Privater Seezugang am Starnberger See bei München: Ist die Enteignung die Lösung?

Bayerns Linke denkt über die Enteignung von Privatzugängen am Starnberger See nach. Das Gemeinwohl sei stärker zu bewerten als das Profitinteresse des Eigentümers, sagt die Co-Chefin der Partei, Adelheid Rupp.
von  Natalie Kettinger
Äußerst idyllisch: die exklusiven Seegrundstücke in Leoni am Starnberger See.
Äußerst idyllisch: die exklusiven Seegrundstücke in Leoni am Starnberger See. © Galloth/Immovision.de

Leoni/Berg - Privatzugang zum Starnberger See – für bis zu 1.500 Euro monatlich: Das Angebot eines Luxus-Maklers, der Parzellen eines ehemals öffentlichen Strandbads in Leoni (Gemeinde Berg) nun zu satten Preisen an Privatleute verpachtet, sorgt nicht nur vor Ort für lange Gesichter. Im Internet machen auch viele AZ-Leser ihrem Ärger Luft – und die bayerische Linke bringt nun Enteignungen für diesen und ähnlich gelagerte Fälle ins Spiel.

Zumal es in Artikel 141, Absatz 3, der Bayerischen Verfassung heißt: "Staat und Gemeinde sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen."

Privatzugang am Starnberger See: "Ausverkauf der Natur"

"Das nenne ich Ausverkauf der Natur", schreibt eine Userin auf der Internet-Seite der AZ über die Privat-Parzellen in Leoni. "Wozu braucht das 'gemeine Volk' schon ein Strandbad. Das 'gemeine Volk' kann doch irgendwo an einem Moorweiher baden. Zu Zeiten der Könige und Fürsten haben die sich auch gegenüber ihrem Volk abgegrenzt", fragt ein anderer Leser – und fügt seinem Beitrag vorsorglich das Wort "Ironie" hinzu.

"Was ist eigentlich mit dem freien Zugang zu allen Seen, der in der bayrischen Verfassung steht? Gibt's den noch? Oder hat die CSU den gewinnbringend verkaufen können?", scherzt ein anderer.

Adelheid Rupp, Co-Chefin der Linken in Bayern, hält im Fall der Privatparzellen am Starnberger See eine Enteignung für angemessen.
Adelheid Rupp, Co-Chefin der Linken in Bayern, hält im Fall der Privatparzellen am Starnberger See eine Enteignung für angemessen.

Für Adelheid Rupp, Co-Chefin der bayerischen Linken und Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im Oktober, ist das Thema alles andere als lustig. "Für mich ist das eindeutig ein Sachverhalt, in dem eine Enteignung angebracht wäre", sagt die Rechtsanwältin mit Blick auf das Strandbad in Leoni, das nun nicht mehr der Öffentlichkeit, sondern 25 Pächtern exklusiv zur Verfügung steht. Der Eigentümer nutze seinen Besitz in diesem Fall nicht im Sinne des Gemeinwohls.

"Enteignen heißt aber ebenfalls, dass natürlich entschädigt wird." Diese Möglichkeit sehe sowohl die Verfassung als auch das Bayerische Naturschutzgesetz vor. "Auch dem Grundgesetz ist die Frage der Enteignung nicht fremd."

Starnberger See: Profitinteresse des Eigentümers gegen Gemeinwohl

Es gelte, das Profitinteresse des Eigentümers und das Gemeinwohl gegeneinander abzuwägen. "Und in diesem Fall ist das Gemeinwohl als stärker zu bewerten – auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Bayerische Verfassung den freien Zugang zu den Naturschönheiten des Freistaats schützt."

Dem Besitzer müsse dann allerdings der Wert von Grundstück und Anlage erstattet werden. Das sei vermutlich nicht günstig – aber für eine reiche Gemeinde am Starnberger See "sicherlich gut zu stemmen".

 

Das Problem, dass sich große Teile des Uferbereichs in Privathand befinden, besteht längst nicht nur am Starnberger See. Am Pilsensee erstrecken sich die Villengärten kilometerweit bis ans Wasser, am Wörthsee ebenfalls.

Nicht nur am Starnberger See: Immer mehr Zugänge in privater Hand

"Und am Chiemsee gibt es etwas sehr häufig, was ich auch nicht als freien Zugang empfinde: Dort verläuft ein Rad- oder Gehweg, auf dessen einer Seite die Gärten liegen – und auf der anderen die privaten Badeplätze mit Stegen oder Bootshütten." Eine Konstellation, die man vom Ammerseeufer ebenfalls kennt. "Hier stellt sich für mich genauso die Frage, inwieweit das Absperren des Seezugangs im Interesse der Allgemeinheit ist. Dieses Exklusivrecht gehört weg."

Der Nachteil für die Allgemeinheit, sagt Adelheid Rupp, sei durchaus vergleichbar mit dem Leerstand von Wohnungen, auch wenn das Thema auf den ersten Blick ein anderes sei. Auch hier werde der Gesellschaft etwas vorenthalten. "In München stehen 50.000 Wohnungen leer – da bleibt doch nichts anderes mehr, als zu enteignen." Es sei doch unerträglich, dass Häuser über Jahrzehnte leerstünden "und schlicht Spekulationsobjekte sind".

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