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Münchens Zukunftsmacher: Isar Aerospace – von Bayern ins All

In Ottobrunn will ein junges Unternehmen Raketen bauen – in nur zwei Wochen statt sechs Monaten. Selbst Vergleiche mit Elon Musk scheuen die Gründer nicht.
von  Christina Hertel
Ein Mitarbeiter setzt eine Rakete zusammen. Die Feinarbeit muss weiterhin von Menschen erledigt werden, nicht von Robotern.
Ein Mitarbeiter setzt eine Rakete zusammen. Die Feinarbeit muss weiterhin von Menschen erledigt werden, nicht von Robotern. © Florian Fechter

Ottobrunn - Hinter der Scheibe glitzert es silbrig. Schemenhaft ist ein filigraner Kreis zu erkennen. Plötzlich ist er wieder verschwunden. Was hier passiert? Hier in einem 3D-Drucker entsteht ein Antrieb für eine Rakete, die einmal Satelliten ins All bringen soll. Das Start-up Isar Aerospace baut diese Rakete in Ottobrunn, südlich von München, in einer 10.000 Quadratmeter großen Halle.

"3D-Druck wird in der Raumfahrt noch nicht allzu lange genutzt", sagt Tina Schmitt, die bei Isar Aerospace für die Pressearbeit zuständig ist und die AZ durch die Fabrik führt. Der Vorteil von diesem Verfahren: So lassen sich Zeit und Kosten sparen. Normalerweise dauere es sechs Monate bis zu einem Jahr, um die Brennkammer, also den Motor, eines Raketentriebwerks zu fertigen. "Wir schaffen das in zwei Wochen", sagt Schmitt.

Isar Aerospace: Für das nächste Jahr sind Testflüge geplant

Allerdings ist bis jetzt noch keine Rakete von Isar Aerospace ins All gestartet. Für das nächste Jahr sind zwei Testflüge geplant – und nicht von Ottobrunn, sondern von Norwegen aus. Auf der Insel Andøya hat sich das Unternehmen einen Startplatz auf einem Weltraumbahnhof gesichert.

Hier werden die einzelnen Teile zusammengesetzt.
Hier werden die einzelnen Teile zusammengesetzt. © Florian Fechter

Eine Gruppe von Studenten der Technischen Universität München (TUM) hat Isar Aerospace 2018 gegründet. Ihre Idee: Sie wollen kleine und mittelgroße Raketen bauen, die Satelliten günstiger ins Weltall bringen, als es heute geht. Der Startpreis soll laut Tina Schmitt einmal bei 10.000 Euro pro Kilo liegen. Und die Rakete soll bis zu 1000 Kilo transportieren können. Bei der Trägerrakete Vega, die für die Europäische Weltraumorganisation (ESA) gebaut wurde, sei der Start etwa viermal so teuer. Schaffen will Isar Aerospace diesen Preis durch eine günstigere, automatisierte Fertigung: Nicht mehr der Mensch, sondern vor allem Roboter sollen die 27 Meter lange Rakete zusammensetzen.

In der Fertigungshalle sieht man deshalb nicht nur Computerbildschirme, 3D-Drucker in großen, weißen Kästen, sondern auch Roboter-Arme so ähnlich wie in einer Autofabrik. Ganz automatisch geht es aber nicht: In einem kleinen Raum steht auf einer Werkbank eine schwarze Düse. Sie kommt zwar aus dem 3D-Drucker, den Feinschliff müssen aber Menschen übernehmen.

Etwa 260 Menschen arbeiten inzwischen bei Isar Aerospace.
Etwa 260 Menschen arbeiten inzwischen bei Isar Aerospace. © Florian Fechter

Das Unternehmen baut fast alle Teile selbst

Fast alle Teile, aus denen die Rakete besteht, baut das Unternehmen selbst. Auch die Tests, ob die Antriebe funktionieren und ob das Material den Gegebenheiten im All standhält, führt Isar Aerospace selbst durch, sagt Tina Schmitt. Der Vorteil sei mehr Flexibilität und Geschwindigkeit. In der Halle stehen deshalb auch Geräte, die die Teile rütteln und schütteln, die an dem Material ziehen und zerren. Größtenteils soll die Rakete aus Kohlefaserverbundwerkstoffen bestehen. Das sei ein besonders leichtes Material, allerdings gebe es auch damit noch nicht viel Erfahrung damit in der Raumfahrt, sagt Schmitt.

Die einzelnen Teile werden im 3D-Drucker hergestellt.
Die einzelnen Teile werden im 3D-Drucker hergestellt. © Florian Fechter

Seit vier Jahren wird an dem Triebwerk der Rakete gearbeitet. Can Araz (29) leitet die Entwicklung. Er tüftelte schon mit den Gründern des Start-ups, als diese noch Studenten an der TUM waren. Araz war der zweite Mitarbeiter der Firma, inzwischen sind es etwa 260.

Can Araz leitet die Entwicklung.
Can Araz leitet die Entwicklung. © Florian Fechter

Seit 2020 fertigt Isar Aerospace in der ehemaligen Lagerhalle in Ottobrunn. Zur Eröffnung kam Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Damals spotteten viele über sein Weltraum-Programm "Bavaria One" Größenwahnsinnig nannten viele das Projekt. Bei Isar Aerospace kann über die Idee einer bayerischen Weltraum-Mission wohl niemand so recht lachen – auch Can Araz nicht.

"Deutschland hat als Nation bisher leider noch keine großen Raumfahrt-Ambitionen", meint er. Dabei gebe es rund um München viele Luft- und Raumfahrtunternehmen. Zum Beispiel entwickelt in Augsburg auch ein anderes Start-up eine Rakete. Es gibt Unternehmen, die Satelliten entwickeln, ein Start-up, das an einem Flugtaxi tüftelt.

Und in Ottobrunn baut die TUM eine Fakultät für Luft- und Raumfahrt, die die größte in Europa werden soll. Auch wegen der Expertise dort will Isar Aerospace den Raum München nicht verlassen, sagt Araz. Gerade sucht das Unternehmen nach einem neuen Standort in der Region. Die 10.000 Quadratmeter in Ottobrunn sind bereits zu klein geworden.

An Raketenteilen zu tüfteln, ist Präzisionsarbeit.
An Raketenteilen zu tüfteln, ist Präzisionsarbeit. © Florian Fechter

Inzwischen stecken 180 Millionen Dollar in dem Unternehmen. Der größte Teil kommt aus der Privatwirtschaft, ein Investor ist die Porsche-Holding. Isar Aerospace gehört zu der New Space Bewegung, die die Kommerzialisierung der Raumfahrt vorantreiben will. "Zumindest von der Mentalität kann man Isar Aerospace mit Space X von Elon Musk vergleichen”, sagt Araz. Denn auch Isar Aerospace arbeite nach dem Prinzip "Trial and Error" also "Versuch und Irrtum": Die Freiheit, Fehler zu machen und daraus zu lernen, sei groß, sagt Araz.

Jedes Teil werde schnell getestet und weiterentwickelt. Aber ob alle Teile auch funktionieren, wenn sie zu einer Rakete zusammengesetzt sind? Das wird erst der Testflug nächstes Jahr zeigen.

Drei bis acht Raketen sollen mal pro Jahr starten – mindestens

Wenn er erfolgreich ist, will Isar Aerospace in den ersten Jahren drei bis fünf und mittelfristig bis zu zehn Raketen starten. Langfristig sollen es 30 bis 40 sein. Aber warum braucht es das alles überhaupt? Schließlich fliegen schon heute Satelliten um die Erde. Araz geht davon aus, dass es in Zukunft viel mehr werden, zum Beispiel, um die Folgen des Klimawandels zu beobachten oder auch um Kommunikation sicherzustellen. Diese Satelliten werden immer kleiner, deshalb werden auch nicht mehr so große Raketen nötig sein. "Die ersten Computer waren riesig", sagt Araz, "heute steckt in einem kleinen Smartphone viel mehr Leistung."Und so ähnlich sei es auch mit Satelliten.

Eigentlich war der erste Testflug schon für 2022 geplant. Die Enttäuschung, dass daraus dieses Jahr nichts wird, hält sich jedoch in Grenzen. "Man darf nicht vergessen, dass wir hier bei null angefangen haben", sagt Tina Schmitt. Und Araz meint: "Vor vier Jahren haben wir mit dem Konzept für unsere Trägerrakete Spectrum begonnen, auf der Basis entwickeln wir sie weiter."

Große Rückschläge habe es bisher keine gegeben. Allerdings auch noch keinen richtig großen Erfolg. Der kommt erst, wenn der Start im nächsten Jahr gelingt.

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