Mikroabenteuer in München und Bayern: "Um aufzubrechen, braucht es keine Himalaya-Ausrüstung"
Der Alltag ist oft, nun, wenig abenteuerlich. Aus diesem auch einmal auszubrechen, ist jedoch gut für Körper und Geist. Dass es dafür nicht viel braucht, davon ist der gebürtige Berliner Christo Foerster überzeugt. Sein Geheimrezept heißt Mikroabendteuer.
Für diese geht es für einen kurzen Zeitraum auf unbekanntes Terrain. Die Menschen sollten sich überlegen, was sie dabei reizt und was sie herausfordern könnte, betont der Experte. Im AZ-Interview verrät Foerster außerdem, wo in Bayern sich die besten Mikroabenteuer erleben lassen.
AZ: Herr Foerster, was ist eigentlich ein Mikroabenteuer?
CHRISTO FOERSTER: Ein Mikroabenteuer beinhaltet grundsätzlich alles, was ein gewöhnliches Abenteuer auch ausmacht. In erster Linie sind das Situationen, in denen wir unsere Komfortzone verlassen und unbekanntes Terrain betreten. Mikroabenteuer lassen sich aber ohne größeren Aufwand erleben – sind also auch in der näheren Umgebung in kleinerem Zeitrahmen möglich. Ich habe für mich persönlich drei Regeln aufgestellt, die ein Mikroabenteuer ausmachen.

Dauer, Ausstattung, Transport: Das macht ein Mikroabenteuer aus
Welche sind das?
Die erste Regel lautet: Ein Mikroabenteuer dauert maximal 72 Stunden. Alles darüber hinaus wäre dann nicht mehr "mikro". Außerdem verwende ich, wenn ich die Nacht draußen verbringe, kein Zelt – die zweite Regel. Und ich benutze weder Auto noch Flugzeug. Wie gesagt, das sind meine Regeln. Andere haben vielleicht andere Sichtweisen.
Gibt es unterschiedliche Typen von Mikroabenteuern beziehungsweise Mikroabenteurern?
Ich beschäftige mich vor allem mit den Abenteuern im Outdoor-Bereich, aber es gibt quasi unendlich viele Möglichkeiten, eines zu erleben. Ich glaube, wir sollten unsere Abenteuer vor allem nicht an denen von Anderen messen.
Wie findet man heraus, welches Mikroabenteuer geeignet ist?
Die Frage ist: Was reizt mich? Und: Was könnte mich herausfordern? Man kann sich auch überlegen: Was traue ich mich nicht so richtig und wie mache ich einen ersten Schritt da hin? Wir können Dinge wieder aufleben lassen oder aus einem größeren Rahmen runterbrechen. Was hat mir in der Vergangenheit Freude bereitet? Welche Urlaubserinnerung ist besonders intensiv und wie kann ich sie im Kleinen neu erfinden? Auch Freunde, Bücher oder Soziale Medien können natürlich Inspiration sein.
Mikroabenteurer Christo Foerster: "Manchmal geht es darum, sowas einfach zu machen"
Wie kann man es am besten schaffen, den inneren Schweinehund zu überwinden und einfach loszulegen?
Anfangs hilft es, uns selbst in den Hintern zu treten oder ein paar Motivationstricks anzuwenden, wie zum Beispiel ein festes Datum mit Freuden auszumachen oder einen gepackten Rucksack an die Haustür zu stellen. Wenn wir dann unterwegs sind, gilt es, wirklich bewusst zu erleben und das Erlebte im Anschluss dann zu reflektieren. Wir müssen nicht nur wissen, sondern auch spüren, was uns solche Abenteuer geben. Dann gelingt es auch besser, nach Möglichkeiten zu suchen und weniger nach Gründen, warum es gerade nicht passt.
Was hat man für Möglichkeiten, wenn man beruflich besonders eingespannt ist?
Eine wäre zum Beispiel, die Nacht draußen zu verbringen – selbst zwischen zwei Arbeitstagen ist das möglich und ein Zeitfenster, das wir oft gar nicht sehen. Oder wir stehen um drei Uhr nachts auf, um mit dem Rad an einen schönen Ort für den Sonnenaufgang zu fahren. Im Alltag erscheint das oft kaum umsetzbar, aber manchmal geht es darum, sowas einfach zu machen, auch wenn es verrückt klingt. Es kann auch schon ein Abenteuer sein, einen anderen Arbeitsweg zu gehen als sonst.

"Außer dem Meer bietet Bayern nahezu alles für ein Mikroabenteuer"
Kann man auch ohne besondere Ausrüstung oder körperliche Fitness loslegen?
Ich sage immer: Je schlechter die Ausrüstung, desto besser das Abenteuer. Was nicht bedeutet, dass wir in Flip-Flops hochalpine Touren machen sollten. Aber es reichen auch zwei Sommerschlafsäcke ineinander, wenn kein wärmerer vorhanden ist, und auch mit dem Klapprad lassen sich Abenteuer erleben. Um aufzubrechen braucht es keine Himalaya-Ausrüstung.
Sie schreiben viel von Seen, Wäldern und Bergen – ist Bayern das Paradies für Mikroabenteurer?
Definitiv. Außer dem Meer bietet Bayern nahezu alles für ein Mikroabenteuer. Ich habe hier schon zahlreiche erlebt. Der Film "Abenteuerland" und das dazugehörige Buch erzählen davon, wie ich von der Zugspitze bis nach Sylt gereist bin – zu Fuß und mit dem SUP. Der Abschnitt durch Bayern war der längste und wirklich faszinierend.

Sind die Abenteuer auch mit Kindern möglich?
Natürlich, wenn nicht sogar noch eher. Kinder sind meiner Meinung nach die besseren Abenteurer als Erwachsene. Wir sollten ihnen nicht unsere Idee von Abenteuer überstülpen, sondern uns von ihnen mitnehmen lassen. Es wird dann meist spielerischer und nicht so verkopft.
Christo Foerster: "Wir sollten Erholung nicht mit Rumliegen gleichsetzen"
Können Mikroabenteuer auch erholsam sein?
Oh ja. Die Komfortzone zu verlassen, kann auch bedeuten, eben nicht höher, schneller, weiter zu wollen, wenn eben das die Zone ist, in der wir auch in Job und Alltag ständig unterwegs sind. Für Menschen, die es gewohnt sind, immer Gas zu geben, auch in der Freizeit, ist ein zwölfstündiges, achtsames Bad im Wald meist eine riesige Herausforderung. Gleichzeitig sollten wir Erholung nicht mit Rumliegen gleichsetzen. Entdecken ist vielfältig. Ich würde aber immer empfehlen, das Wahrnehmen mit allen Sinnen über einen neuen Rekord zu stellen.
Sind mehrere kleine Abenteuer erholsamer als etwa ein großer Ausflug?
Große Urlaube, Reisen und Abenteuer sind oft eine Flucht aus dem Alltag. Das ist auch völlig legitim. Aber mit Mikroabenteuern kann es uns gelingen, unseren Alltag zu verändern. Das wiederum hat eine riesige Kraft. Erlebe ich viele kleine Abenteuer, gelingt es mir eher, das, was ich dort brauche und lerne, als Haltung zu etablieren und es auch in anderen Situationen des Lebens einzusetzen.
Ist das also empfehlenswerter als etwa einen entspannten Tag am See zu verbringen?
Es geht immer um die Balance, um einen Rhythmus. Wir sollten nicht vergessen, dass Abenteuer, ob kleine oder große, zwar oft anstrengend sind, uns aber unglaublich viel geben können. Genauso ist es oft angebracht, einfach die Füße hochzulegen.
Weitere Infos zu Mikroabenteuern
Christo Foerster: Das Praxisbuch (2018); Christo Foerster: Das Jahreszeitenbuch (2021); Christo Foerster: Das Motivationsbuch (2020); HarperCollins
Mikroabenteuer: Die Tipps des Experten
Fünf Seen an einem Tag
Oberbayern ist Zuhause des Fünfseenlandes. Warum also diesen Vorteil nicht nutzen und zu einem Mikroabenteuer machen? Frühmorgens mit dem Rad von München aufbrechen und nacheinander den Starnberger See, den Ammersee, den Pilsensee, den Wörthsee und den Weßlinger See anfahren. Natürlich darf ein Bad in jedem der Gewässer nicht fehlen. Je nach Route ist man etwa 100 Kilometer unterwegs.
Orte mit lustigem Namen
Einmal in die Hölle und zurück. Laut Foerster müssen die Ziele eines Mikroabenteuers nicht immer Sinn ergeben. Manchmal reicht es auch, einen Anlass zu haben, aufzubrechen. Ein möglicher wäre, einmal zu schauen, was es mit dem bayerischen Örtchen Hölle im Kreis Hof auf sich hat oder auch Pups im Kreis Rosenheim. Bayern bietet mehr solcher kurioser Ortsnamen, als man denkt. Ein lustiges Foto ist garantiert.

Vom Isarsprung nach Hause
Kurz nach der Grenze zu Österreich, 15 Kilometer nördlich der Gemeinde Scharnitz, liegt das Örtchen "Bei den Flüssen". Die besagten Flüsse sind die Ursprungsquellen der Isar. Laut Foerster ein wunderbarer Ausgangspunkt für ein Mikroabenteuer. Von hier sind es etwa 150 Kilometer über den Isarradweg nach München. Der Weg führt stetig bergab so, dass die Tour theoretisch an einem Tag zu schaffen ist.
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