fortführen.

Diese Geschichte hat sich die Marketing-Agentur Kasper Communications ausgedacht, um einen neuen Arzt für die Gemeinde zu gewinnen – mit Erfolg: Die Medizinerin Sonja Hömig wird Doktor Caius. "Die Kampagne hat große Aufmerksamkeit erregt. Wir haben deutschlandweit Reaktionen erhalten", sagt Marco Unruh, der Geschäftsleiter von Hohenkammer, der AZ.

Der "Bachdoktor" wird noch immer gesucht

Aus der gleichen Feder stammt auch die Kampagne der Gemeinde Langenbach, die ebenfalls im Landkreis Freising liegt: Die nennt sich aufgrund des sich durch den Ort schlängelnden Bächleins "Der Bachdoktor" – in Anlehnung an die ZDF-Arzt-Serie "Der Bergdoktor". Auf der Website stellt sich die Gemeinde als ein freundliches Dorf vor, das auf der Suche nach einem Arzt ist. Noch immer.

Wie Susanne Hoyer (Freie Wähler), Erste Bürgermeisterin von Langenbach, im Gespräch mit der AZ erzählt, hat die Kampagne zunächst voll eingeschlagen: "Kurzzeitig hatte ich sogar befürchtet, dass ich auswählen muss." Viele Interessenten seien über Social Media auf Langenbach aufmerksam geworden und über die Website hätten die Bewerber alles im Blick gehabt, was sie zur Gemeinde wissen müssen.

"Es braucht eine Story, die zur Gemeinde passt"

"Einfach ein paar Anzeigen zu schalten, funktioniert nicht mehr", sagt Michael Kasper, CEO der Marketing-Agentur Kasper Communications. Es braucht stattdessen eine eigene Story, die zur Gemeinde passt. "Viele Ärzte und Ärztinnen fühlen sich so sofort gut aufgehoben", sagt Kasper. Schließlich sind viele Gemeinden auf der Suche: Laut Kassenärztlicher Vereinigung Bayerns (KVB) droht inzwischen in 35 Planungsbereichen im Freistaat eine Unterversorgung an Arztpraxen. Vor zehn Jahren waren es noch sieben.

Trotz der vielen durch die Kampagne gewonnenen Bewerber steht Langenbach nach über einem Jahr nach wie vor ohne Landarzt da. "Ich bin sehr enttäuscht", sagt Hoyer. Auch Kasper ist sich sicher: "Es hätte klappen müssen."

Die Gründe für die Absagen sind laut der Bürgermeisterin völlig unterschiedlich gewesen: Das Dorf sei zu weit von der Heimat des Arztes entfernt oder der Zeitpunkt der Übernahme passe nicht.

Ort findet keinen Arzt: Meistens haperte es an den Finanzen

Aber meistens haperte es an den Finanzen. "Es muss eine günstige Miete geben, sie brauchen bereits bestehende Räumlichkeiten und es darf keine Ablöse verlangt werden", sagt Hoyer. Wenn Landärzte ihre Praxis abgeben, verlangen diese oftmals Geld. So auch im Fall Langenbach. Aber auch eine freie Niederlassungsmöglichkeit, wie sie in der Gemeinde jetzt möglich ist, bedarf hoher Investitionen.

Die Ablöse sei jedoch der größte Hemmschuh, weil sie eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellt. Dabei ist der Schritt in die Selbstständigkeit sowieso schon teuer. "Allein bis man eine kleine Praxis ausgestattet hat, sind 200.000 Euro ausgegeben", sagt Hoyer.

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Ein Wettbewerb ist entstanden 

Da alles so kostspielig ist, suchen die Ärzte nach der Gemeinde, bei der sie die meiste Unterstützung erhalten: Welche Kommune richtet komplette Praxisräume ein? Wo werden Praxen ohne Ablöse übergeben? Oder mietfreies Wohnen ermöglicht? Unruh von der Gemeinde Hohenkammer sagt, für ihre gewonnene Ärztin sei etwa ausschlaggebend gewesen, dass sie die Praxis mitplanen und -gestalten könne. Und dass die Gemeinde die Kosten trage.

"Es ist ein Wettbewerb zwischen den Gemeinden entstanden. Das widerspricht völlig dem Auftrag der Gesundheitsversorgung", ärgert sich Hoyer.

Auch die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), in denen mehrere Ärzte unter einem Dach arbeiten, seien keine praktikable Lösung: "Die Ärzte, die gerne kommen würden, kommen schon aus MVZ-Häusern. Sie wollen nicht mehr angestellt sein und für Gewinnmaximierung praktizieren."

"Manchmal kommt das Pech dazu"

Hoyer fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. "Wenn die Hausärzte hier nichts verdienen dürfen, dann trauen sie sich auch nicht, zu investieren", sagt die Bürgermeisterin. Wie es fortan weitergeht, muss sie mit der Gemeinde beraten.

Warum hat die Suche bei Hohenkammer, aber nicht bei Langenbach geklappt? "Manchmal kommt das Pech dazu", sagt PR-Experte Kasper.

Letztendlich brauche es immer auch Glück, sagt Unruh von der Gemeinde Hohenkammer. Trotz noch so kreativer Kampagnen.

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3 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Boandl_kramer am 17.08.2024 20:02 Uhr / Bewertung:

    Ist es wirklich sinnvoll jede Arztpraxis als eigenes Kleinstunternehmen zu organisieren mit all dem Aufwand, den Kosten und den Risiken, die ein Unternehmen mit sich bringt? Man sieht ja, dass das vom Aufwand her immer schwerer zu stemmen ist.

  • Sarah-Muc am 19.08.2024 17:53 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Boandl_kramer

    Was wäre dann Ihr Vorschlag das zu "stemmen" Ich seh da nichts anderes als unternehmerisch

  • CO2 Voodoo am 17.08.2024 19:57 Uhr / Bewertung:

    Ich bin Arzt. Ich habe zwar keine Ahnug aber Grüne Haltung.

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