Schüler Karl (17) über seinen neuen Corona-Alltag: "Verzicht ist ätzend"

München - Natürlich bin ich froh, dass es meiner Familie gut geht. Und niemandem, den ich kenne, geht es wegen der Corona-Situation schlecht. Trotzdem wirbelt die Corona-Krise mein Leben stark durcheinander. Enttäuschung folgt auf Enttäuschung, so empfinde ich es einfach: Ende November verzichtet mein Vater darauf, seinen 50. Geburtstag zu feiern.
Ein trister Start in die Volljährigkeit
Allein in diesem Monat gibt es drei 18. Geburtstage von Freunden, bei denen die große Party ausfällt. Es ist schade, wenn der Start ins Erwachsenen-Leben so unspektakulär beginnt. Außerdem hat mein Skiverein das Herbstferien-Training am Gletscher in Hintertux storniert. Das ist traurig für meine Vereinskollegen. Ich hätte diese Skiwoche sowieso nicht mitfahren können, weil ich als Kontaktperson in Corona-Quarantäne war. Der Grund dafür: Meine Mutter hatte das Virus leider aufgeschnappt - und lag sieben Tage mit Erkältungssymptomen im Bett.
Schulstress wegen Quarantäne
In meinem Gymnasium sind zwei Schüler einer achten Klasse Corona-positiv getestet. Diese Klasse ist in Quarantäne. Ich finde es sehr gut, dass die anderen Schüler weiter lernen können. Als Kontaktperson meiner Mutter war ich ab 21. Oktober unverschuldet für 14 Tage in Quarantäne. Diese Regelung finde ich zwar korrekt, um andere vor dem Virus zu schützen. Aber es ist unfair, total bescheuert und gemein, was ich dadurch alles im Unterricht verpasse: Ich konnte meine Spanisch-Klausur nicht mitschreiben. Meine Bio-Klausur habe ich versäumt, auf die ich super vorbereitet war - und die Arbeit in Evangelischer Religion auch. Das ist mein mündliches Abiturfach: In der Klausur ging es um die Frage nach dem Gewissen. Diese Prüfung hätte ich gerne schon geschrieben, denn die Note zählt fürs Abi. Die verpassten Klausuren muss ich nun geballt nachholen, zu den neuen Klausuren dazu. Das finde ich krass! Das wird für mich Abitur-Style in den nächsten Wochen von der Lernintensität her.

Unterricht per Livestream?
Ich habe gehört, dass in Münchner Privatschulen der Unterricht für Einzelne, die wegen unverschuldeter Quarantäne fehlen, gefilmt wird, so dass sie daheim live mitlernen können. Auf Bitte meiner Eltern hat das mein Mathelehrer auch versucht, als er eine Abituraufgabe mit meinem Kurs gerechnet hat. Doch die Technik hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. In dem Raum, in dem er unterrichtete, konnte blöderweise keine Wlan-Verbindung aufgebaut werden. Ich glaube, ich bin in unserer Q12 der einzige Abiturient, der wegen Corona jetzt gefehlt hat. Die Schule macht ja einfach weiter. Aber ich mache mir Sorgen, wie ich alles schaffen soll. Der Lockdown im Frühling mit den geschlossenen Schulhäusern hatte nicht nur mich aus dem Lernmodus herauskatapultiert. Schlafmangel durch Netflix-Serien und tagsüber nur noch Skateboardfahren waren die Folge.
Melancholie trifft auf Einsicht
Auf mein Abitur fühle ich mich durch die wiederholten Unterbrechungen nicht optimal vorbereitet. Obwohl ich die Maßnahmen der Regierung zum Gesundheitsschutz voll verstehe. Es ist keine Frage, dass ich in der Schule und an öffentlichen Orten Maske trage. Ich halte mich an meine momentane Quarantäne. Trotzdem fühle ich mich so festgehalten, mein ganzes Leben ist heruntergedrosselt. Ein echtes Highlight, unsere Spanisch-Studienfahrt nach Málaga im September mit dem engen Schul-Freundeskreis, wurde ebenfalls aus Vorsicht gestrichen. Dabei erlebt man so eine Reise nur einmal im Leben! Vieles, was richtig taugt, fällt nun wieder weg. Verzicht ist einfach ätzend. Meine Stimmung diesen Herbst: Ich bin melancholisch, weiß aber zugleich, dass es schlimmere Probleme gibt.