Erding: Flugzeugteil schlägt neben Bauernhof auf!
Erding - Wie jeden Morgen will Konrad Ganslmaier am Freitag vor der Arbeit nach seinen Ochsen sehen. Geht es den 20 Tieren auf der Weide gut? Haben sie genug Wasser zum Trinken? Und ist der Zaun noch in Ordnung, damit sie nicht ausbrechen können? Der Nebenerwerbslandwirt lebt mit seiner Familie in Wartenberg im Landkreis Erding, etwa 20 Kilometer Luftlinie vom Münchner Flughafen entfernt.
Mit den Mast-Ochsen ist alles in bester Ordnung. Alle leben. Und auch Konrad Ganslmaier, seine Ehefrau Anita (49) und die drei Töchter (18, 23, 29) sind wohlauf – was an diesem Morgen keine Selbstverständlichkeit ist.
Etwa 150 Flugzeuge fliegen täglich über den Hof des Bauern
Denn als der 56-Jährige gegen 6.30 Uhr aus dem Haus ins Freie tritt, entdeckt er – keine 30 Meter entfernt – ein riesiges Metallteil im Klee: "Etwa so groß wie zwei Badewannen hintereinander", beschreibt der Landwirt den Fremdkörper, vielleicht 100 Kilo schwer.

Aus 300 bis 500 Metern Höhe ist das Trumm auf Ganslmaiers Grund und Boden gekracht. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn es ins Haus eingeschlagen wäre.
Gehört haben sie alle nichts. Offenbar hat das frische Gras den Aufprall gedämpft. Oder der Fluglärm über dem Bauernhof hat das dumpfe Krachen übertönt. "Mir war sofort klar, dass das ein Flugzeug verloren haben muss", berichtet der Vater.
Konrad Ganslmaier weiß nicht, wie viele Flugzeuge täglich über seinen Hof fliegen. Das ist abhängig vom Wind. Bei Ostwind und wenn es windstill ist, drehen die Flieger schon etwas früher ab. "Aber so 100 bis 150 Flugzeuge werden es schon sein", schätzt der Bauer, der in seinem Hauptberuf im öffentlichen Dienst arbeitet.
Konrad Ganslmaier ruft die Polizei. Wenig später ist sein abgelegener Hof für einen Tag die Attraktion schlechthin. Erst kommen die Polizei und die Flughafen-Feuerwehr, dann noch ein Experte im Auftrag der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), der das Metallteil fotografiert. Und dann kommen die Journalisten. Konrad Ganslmaier wird den ganzen Tag Interviews geben.
Gegen 9.30 Uhr hat der Flugunfallexperte das etwa 3,50 Meter lange Metallteil von allen Seiten fotografiert. Es kann abtransportiert werden. Zwei Männer können es problemlos tragen, stellt der Landwirt überrascht fest. Das Trumm wird nun zur Flugunfalluntersuchung nach Braunschweig gebracht.
"Ein Experte wird untersuchen, warum es sich vom Luftfahrzeug gelöst hat", sagt BFU-Sprecher Germout Freitag zur AZ. "Damit sich so etwas nicht wiederholen kann."
Schnell ist klar: Das Teil stammt von einer Boeing 747-400. Der Pilot des Frachtflugzeugs soll beim Landeanflug einen Rumms bemerkt haben. Nichtsdestotrotz kann er die Maschine sicher auf der Nordbahn landen.
Noch bevor Konrad Ganslmaier den Fremdkörper entdeckt, stellen Flughafen-Mitarbeiter fest, dass bei einer Boeing 747 aus Frankfurt eine Motor-Abdeckung über einer der Landeklappen fehlt.
Diese Klappen haben die Funktion, sich beim Landeanflug schräg zu stellen, damit die Maschine mehr Auftrieb bekommt und langsamer wird.
Häufig geschieht es nicht, dass Flugzeuge in der Luft Teile verlieren. "Es kommt zwar immer wieder mal vor, aber an Fälle, in denen in Deutschland jemand zu Schaden kamen, kann ich mich nicht erinnern", sagt BFU-Sprecher Germout Freitag.
Die letzten beiden Male, als es Blech vom Himmel regnete, ereigneten sich bei Frankfurt: "2014 hat ein Luftfahrzeug eine Landeklappe verloren, 2015 verlor ein anderes eine Triebwerks-Abdeckung", sagt Freitag.
Konrad Ganslmaier und seine Familie tragen es mit Fassung. "Schaden ist ja kaum einer entstanden. Mir hat’s nur das Gras ein bisschen plattgedrückt", sagt der 56-Jährige. "Dass noch mal so was passiert und ein Teil ins Dach einschlägt, ist unwahrscheinlich – da gewinn’ ich eher im Lotto."
Ursache weiter unklar
Einen Tag nach dem Vorfall ist noch immer die Ursache für den mysteriösen Verlust unklar. "Die Maschine befindet sich momentan in einem Flugzeughangar", sagte am Samstag Flughafensprecher Robert Wilhelm. Nach dem Vorfall vom Freitagmorgen sei die Maschine um kurz nach 6.00 Uhr ohne Probleme gelandet.
Für die Untersuchung von Unfällen dieser Art ist die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig zuständig. Ein Sprecher teilte am Samstag mit, dass es sich beim dem abgefallenen Teil um die Abdeckung des Motors einer Landeklappe handele. Für die kommende Woche seien eingehende Untersuchungen vorgesehen.

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