Was die Quallen-Invasion für die Seen und Schwimmer in Bayern bedeutet

Die chinesische Süßwasserqualle verbreitet sich in den bayerischen Gewässern. LMU-Biologe Herwig Stibor erklärt den Grund.
von  Maximilian Neumair
Die aus China stammende Süßwasserqualle ist inzwischen auch häufig in den bayerischen Seen anzutreffen.Foto: dpa/GSAQ-CGDIS/ Jean-Luc Linster
Die aus China stammende Süßwasserqualle ist inzwischen auch häufig in den bayerischen Seen anzutreffen.Foto: dpa/GSAQ-CGDIS/ Jean-Luc Linster © picture alliance/dpa/GSAQ-CGDIS

München - Das Konfuzius-Institut vermittelt schon seit Jahren die Sprache und Kultur Chinas im Freistaat. Aber auch in der Natur wird der chinesische Einfluss auf Bayern größer.

Die Hälfte aller Seen beherberge inzwischen die zwei bis drei Zentimeter große Süßwasserqualle, sagt Professor Herwig Stibor von der Ludwig-Maximilians-Universität München der AZ. Und es werden aller Voraussicht nach noch mehr werden.

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Qualle zum ersten Mal in München entdeckt

Denn: Die biologische Quallen-Vorstufe, der Polyp, ist dem Experten zufolge sogar in jedem bayerischen See zu finden. Schon im Jahr 1908 wurde die für Menschen ungefährliche Qualle das erste Mal in einem Seerosenteich im Botanischen Garten in München entdeckt – wahrscheinlich importiert durch Wasserpflanzen aus dem Reich der Mitte.

Seit den 90er-Jahren werden die Quallenfunde immer häufiger. Inzwischen gibt es jährlich zwischen 200 bis 300 Sichtungen in den bayerischen Seen. Sogar ganze Schwärme können sich in Buchten bilden. Grund ist der Klimawandel. "Je wärmer das Gewässer, umso häufiger schneiden die Quallen die Polypen ab", erklärt Stibor.

Die Quallen-Polypen sind quasi unzerstörbar

Die Polypen könne man sich sozusagen als "Schläfer" vorstellen, die auf die Hitzewellen warten, um Quallen "abschnüren" zu können. Das geschieht ab einer Wassertemperatur von etwa 25 Grad.

Die Polypen selbst sind quasi unzerstörbar: Egal ob Austrocknen, Einfrieren oder Kochen – sie sind gekommen, um zu bleiben. Und schon ein einziges Individuum reicht, um im Laufe einer Saison einen ganzen See mit mehreren Tausend genetischen Klonen zu bevölkern. Denn die Tiere können sich einfach selbst teilen.

Durch hohe Wassertemperaturen steigt die Anzahl der Quallen in den bayerischen Seen

Kann denn bei so einer hohen Reproduktionsrate die Qualle eine Gefahr für das Ökosystem der Seen werden? In Israel besteht die Befürchtung, dass die Qualle im See Genezareth durch die hohen Temperaturen sehr häufig werde und so Auswirkungen auf die Fischerei habe, so Stibor. "Die Qualle würde Fische selber nicht fressen, aber das gleiche Futter und dadurch Konkurrent für die Jungfische ums Futter werden."

Für Bayern ist dem Biologen zufolge ein ähnlicher Effekt bei steigenden Temperaturen nur schwer zu prognostizieren. Dafür spielten zu viele Faktoren eine Rolle. So könnte etwa ein heimischer Fisch die Qualle als neue Nahrungsquelle identifizieren und so den Bestand wieder regulieren. Ein positiver Effekt könnte laut Stibor sein, dass sie regulierend in den Planktonhaushalt eingreift oder durch ihre Schwimmbewegungen das Wasser vermischt. Dadurch werden Nährstoffe aus dem tieferen Bereich vom See in den höheren Bereich gebracht.

Immer mehr Quallen in den bayerischen Seen: "Es kann noch viele Überraschungen geben"

Das ist deshalb wichtig, weil im Wasser alles nach unten sinkt: tote Fische, tote Algen, tote Wasserflöhe. Indem die dort gebundenen Nährstoffe durch die Wasservermischung wieder nach oben gelangen, können Algen und Plankton besser wachsen. Das heißt: zusätzliches Futter für die Fische. "Da kann es noch viele Überraschungen geben. Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung", sagt der Biologe.

Um herauszufinden, welcher Effekt nun wirklich eintritt, vergleichen die Forscher über mehrere Jahre Seen mit und ohne Quallen. "Sowas muss über ein paar Jahre gehen, damit man sicher sagen kann: Das ist der Effekt der Qualle." Schwimmer können sich jedoch in jedem Fall über die Sichtung so eines Tieres freuen. Denn: "Süßwasserquallen sind ein Hinweis auf ordentliche Wasserqualität", so der Biologe.

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