Starnberger See entdecken: Fernab von Protzenhausen

Ein neuer Band mit 200 Bildern zeigt eiszeitliche Ursprünge, die Fischerei, Landschaftsmalerei und romantische Villen. Über 50 Autoren porträtieren Fischer, Taucher, Künstler, Köche und die Orte am See.
von  Eva von Steinburg
Das Cover.
Das Cover. © Volk Verlag

Starnberg - Die Cabrio-Dichte soll hier die Höchste der Republik sein. Laut "Spiegel" ist die Gegend um den Starnberger See eine "Insel der Seligen", was die Kaufkraft betrifft. Doch das Klischee hinkt natürlich. Längst nicht alle Bürger der Anrainergemeinden sind irgendwie "geldig".

Insider-Tipps von echten Starnbergern

Die Villen von "Protzenhausen" und das Bonzen-Klischee schrecken viele. Doch die Geschichte und die Geschichten vom See sind facettenreich. Auf Initiative der Autorin Eva Dempewolf, die in Starnberg aufwuchs, haben über 50 Insider Landschaft, Wasser und die Menschen beschrieben. Ihr neuer Band "Der Starnberger See - ein Porträt in Texten und Bildern" lädt ein zum "Spazierlesen", wie die Herausgeberin es nennt.

Teil Eins beleuchtet die Eiszeit, traditionelle Bootswerften und die Fischerei. Auch archäologische Entdeckungen unter Wasser. Es gibt Kapitel über die Historie der See-Postkarte, Anmerkungen zum Villenbau und kühner, modernster Architektur. Wachsweiche Möweneier vom See waren das Lieblingsfrühstück von König Ludwig II., erfährt der Leser in der Abteilung Kulinarik.

Geschichtsunterricht von der Eiszeit bis heute

Im zweiten Teil geht es geografisch einmal rund um den See: Internationale Einrichtungen, wie die Akademie für politische Bildung in Tutzing und das von Konrad Lorenz begründete Max-Planck-Institut in Seewiesen werden vorgestellt, die Künstlerklause von Herbert Achternbusch am Ostufer oder ein römischer Gutshof bei Leutstetten am nördlichen See-Ende.

Der 312-Seiten-Band liefert auch beim lockeren Durchblättern Überraschendes; etwa historische Schwarz-Weiß-Fotos. Bis etwa 1900 waren Einbäume am Starnberger See als Arbeitsboot der Fischer in Gebrauch. Fischer waren die ersten Siedler am See. Später besaßen die Klöster die Fischrechte am Würmsee. Eine Fischerzunft in klassischer Form hat es aber am Starnberger See nie gegeben. Fischer mussten ihren Fang zuerst dem Hof anbieten, der sehr niedrige Preise zahlte.

Früher Fischerdorf, heute Villenviertel

Kaum eine Fischerfamilie konnte von ihrem Einkommen leben. So herrschte in den ärmlichen Fischerhäuschen oft eine drangvolle Enge. Heute gibt es 34 Fischereiberechtigte und Berufsfischer, die Renken, Hechte und Saiblinge aus dem Wasser ziehen. Der schwerste Fisch im See ist der Waller. Der bisher größte Fang war 2,48 Meter lang und 68,5 Kilo schwer.

Artenreichtum und künstlerische Vielfalt

200 Bilder zeigen die Fischarten, dazu Gemälde der Landschaft vor der Alpenkette. Die prunkvolle Kulisse war ein frühes Objekt für Naturstudien von Landschaftsmalern. Später entwickelten sich freie Interpretationen, impressionistische Formate.

Als Freund und Sammler der Expressionisten fand Lothar Günther Buchheim am Wasser "die farbflammenden Seelenbilder der Natur", die er zuerst auf Fernreisen gesucht hatte, heißt es in einem Text. Schlussfolgerung: "Für Kreative ist der See unentrinnbar attraktiv".

Kapitel über Kino-Events am See und die Volkshochschule Starnberg zeugen von der sympathischen Bodenständigkeit der Herausgeberin. Seit 2002 gibt es übrigens eine stylische Jugendherberge in Possenhofen, direkt am romantischen Schlosspark - ein Geheimtipp! Das Haus eröffnet die Möglichkeit - auch mit weniger Geld - für eine Zeit am Starnberger See zu residieren.


Eva Dempewolf (Hrsg.): Der Starnberger See, Volk Verlag München, 39,90 Euro

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