Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme: Landwirte bangen

Die Landwirte im Nordosten der Stadt fürchten weiter, enteignet zu werden. Was sie umtreibt.
Gaby Mühlthaler |
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Kämpfen weiter gegen die SEM (v.l.): Robert Brannekämper, Benno Ziegler, Johann Oberfranz, Markus Bichler und Thomas Eberl am Freitag.
Kämpfen weiter gegen die SEM (v.l.): Robert Brannekämper, Benno Ziegler, Johann Oberfranz, Markus Bichler und Thomas Eberl am Freitag. © Daniel von Loeper

München - Die Angst geht um bei den Landwirten an der nordöstlichen Stadtgrenze zwischen Daglfing und Johanneskirchen. Sie fürchten um ihre Existenz, denn seit 2011 hängt das Damoklesschwert einer "Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme" - kurz SEM genannt - über ihnen.

Tausende neue Wohnungen auf der Pferderennbahn

Auf dem bisher vorwiegend landwirtschaftlich und für Pferdesport genutzten Gebiet soll Wohnraum für bis zu 30.000 Menschen entstehen, dazu 10.000 Arbeitsplätze. Mit dem Instrument SEM kann die Stadt Grundbesitzer, die nicht verkaufen wollen, einfach enteignen, was laut OB Dieter Reiter (SPD) aber das allerletzte Mittel ist.

Von wegen "Augenhöhe"

Gespräche mit der Stadt, die sich die Betroffenen "auf Augenhöhe" wünschen, brachten den Landwirten in den vergangenen zehn Jahren keine Klarheit, sie fühlen sich "in der Luft" hängengelassen. Die Bauern haben sich in der Initiative "Heimatboden" organisiert, andere Betroffene im Bündnis Nordost. Unterstützt werden sie vom örtlichen Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper (CSU), der auch im Bogenhauser Bezirksausschuss (BA) sitzt.

"Die Übergänge von Alt zu Neu sind in den Plänen brutal"

Das Gremium forderte im Mai eine Visualisierung der Planungen, denn die üblichen Planzeichnungen sagen nach BA-Ansicht nichts über die Massivität der künftigen Siedlung aus. "Kommt das nicht freiwillig vom Planungsreferat, wird der BA das gemeinsam mit Heimatboden erstellen", so Brannekämper. "Es geht um Höhen, Abstände, Restgrün und historische Dorfkerne. Die Übergänge von Alt zu Neu sind in den Planungen brutal!"

"Man will uns zum Aufgeben zwingen"

Johann Oberfranz ist wie die anderen Heimatboden-Vertreter voller Sorge, denn im November hat der Stadtrat für die Beauftragung einer Werbeagentur 700.000 Euro freigegeben, zusätzlich zu bereits beschlossenen 200.000 Euro. "Man sorgt sich etwas um die Akzeptanz der Maßnahme, darum die Werbeagentur", so Heimatboden-Rechtsanwalt Benno Ziegler. Für Johann Oberfranz ist klar: "Damit will man die Landwirte zum Aufgeben zwingen. Verkauft man uns für blöd? Klar gibt es Bebauung, doch die muss verträglich sein!"

In Gefahr: Kulturelle Vielfalt, Nahversorgung, Bio-Bauern

Laut Michael Hardi vom Planungsreferat ist die SEM ein Mehrgenerationenprojekt und jeder der will, darf weiter Landwirt sein. Heimatboden ist nicht überzeugt. Können die Kinder den Hof übernehmen? Und was, wenn 300 Meter neben dem Stall Wohnhäuser stehen? "Das Ausmisten riecht, die Tiere plärren auch in der Nacht, das Düngen mit Gülle riecht!", so Bio-Bauer Thomas Eberl. Ganz außer Acht lasse die Stadt die Nahversorgung, für welche die Landwirte ebenso sorgten wie für kulturelle Vielfalt, beispielsweise den Christkindlmarkt.

Auf klare Aussagen der Stadt wartet Heimatboden nach eigenen Angaben ebenso vergeblich wie auf Hilfe von OB Dieter Reiter (SPD). Ein Brief, den Oberfranz im Juni selbst im Rathaus abgegeben hat, blieb unbeantwortet: Werden Sie auf Enteignungen im SEM-Gebiet verzichten oder kommt es doch dazu, wie vom Planungsreferat auf Radltouren angekündigt?

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Werden Sie dafür sorgen, dass vor dem ersten Spatenstich die Bahntrasse, wie vom Stadtrat beschlossen, tiefer gelegt wird? Heimatboden hat den OB jetzt ins SEM-Gebiet eingeladen.

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4 Kommentare
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  • meingottwalter am 05.12.2022 10:59 Uhr / Bewertung:

    40.000 neue Mitbürger auf diesem Gelände sind einfach zuviel. 10.000 würden reichen und wäre verträglich - auch für die Infrastruktur. Da wird sonst Natur im großen Stil versiegelt. Landwirtschaft - man will ja auch immer mehr regionale Produkte. Aber auch und besonders die Grünen wollen die Landwirte vertreiben. Deswegen auch die Werbeagentur. Die Stadt will hier Stimmung machen gegen die Landwirte, die ja hier ihr Zuhause haben - seit mehreren Generationen. Pläne für 10.000 Menschen gibt es ja. Wurden vorgestellt. Allerdings wohl nur proforma, wenn es nach der Stadt geht.

  • Bob2 am 03.12.2022 07:37 Uhr / Bewertung:

    Hier könnten sich Klimaaktivisten sinnvoll einsetzen, falls die das mit der Umwelt wirklich ernst meinen.

  • ClimateEmergency am 02.12.2022 22:40 Uhr / Bewertung:

    " "Das Ausmisten riecht, die Tiere plärren auch in der Nacht, das Düngen mit Gülle riecht!", so Bio-Bauer Thomas Eberl"

    Naja, Tierhaltung ist sowieso nicht mehr zeitgemäß und es gibt weder ein moralisches noch ein reales Recht auf Nutztierhaltung dort.
    Als Hinweis: Würde man auf Tierhaltung verzichten, könnten 3/4 der Acker und Wiesen sogar renaturiert werden:
    "Dass die Größe der Acker- und Weideflächen weltweit um 75 Prozent reduziert werden könnte, wenn sich alle Menschen vegan ernähren würden. Und dass trotzdem alle Menschen satt werden würden."
    https://www.spiegel.de/panorama/veganismus-studie-ohne-tierprodukte-braeuchten-wir-nur-ein-viertel-der-ackerflaechen-a-00000000-0003-0001-0000-000002478316

    Ich kann empfehlen mit der Zeit zu gehen, sonst geht man mit der Zeit...

    "Klar gibt es Bebauung, doch die muss verträglich sein!""
    Geht es noch unkonkreter?

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