Rund um den Starnberger See und Ammersee: Michael Mittermaier im Interview
Was hat der Starnberger See mit Neuseeland zu tun? Wie reagiert man auf Sturmlampen? Und was bedeutet eigentlich Heimat? Ein Gespräch mit dem Künstlerpaar Mittermeier.
AZ: Wo ist der See schöner: Auf dem Wasser oder am Ufer?
GUDRUN MITTERMEIER: Muss ich mich jetzt wirklich entscheiden? Auf dem Standup-Board, mitten auf dem See, und genauso am Ufer, wenn die Sonne untergeht...
MICHAEL MITTERMEIER: Aber dann nur auf der guten und richtigen Seite: am Ostufer.
Warum wohnen Sie am See?
GUDRUN: Er ist ein totaler Energieplatz für uns. Wir kommen an, und innerhalb von zehn Minuten ist Ruhe und Stille. Im Moment ist es aber noch so, dass unsere Tochter Lilly in München zur Schule geht und wir sie auch nicht rausnehmen wollten. Also pendeln wir: unter der Woche Stadt; Wochenende, Ferien und Sommer immer hier.
MICHAEL: Der See hat uns einfach gefunden. Freunde von uns, die wir seit 25 Jahren kennen, haben in Ambach ein Haus mit Steg, und bei einem unserer Besuche haben wir eher vor uns hin gemurmelt: "Wäre doch schön, auch so was zu finden." Zwei Wochen später wurde uns ein Grundstück in Seeheim angeboten. War also kein lang gehegter Plan.
GUDRUN: Ich kenne Leute, die seit Jahrzehnten suchen, und wir haben den Wunsch nur mal ausgesprochen. Es gibt aber viele Gründe, hier zu leben.
MICHAEL: Der See hat ja eine Weite und Größe, die immens was ausstrahlen. Bei jedem Wetter, auch bei Nebel, Regen oder Wind. Dann bekommt er sogar eine Meer-Attitüde.
GUDRUN: ... und will mehr sein, als er eigentlich ist. Respekt will er, und den bekommt er auch. Wenn die Sturmlampen angehen, bin ich die Erste, die zurückpaddelt.
MICHAEL: Am Anfang denkst du mitten auf dem See so: Freunde, welcher Idiot macht hier die Sturmlampen an? Kommt, eine Flasche Wein geht noch! Aber es kann halt wirklich sein, dass 20 Minuten später die Welt untergeht. Der See hat eine natürliche Gewalt.
Sind die Menschen am Ostufer anders als die am Westufer?
MICHAEL: Na ja, die am Westufer sagen immer, sie schauen mit der Sonne mit. Aber seit der liebe Gott den Sonnenaufgang und -untergang geschaffen hat, ist es nun mal so, dass die Menschheit sich entschieden hat: Lasst uns ins geile rote Licht schauen, schöner geht’s nicht! Zum Glück findet hier jeder sein Eck – irgendwie.
GUDRUN: Uns gefällt, dass es so ruhig ist. Auch wenn es manchmal nicht so einfach ist, was zu essen zu bekommen.
MICHAEL: Im Vergleich zu unserem Ort ist ja selbst Bernried Großstadt. Was auch damit zu tun haben kann, dass das Ostufer immer die Seite der Künstler war. Oskar Maria Graf, Loriot, Patrick Süskind und viele andere hat es dorthin gezogen, wo die Welt noch unerschlossen war. Keine Eisenbahn, weniger Straßen, mehr Ruhe.
Fahren Sie mal zu den anderen vier Seen im Fünfseenland?
GUDRUN: Früher schon, seit wir hier wohnen nicht mehr.
MICHAEL: Warum sollten wir, wenn wir hier unser Zuhause haben? Wir haben mit dem See und den Bergen den Doppel-Whopper. Wenn’s geschneit hat, im März oder April, und du hast bei schönem Wetter eine klare Sicht auf die Zugspitze, während du im Frühling schon am See sitzt: Das ist Wahnsinn! Wenn uns Freunde aus Berlin besuchen, beteuern die immer, dass sie so was eher aus Neuseeland kennen.
Ist Seeheim Heimat für Sie?
MICHAEL: Natürlich. Heimat ist ja nicht nur der Platz, an dem du geboren bist. Jeder von uns entscheidet selbst, wo seine Heimat ist. Es wäre doch schlimm, wenn wir uns nicht auch andere Heimaten machen könnten. Das hier wird für uns eine bleiben. Ich glaube nicht, dass wir je wieder weggehen, wir sind richtig verwurzelt.
MICHAEL: Sind sie nicht. Für mich ist auch New York eine zweite Heimat geworden, als ich da eine Zeitlang gelebt habe. Heute brauche ich fünf Minuten, dann fühle ich mich dort wieder heimisch. Und München strahlt sowieso viel Heimat und Heimeligkeit aus.
GUDRUN: Was auch daran liegen kann, dass wir Bayern sind.
Gibt es ein Recht auf Heimat?
MICHAEL: Ich finde schon, und ich finde, dass die Regierenden die Aufgabe haben, unsere Heimaten lebenswert zu halten. Schlimm ist, dass das in vielen Teilen der Welt zurzeit nicht gelingt und sich immer mehr Regierende nur noch verbohrt anschreien. Man muss sich mal reinfühlen in einen, dessen Haus zerbombt und dessen Familie getötet wurde. Freiwillig verlässt doch niemand seine Heimat. Deswegen sollten wir in unserem sehr funktionierenden Land nicht nur überhitzt über Obergrenzen für Flüchtlinge und Asylbewerber reden, sondern darüber, was wir für Menschen tun können, denen es nicht so gut geht wie uns. Wir haben eine Verantwortung zu helfen. Ich glaube nicht an Mauern, Abschottung und Ausgrenzung. Das haben wir alles schon durch. Am Ende gab’s immer Konflikt, Krieg und Zerstörung
Die Jubiläumsausgabe des SeeMagazins ist im Zeischriftenhandel erhältlich
- Themen:
- Starnberger See