Fluss ohne Flößer: Anbieter sagen Saison ab
Straßlach - Als kleiner Junge sei er oft in die Isar gesprungen und auf eines der vorbeifahrenden Flöße geklettert, erinnert sich Robby Hirtl, der Wirt vom Gasthaus zur Mühle. Auf dem Floß wurde er mit Schmankerln versorgt, bis er dann schnell wieder ins Wasser gesprungen ist, um zum Ufer zurück zu schwimmen, wie er erzählt.
Robby Hirtl: "Es tut mir im Herzen weh"
Heute ist Hirtl meist in der Küche des idyllisch an der Isar gelegenen Gasthauses bei Straßlach anzutreffen. Vor der Pandemie verpflegte er die feiernden Floßfahrer zur Mittagszeit.

Doch in diesem Jahr ist es wieder sehr ruhig. Keine Flöße, keine Musik, keine hungrigen Gruppen, die mittags aufschlagen. Heuer fällt die zweite Saison der Isarfloßfahrten komplett aus. "Es tut mir im Herzen weh", sagt der 62-jährige Wirt, der mit den Floßfahrten groß geworden ist.
Floßfahrten gehören zu München wie die Wiesn
Für die Münchner und die Besucher der Stadt ist die geplatzte Saison eine bittere Nachricht, denn die Floßfahrten gehören zu München wie die Wiesn.
Sie haben eine lange Tradition, und sie verkörpern das bayerische Lebensgefühl. Die Gemütlichkeit, die Schönheit der Natur, das lustige Beisammensein. Weißwurscht, Leberkas und ein frisch gezapftes Bier. Nicht nur Touristen haben diese Mischung in den vergangenen Jahren genossen.
Traditionell gebaute Flöße für touristische Fahrten
"Was braucht man mehr?", fragt Josef Seitner. Der 73-Jährige führt einen der drei verbliebenen Flößereibetriebe im Münchner Umland. Sein Unternehmen und das seines Bruders Franz Seitner befinden sich in Wolfratshausen. Die dritte Flößerei ist der Familienbetrieb Isarfloss Angermeier in Arzbach.

Die drei Betriebe gibt es seit vier bis fünf Generationen. Sie bieten traditionell gebaute Flöße für touristische Fahrten an. Flöße, auf denen einst Baumaterialien wie Holz und Kalk aus den Alpen in die Stadt transportiert wurden.
Josef Seitner kann sich nur an ein einziges Mal erinnern, als die Floßfahrten über einen längeren Zeitraum ausgefallen sind. Vor etwa 60 Jahren habe es an sechs aufeinanderfolgenden Wochenenden Hochwasser gegeben.
Die Flöße konnten nicht ausrücken. "Aber eine ganze Saison ohne Floßfahrt, das gab es noch nie", ist sich Seitner sicher. Sein Familienunternehmen gibt es seit über 170 Jahren.

Dass sich die drei Flößereibetriebe dazu entschlossen haben, auch die diesjährige Saison ausfallen zu lassen, hat nachvollziehbare Gründe. Ausschlaggebend war, dass das Erlebnis, welches eine Floßfahrt bietet, mit den Corona-Maßnahmen schlicht nicht umzusetzen ist. Maske tragen und Abstand halten, das passt nicht zu einer zünftigen Feier. Und es sei auch nicht realistisch: "Dann fließt das Bier, die Stimmung steigt… man kommt sich näher, das ist nicht zu vermeiden", weiß Josef Seitner.
Monika Seitner: "Das rechnet sich nicht mehr"
Infektionen auf dem Floß sind nicht auszuschließen. Das weiß auch Monika Seitner. Sie führt das Unternehmen ihres Vaters Franz Seitner zusammen mit ihrem Bruder in vierter Generation: "So viele Feiern und Volksfeste wurden heuer abgesagt - wenn unsere Flöße in gewohnter Weise fahren würden, und es gibt auch nur einen Infektionsfall, wäre das für unser Image fatal."
Natürlich muss es sich auch finanziell noch rechnen, "den ganzen Apparat hochzufahren", wie Monika Seitner sagt. Dazu gehören die Flöße, das Transportunternehmen für die Flöße, das Personal, entsprechende Hygienevorrichtungen an der Ablegestelle und vieles mehr. Die halbe Saison sei schon vorbei und es gebe keine Sicherheit, dass die restliche von Hochwasser und strengeren Corona-Auflagen verschont bleibt. "Das rechnet sich nicht mehr", stellt Monika Seitner fest.
"Lieber lassen wir es dieses Jahr ganz sein"
Auch die Gasthäuser unterwegs, wie das Gasthaus zur Mühle, würden sich schwertun, unter den aktuellen Corona-Regeln ausreichend Plätze für mehrere Floßgruppen gleichzeitig zu bieten. "Lieber lassen wir es dieses Jahr ganz sein, als auf Biegen und Brechen etwas aufzuziehen, was nicht dem gewohnten Charakter unserer Fahrten entspricht", ist Monika Seitner überzeugt.
Anfangs sei sie sehr enttäuscht gewesen, aber mittlerweile habe sie verstanden, dass es nicht anders geht. Die beiden Seitner-Flößereien hatten bereits Ende Juni erklärt, dass sie heuer keine Flöße mehr fahren lassen.

Michael Angermeier: "Wir sind nicht die Uefa"
Familie Angermeier hat sich bei der Entscheidung noch Zeit gelassen, erst kürzlich wurde bekannt, dass die Saison auch für sie ausfällt. Damit steht fest: In diesem Jahr wird kein Floß auf der Isar oder der Loisach fahren. Die Hoffnung habe noch bestanden, dass die Politik den Flößereibetrieben entgegenkommen würde. "Aber wir sind nicht die Uefa", zeigt sich Chef Michael Angermeier enttäuscht.
Die Absage ist noch frisch, man spürt seinen Frust. Auch er stellt jedoch fest: "Corona und Floßfahrt passen nicht zusammen." Dennoch, man habe sich eine klare Ansage von der Politik erhofft.
Die rechtliche Lage ist kompliziert. Laut Auskunft des Bayerischen Wirtschaftsministeriums gebe es im Einzelfall die Möglichkeit, eine Floßfahrt als Veranstaltung aus besonderem Anlass zu werten.
Josef Seitner: "Entweder gscheid oder gar ned"
In diesem Fall würden dieselben Regeln gelten, wie bei anderen Veranstaltungen auch. Bei der jetzigen Inzidenz würde das bedeuten: 100 vorangemeldete Gäste im Freien sind erlaubt. Die Entscheidung für eine solche Ausnahmeregelung würden letztlich die Kreisverwaltungsbehörden treffen. Eine konkrete Handhabung für alle Floßfahrten und klare Ansagen, wie sie sich Michael Angermeier bis zuletzt erhofft hatte, gibt es nicht.
"Entweder gscheid oder gar ned", sagt auch Josef Seitner. Er sei optimistisch, dass durch die Impfungen alles besser wird: "So eine Floßfahrt ist eine der schönsten Sachen, die man in Bayern erleben kann. Nächstes Jahr können wir wieder sorgenfrei feiern", fügt er hinzu. Bis dahin genieße er den Umstand, im Sommer einmal Zeit für sich zu haben. Das habe er vor der Pandemie noch nie erlebt. "Nur dann reicht's auch wieder."
Für kommendes Jahr sind die Flößerfamilien optimistischer.