Paul H. (27): Das ist der irre Attentäter von Grafing
München – Bei der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag waren Vertreter des Bayerischen Landeskriminalamts, der Staatsanwaltschaft München II und des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord zugegen. Gemeinsam versuchten sie, ein schlüssiges Gesamtbild von der Wahnsinnstat zu zeichnen.
Demnach stammt der mutmaßliche Täter Paul H. aus dem Großraum Gießen in Hessen. Er ist gebürtiger Deutscher, Single, 27 Jahre alt und seit zwei Jahren Sozialhilfeempfänger. In Gießen fiel er der Polizei bereits vor zwei Tagen einmal auf, als er mitten in der Stadt "wirres Zeug" redete. Die Beamten sahen jedoch keine Gefahr der Fremd- oder Eigengefährdung und legten ihm lediglich nahe, einen Arzt aufzusuchen. Das tat der Mann anschließend offenbar auch. Nach AZ-informationen befand sich Paul H. bereits seit längerer Zeit in psychatrischer Behandlung.
Am Montag (09.05.) entschied er sich dann, mit dem Zug über Fulda nach München zu fahren. Dort traf er am Abend ein und wollte in einem Hotel übernachten. Da er jedoch kaum Bargeld bei sich hatte, endete der Plan bereits an der Hotelrezeption. Stattdessen kehrte Paul H. zum Hauptbahnhof zurück und verbrachte die nächsten Stunden in dem Gebiet.
Dabei lernte er offenbar einen Ungarn kennen, der ihm zeitweise Gesellschaft leistete. Irgendwann verkündete H. dann jedoch, dass ihm unwohl sei und er zog vom Bahnhof weiter zum Stachus. Scheinbar ohne konkretes Ziel stieg er dort in die nächstbeste S-Bahn – eine S4 die ihn bis zum Endbahnhof in Grafing brachte. Laut Polizei ging es ihm einfach nur darum, aus der Großstadt München rauszukommen.
Der Amoklauf von Paul H.: Vier Opfer in nur 20 Minuten
In Grafing-Bahnhof traf Paul H. um 01.38 Uhr in der Nacht auf Dienstag ein. Bis die erste S-Bahn in der Früh wieder fuhr, lungerte er auf dem Bahnhofsgelände herum. Um 04.45 Uhr tickte der Mann dann völlig aus: Komplett ohne Grund zückte er ein Messer und stach auf einen 56-jährigen Mann ein. Nachdem er sein Opfer schwer verletzt hatte, ging er weiter zum Bahnsteig und attackierte dort einen zweiten Mann, der gerade in die S-Bahn einsteigen wollte.
Das 56-jährige Opfer erlag später im Krankenhaus seinen schweren Stichverletzungen.
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Paul H.s Amoklauf führte ihn anschließend auf den Bahnhofsvorplatz, wo er zwei Radfahrer angriff und schwer verletzte. Während seiner Attacken rief er "Allahu akbar" ("Gott ist groß") und "Ihr Ungläubigen, ihr müsst sterben".
Um 04.52 Uhr ging bei der Polizei der erste Notruf ein, abgesetzt von H.s erstem Opfer. Es folgten andere Notrufe um 04.54 Uhr, 04.58 Uhr und 05.02 Uhr. Die Polizeiinspektion Oberbayern Nord löste daraufhin Großalarm aus und beorderte Streifenwagen aus Ebersberg, Poing, Erding, von der Autobahnpolizei Hohenbrunn und vom benachbarten Polizeipräsidium Oberbayern Süd an den Tatort.
Bereits wenige Minuten später, um 05.04 Uhr, trafen die ersten Polizisten am Grafinger Bahnhof ein. Sie entdeckten den mutmaßlichen Täter Paul H. sofort auf der Straße und konnten ihn um 05.07 Uhr widerstandslos festnehmen. In seinem Gürtel steckte noch die mutmaßliche Waffe: ein blutiges Messer mit 10 Zentimeter langer Klinge.
Täter vermutlich ein Fall für die Psychatrie
Im ersten Verhör schwieg der mutmaßliche Täter, doch dank einiger am Tatort gefundener Gegenstände konnte er schnell identifiziert werden: Unter anderem fanden die Beamten seinen Personalausweis und Führerschein, einige persönliche Unterlagen sowie den Rucksack und die Schuhe von Paul H. Die Schuhe hatte er vor der Tat ausgezogen. Als er im Verhör schließlich sein Schweigen brach, erklärte er, dass dies nötig gewesen sein, weil sich darin Wanzen befunden hätten, die ihm Blasen an den Füßen verpasst hätten.
Insgesamt scheint Paul H. sehr verwirrende Angaben zu machen: "Die Dinge, die der Mann sagte, ergaben für die Beamten keinen Sinn", erklärte der zuständige Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich. Man wolle den Mann daher nun auf seine Schuldfähigkeit untersuchen lassen und gegebenenfalls die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik beantragen.
Bislang können sich die Ermittler Paul H.s islamistische Schlachtrufe auch nur über seinen labilen Geisteszustand erklären. Der Verdächtige war bislang weder dem Staatsschutz noch irgendeinem Geheimdienst bekannt. Verbindungen zu islamistischen Netzwerken sucht man genauso vergeblich wie Videos oder Schriften, mit denen sich der Mann radikalisiert haben könnte.
Eine Nachrichtensperre gab es nie
Zu der ursprünglich verbreiteten Meldung, es habe unmittelbar nach der Tat eine Nachrichtensperre durch die Staatsanwaltschaft München II gegeben, sagte der Staatsanwalt: "Solche Nachrichten können Sie nicht sperren, das möchte auch keiner." Es habe keine Nachrichtensperre gegeben und er könne sich auch nicht erklären, wo dieses Gerücht hergekommen sei.
Gegen Paul H. wurde unterdessen Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes in drei Fällen beantragt
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