Fatale Zentimeter: Drei neugebaute Häuser in Wolfratshausen sollen wieder abgerissen werden

Am Isarspitz in Wolfratshausen sollen drei nigelnagelneue Häuser abgerissen werden. Der Grund: Der Bauunternehmer hat sich nicht an die Pläne gehalten. Wird es wirklich so kommen?
von  Heidi Geyer
Die betroffenen Häuser im Ortsteil Weidach.
Die betroffenen Häuser im Ortsteil Weidach. © privat

Wolfratshausen - Es klingt erst einmal wie ein schlechter Witz: Da findet man ein Haus zum Mieten, sogar ein ganz neues, im Großraum München, noch dazu mit Blick auf die Alpen. Und es klappt sogar, der Mietvertrag ist unterschrieben, man zieht ein und lebt dort gut und gerne. Und dann soll das Haus einfach abgerissen werden.

"Die Mieter wurden vom Bauherren als Geiseln genommen"

Nur ist es leider kein Witz, sondern die bittere Realität für drei Mietparteien in Wolfratshausen. Die drei Häuser am Isarspitz sind von einem ortsansässigen Bauunternehmer errichtet worden – der das Projekt mit Unterschieden zur genehmigten Variante umsetzte (AZ berichtete).

"Zum Beispiel wurden Aufschüttungen vorgenommen, die Wandhöhen sind höher, die Dächer wurden mit anderen Dachneigungen ausgeführt, statt eines Carports wurde eine Garage gebaut", teilt das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen auf AZ-Anfrage mit. Es soll sich unter anderem um 20 Zentimeter Aufschüttung und eine Firsthöhe, die fast 70 Zentimeter zu hoch ist, handeln.

Ein grober Verstoß gegen die Gesetze, findet Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). "So leid es mir für die Mieter auch tut, die wurden vom Bauherren als Geiseln genommen, um genau mit diesem Argument seinen Gesetzesverstoß abzumildern."

Dass Bauunternehmer es nicht immer so genau nehmen und dass viele Bauprojekte zum Teil auch stark von den Plänen abweichen, ist kein Geheimnis. In der Branche munkelt man nach AZ-Informationen, dass ein Exempel statuiert werden soll. Angeblich hätte es schon mehrere Fälle mit jenem Bauträger gegeben, bei denen es starke Abweichungen zwischen Baugenehmigung und Umsetzung gab.

Es gehe nicht darum, ein Exempel zu statuieren

Das Landratsamt sieht das anders: Es gehe eben nicht darum, ein Exempel zu statuieren, sondern darum, "dass geltendes Baurecht gemäß einem Rechtsstaat durchgesetzt wird", teilt eine Sprecherin mit. Es handle sich um ein ganz normales Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Die Behörde sieht sich im Recht: "In diesem konkreten Fall hat das Gericht das Vorgehen des Kreisbauamtes bestätigt."

Tatsächlich hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zugunsten des Landratsamtes entschieden – jedoch ging es dabei nicht um die Frage, ob der Abriss verhältnismäßig ist. Gegen den Abrissbescheid des Landratsamtes von Ende Januar klagt der Bauunternehmer derzeit am Verwaltungsgericht München.

Gegenstand des Verfahrens am Verwaltungsgerichtshof war eine nachträgliche Genehmigung der – geänderten – Tektur, die abgelehnt wurde.

Die Folgen eines Abrisses wären für den Bauunternehmer freilich drastisch. Die AZ sprach mit ihm, er möchte jedoch seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. "Der Schaden würde bei 4,5 Millionen Euro liegen", sagt der Mann. Er versteht die Welt nicht mehr. "Der Staat möchte 400.000 Wohnungen schaffen, der Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen reißt drei fertige ab", schreibt er in seiner Petition an den Landtag.

Bisher ließ sich keine Lösung finden

Der Petitionsausschuss kann nicht in die kommunale Bauleitplanung eingreifen, setzte aber einen einstimmigen Appell an die Verantwortlichen in der Gemeinde und im Landratsamt, doch eine Duldung der drei Häuser zu prüfen. Sollte das Landratsamt dennoch darauf bestehen, was derzeit der Fall ist, bat der Petitionsausschuss darum, "bis zur Umsetzung der Beseitigungsanordnung mindestens ein Jahr Zeit zu geben, damit die Mieter genug Zeit haben, sich eine neue Unterkunft zu suchen".

Doch nicht nur das Landratsamt bremst, auch die Gemeinde Wolfratshausen selbst. Denn sie könnte nachträglich die Bauleitplanung ändern. Trotz mehrfacher Gespräche und Ortsbesuche der Ausschussvorsitzenden Stephanie Schuhknecht (Grüne) ließ sich in der Kommune keine Lösung finden.

Sie sagt zwar auch, dass es sich eindeutig um illegale Schwarzbauten handle. "Ein Abriss entspricht Recht und Gesetz und ich erwarte von den vor Ort Verantwortlichen nicht, sich gegen Recht und Gesetz zu stellen."

Sie hätte sich aber von den vor Ort Verantwortlichen gewünscht, dass man mit dem Bauherrn nach einer sinnvoll rückgebauten Lösung sucht, die die Gemeinde durch eine Bauleitplanung genehmigen könnte.

Irritiert ist der Bauunternehmer darüber, dass die Behörden aus seiner Sicht mit zweierlei Maß messen. Er verweist auf vier Doppelhaushälften, die ganz in der Nähe seiner Häuser errichtet worden seien, darunter auch mindestens zwei im Außenbereich. "Bei diesen Häusern wurden vom Landratsamt alle Punkte genehmigt, die bei mir zum Abbruch führen sollen", sagt er.

Ebenfalls wurmt ihn, dass im Ortsteil Weidach, in dem auch der Isarspitz liegt, nun noch ein Bauprojekt kommen soll. Und zwar ausgerechnet vom amtierenden Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Der will auf einer Fläche, auf der derzeit Schrebergärten stehen, Wohnungen bauen. Sein Projekt steht unter der Prämisse, dass 15 Prozent der Wohnfläche für 15 Jahre eine Sozialbindung haben.

Aus Sicht der Grünen ist das zu wenig. Der Beschluss für das Vorhaben wurde zwar vom Stadtrat mit 17 zu sieben Stimmen abgesegnet, allerdings erst nach einer sehr deftigen Diskussion.

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