Mit 25 Jahren schon Richterin: Christina Waldinger über ihren Job am Amtsgericht Erding

Wie hat Christina Waldinger vom Amtsgericht Erding das geschafft? Die AZ hat sie gefragt. Über Work-Life-Balance und Ratschläge, wie man sich von Zweifeln anderer nicht verunsichern lässt.
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Christina Waldinger in ihrer schwarzen Robe.
Christina Waldinger in ihrer schwarzen Robe. © privat

Erding - Während so mancher mit Mitte 20 noch für die letzten Uni-Prüfungen paukt oder wegen einer sehr plötzlich auftauchenden Abgabefrist eine Nachtschicht einlegen muss, ist Christina Waldinger aus Vilsbiburg schon am Ziel: Sie ist Richterin, mit 25 Jahren.

Christina Waldinger ist mit 25 Jahren schon Richterin: Wie geht das bitte?

Jura-Studium, Referendariat, Staatsexamen - all das hat sie in sieben Jahren durchgezogen und anschließend einen Posten bei der bayerischen Justiz bekommen. Aktuell ist sie Richterin am Amtsgericht in Erding und am Landgericht Landshut - jeweils eine halbe Stelle. Wie hat sie es so rasant ans Ziel geschafft?

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Wenn die junge Frau, gebürtig aus Velden im Landkreis Landshut, über ihren Job spricht, hat sie ein Lächeln auf den Lippen. Sie wirkt gelöst, entspannt, bodenständig. Als wäre all das mühelos passiert. Dem ist aber nicht so. Es steckt viel Arbeit, viel Disziplin dahinter. "Ohne viel Fleiß kommt im Jura-Studium niemand durch", sagt sie der AZ. "Mir war es wichtig, dass ich zügig durchkomme und gleich ins Arbeitsleben starten kann."

Am liebsten ist es Christina Waldinger, wenn sie sich "reinfuchsen" muss

Sie studierte an der Universität in Regensburg. "Ich habe unter der Woche extrem viel gelernt." Unter extrem versteht sie acht Stunden am Tag oder sogar mehr. Und: Wenn das Examen anstand, "kann man die Work-Life-Balance vergessen". Sie lacht.

All das hat sie nicht abgeschreckt, im Gegenteil. Je weiter sie kam, desto klarer wurde ihr: Richterin ist für sie der Wunschberuf. Und das sagt sie immer noch, auch wenn sie nun den Alltag kennt, der viel Büroarbeit bedeutet. Und Akten, die sich stapeln. Am liebsten ist es ihr, wenn sie sich "reinfuchsen" muss. Komplexe Fälle? Gern!

Bayerische Justiz:  54 Prozent der Richter sind Frauen  

Das Arbeitspensum als Richter lässt sich nur schwer definieren, sagt sie. "Man stempelt nicht und hat auch nicht zu wenig zu tun." Doch ihr geht es sowieso um die Sache, und deswegen zählt sie nicht die Minuten bis zum Feierabend.

Bei der bayerischen Justiz sind aktuell 1.365 Richterinnen tätig. Das teilt das Justizministerium auf AZ-Anfrage mit. Das entspricht einem Anteil von 54 Prozent. Im Amtsgericht Erding sind es laut Waldingers Chefin, Direktorin Ingrid Kaps, geschätzt sogar 65 Prozent Frauen. Der Altersdurchschnitt liegt in Erding bei 38 Jahren, diese Zahl haben die beiden Frauen sofort parat. Auch das ist jünger als Richterinnen und Richter im Bayern-Schnitt - hier liegt er bei 47 Jahren, so das Justizministerium.

Am Landgericht Landshut sitzt Waldinger in einer Beschwerdekammer

Wenn Christina Waldinger in Erding eine Verhandlung leitet, ist sie die einzige Richterin im Raum. Zivilrecht. Bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro ist die Behörde zuständig, erzählt sie. Oft geht es um Fluggastrechte - klar, der Flughafen München ist in der Nähe. Aber auch um Mietrecht oder Verkehrsunfälle können sich ihre Fälle drehen.

Ganz anders ist es dagegen am Landgericht Landshut; dort entscheidet eine Kammer von drei Richtern. Waldinger gehört zur Beschwerdekammer für Betreuung, Abschiebung und Unterbringung.

Keine Kommentare im Gerichtssaal: "Die Robe macht schon viel aus"

Wie fühlte sich die erste Verhandlung an? Es ging um Mietrecht, erinnert sie sich. Mit einem Cocktail an Gefühlen ging sie in diesen ersten Termin - einerseits nervös und aufgeregt, andererseits gespannt, wie die Menschen auf sie reagieren, wie ihr die Verhandlungsführung gelingen würde. Oder ob jemand ihre Kompetenz infrage stellen würde, weil sie jung ist.

Das war nicht der Fall. Bisher noch nie. Keine negativen Erfahrungen, keine Kommentare im Gerichtssaal. "Die Robe macht schon viel aus." Aber auch sonst gilt: "Man muss ein souveränes Auftreten an den Tag legen und zeigen: Ich habe Ahnung, ich bin vorbereitet."

Christina Waldinger: "Wichtig ist, dass man selbst an sich glaubt, sich treu bleibt" 

Das Urteil muss sie übrigens nicht direkt im Gerichtssaal fällen, es wird im Zivilrecht erst einige Wochen später bei einem Verkündungstermin bekanntgemacht. Was braucht es für so einen Posten? Die 25-Jährige sagt klar und zackig - und damit gibt sie indirekt schon die Antwort: "Entscheidungsfreude - und man muss Verantwortung übernehmen können."

An junge Frauen gerichtet, die auch einen zielstrebigen Traum haben, aber vielleicht noch zweifeln, wie sie das schaffen können, sagt die 25-Jährige: "Wichtig ist, dass man selbst an sich glaubt, sich treu bleibt, und den Weg, den man gehen möchte, durchzieht. Also: Ich will das machen und ich werde das auch tun."

Gerade wenn andere meinten, man könne es nicht schaffen, ist ihre Antwort: "Dann erst recht! Man braucht sich von anderen nicht sagen lassen: Das geht nicht. Denn es geht schon." Bleibt die Frage: Hat die junge Richterin eigentlich daheim auch immer recht? Sie lacht. "Ich kann auch nachgeben."

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  • Witwe Bolte am 15.02.2023 16:41 Uhr / Bewertung:

    Je mehr Frauen unter 45 in wichtigen Positionen arbeiten, umso mehr Ausfälle. Schwangerschaft, Elternzeit usw. führen zum Durcheinander von Dienstplänen. Schwangere dürfen nachts nicht arbeiten - ein grosses Problem in Kliniken. Ca. 80 % der jungen Krankenhaus-Ärzte sind weiblich. Und die meisten davon mit Kinderwunsch.
    Ähnlich dürfte es bei der Polizei sein - Arbeitsverbot für Schwangere in bestimmten Bereichen. Oder schon mal eine Hochschwangere im nächtl. Streifendienst gesichtet?
    Dann kommen noch die vielen Teilzeitwünsche der Frauen hinzu. Kein Wunder, dass unsere Gerichte immer mehr überlastet sind.

  • SL am 15.02.2023 23:27 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    Nehmen Sie doch den angeblichen Lehrermangel. 58% der Lehrerinnen arbeiten Teilzeit. Und heute in der Zeitung dass eine Grundschule die 4-Tage-Woche einführen muss. Warum? 2 schwangere Lehrerinnen haben eine Beschäftigungsverbot wegen Corona-Infektions-Risiko vorgelegt und eine andere Kollegin ist dauerkrank.

  • Der wahre tscharlie am 16.02.2023 15:28 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Witwe Bolte

    Oh Gott, was für ein Kommentar......
    Erstens.....Zitat: "Die Statistik zeigt die Verteilung hauptamtlicher Krankenhausärzte in Deutschland nach Geschlecht in den Jahren von 2005 bis 2017. Im Jahr 2017 waren rund 45,5 Prozent der in Deutschland tätigen Krankenhausärzte weiblich."
    Deine 80% kannste gerne behalten.

    Aber bedenklicher ist die Rhetorik und das Bild, das du über Frauen vermittelst. Ein Bild von vorgestern und existent in den Köpfen mancher Männer.

    Muß sich Frau jetzt wieder, wie in den 50er Jahren dafür entschuldigen, dass sie biologisch eine Frau ist?
    Muß Frau jetzt ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie schwanger werden und Kinder bekommen kann?
    Muß Frau jetzt mit einem schlechten Gewissen rumlaufen, weil sie, aus Männersicht, nicht dieselbe Arbeitsleistung erbringt?
    All diese Aussagen von dir halte ich schlicht für frauendiskriminierend!!!

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