"Völlig überzogen": Gemeinde bei München kämpft gegen einen Cannabis-Club

Aschheim – Eigentlich ist Vaclav Wenzel Cerveny zur Zeit ein glücklicher Mann. Seit Jahrzehnten kämpft er für die Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabiskonsum – und das als Nicht-Konsument, wie er immer betont. Deshalb hat er auch schon einen Cannabis-Verein gegründet, den Chillout-Club mit Sitz in Aschheim. Hier sollen einmal Hanf-Pflanzen angebaut und kontrolliert Cannabis an 500 Vereinsmitglieder abgegeben werden, 50 Gramm pro Person, monatlich.
Das Gesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den Bundesrat passiert. Nach längeren Vorreden ging es schnell. "Jetzt muss noch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterschreiben und voraussichtlich ab 1. April ist schon mal der Konsum von Cannabis in Deutschland legal", sagt Cerveny.

Doch bis zu seinem Cannabis-Club, wo angebaut und kontrolliert abgegeben werden darf, scheint es noch ein weiter Weg zu sein. Zwar eröffnete er als groß Fan von Hanf-Materialien schon mal einen Laden, in dem es ausschließlich Hanf-Produkte und -Lebensmittel ohne berauschende Wirkung gibt, die "Natur Erlebniswelt" an der Aschheimer Saturnstraße 61, wo nebenan – und räumlich getrennt vom Laden – auch sein Chillout-Club mal in Betrieb gehen soll.
Anwohner: Chillout-Club bei München könnte Drogenkonsum befeuern
Doch der Widerstand in der Aschheimer Gemeinde ist weiterhin groß. Und das, obwohl Cerveny von vielen Aschheimern Unterstützung bekommt, wie er sagt. Das Rathaus ist gleich in der Nachbarschaft und will den Club verhindern – mit einem Spielplatz. Niemand habe etwas gegen den Hanfladen, heißt aus dem Rathaus.
Doch es herrsche Sorge, dass der Chillout-Club den Drogenkonsum im Ort befeuere. Ein erneutes Treffen zwischen Cerveny und Gemeinderäten vor etwa einer Woche endete offenbar friedlich, aber ergebnislos. Das Lauterbach-Gesetz sieht nämlich vor, dass ein Mindestabstand von 200 Metern zwischen Spielplätzen und Cannabis-Clubs, die selbst anbauen, bestehen muss. Für den Konsum gilt eine Bannmeile von 100 Metern. Offiziell gibt keiner zu, dass der Spielplatz den Club verhindern soll.
Er sei vielmehr für die Kinder der Aschheimer Eltern gedacht, die auf die Bearbeitung ihrer Dokumente warten, sagte der Geschäftsleiter des Rathauses Christian Schürer. Cerveny sagt: "Ich habe dort nie ein Kind gesehen. Seit Corona bekommt man doch fast nur Online-Termine, da muss ja kaum einer warten."
Vaclav Wenzel Cerveny: Hanf nimmt bei der Zucht Umweltgifte auf, wenn man nicht aufpasst
Cerveny sieht nur Vorteile in der Legalisierung einer Droge, die schon heute jeder auf dem Schwarzmarkt bekomme: "Die Legalisierung wird den Schwarzmarkt zurückdrängen, Konsumenten bekommen kontrollierte Ware mit klaren Inhaltsstoffen und werden nicht mehr unnötig gegängelt", sagt Cerveny. Er habe selbst erlebt, wie die Polizei einen seiner Mitarbeiter 2023 zu Unrecht nackt ausziehen ließ, in seinem Laden an der Einsteinstraße.
"Ich glaube, sein einziger Fehler war, auszusehen wie Jesus. Lange Haare, Vollbart. Die Beamten haben sogar seine Körperöffnungen durchsucht. Völlig überzogen", sagt Cerveny, "er hatte nichts Verbotenes bei sich". Ginge es nach ihm, soll niemand mehr solche Demütigungen über sich ergehen lassen, weil er oder sie Cannabis mitführen könnte. Und das "ist ja ab 1. April so", sagt er.
Dass Cannabis-Konsumenten in Zukunft in Clubs kontrolliert angebaute Ware ohne Zusatzstoffe kaufen können, sei ein riesen Vorteil. "Hanf wächst so einfach wie Brennnessel", sagt Cerveny, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt. Das Problem: "Wenn jemand massenweise züchtet und nicht aufpasst, nehmen die Pflanzen Umweltgifte auf, die mitkonsumiert werden", sagt er.

"Zur Not baue ich eine Terrasse mit Sichtschutz, auf der Cannabis konsumiert werden kann"
Auf dem Schwarzmarkt sei es außerdem beliebt, die oft hochgezüchtete Ware zu beschweren, "auch mit Haarspray", sagt Cerveny, um grammweise teurer verkaufen zu können. Er fordert: "Niemand soll in Zukunft Haarspray rauchen müssen."
Daher kämpft Hanf-Fan Cerveny für seinen Cannabis-Club. Er sei nun mal schon vor dem Spielplatz da gewesen. "Wenn ein Gericht entscheidet, dass hier kein Anbau stattfinden darf, gibt es auch Alternativlösungen", sagt er, wie etwa mit Containern, in denen Cannabis angebaut werden kann, die fernab vom Club stehen.
Im schlimmsten Fall, wenn am Ende eines Rechtsstreits weder Anbau noch Ausgabe erlaubt wären, überlegt Cerveny, eine Terrasse mit Sichtschutz zu bauen. "Soweit ich weiß, darf man auf so einer Terrasse auch Cannabis konsumieren", sagt er. So oder so, den Club wird es wohl irgendwann geben.