Erdbeben bei Poing: Geothermie-Anlage Schuld?

Um 6.28 rumpelt es die Grubers aus den Betten. Ein Knall schreckt sie hoch, woher er kommt, ist zunächst unklar, die Spekulationen sind teils recht kreativ. Die Antwort kommt dann aus Wien. Die österreichische Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik meldet: Ein Erdbeben war’s, Stärke 2,7 auf der Richterskala. Die kennt Werte bis 12, und im Geophysikalischen Observatorium der LMU werden die Messwerte nur auf einer Magnitude von 2 festgelegt. In Poing ist außer umgefallenen Kaffeetassen also kein Schaden zu befürchten. „Weder bei der Polizei noch bei uns wurden Schäden gemeldet“, sagt Thomas Stark, Geschäftsführer der Gemeinde Poing.
Es liegt nahe, dass die Geothermieanlage, das Erdbeben ausgelöst hat
Doch auch bei einem sanften Beben bleibt die Frage nach der Ursache. Eigentlich ist die Gegend seismisch nicht auffällig. „Ich wohne seit 26 Jahren hier und höre das zum ersten Mal“, erzählt Stark. Auch vom gestrigen Rumoren habe er selbst nichts gemerkt.
Hier war das Epizentrum des Erdbebens. Bild: Google Maps
Das Epizentrum liegt westlich von Poing beim Ortsteil Grub – und nur einige hundert Meter von der Geothermieanlage entfernt. Aufgrund dieser geografischen Nähe ist der Fall für Joachim Wassermann, Leiter der Abteilung Seismologie des Geophysikalischen Observatoriums, recht klar: „Es liegt nahe, dass das Erdbeben von der Geothermieanlage ausgelöst wurde“, sagt der Experte.
Tatsächlich geht von Geothermieanlagen eine latente Gefahr für sogenannte „induzierte Seismizität“, also menschlich herbeigeführte Erdbeben, aus. Die Anlage in Poing ist zwar seit 2012 in Betrieb, die Bohrungen sind also längst abgeschlossen.
Doch Wassermann erklärt: „Bohrungen führen nicht zu den Beben, sondern der laufende Betrieb. Die finden dann unterhalb der Malm, also der Bohrtiefe statt.“ In Poing reicht die Anlage rund 3000 Meter unter die Erde, die Herdtiefe des Bebens lag bei rund vier Kilometern.
Beben können auf zwei Weisen ausgelöst werden. Zum einen kann das durch den Druck beim Zurückpumpen des abgekühlten Wassers geschehen. Die andere Möglichkeit ist, dass es durch den Temperaturunterschied zu Spannungen kommen, die sich dann entladen – ähnlich wie bei einem zerspringenden Glas.
Erbeben in München? Eher nicht
Obwohl die Geothermieanlage nach Ansicht von Wassermann, wahrscheinlich der Auslöser ist, will er zunächst die Ergebnisse des Geophysikalischen Observatoriums abwarten. Dort ist man gestern ausreichend beschäftigt mit den Analysen des Poinger Bebens.
Die Anlage haben die Experten auch besonders im Blick, weil München eigentlich keine seismisch auffällige Gegend ist. Woher sollte also plötzlich ein natürliches Erdbeben kommen. „Die große Frage ist natürlich: Wieso kam es im Regelbetrieb der Anlage plötzlich zu einem Beben – wenn es tatsächlich davon ausging“, ergänzt Wassermann.
Und woher kam der Knall am frühen Morgen? „Wenn bei flachen Beben die erste Welle nach oben kommt, koppelt sie in die Atmosphäre und die Schallwelle breitet sich in der Luft aus – das bringt übrigens auch die Fenster zum Wackeln“, erklärt Wassermann.
Gegner von Geothermie-Anlagen weisen immer wieder auf die Bebengefahr hin. Gesicherte Erkenntnisse gibt es allerdings noch nicht. Das liegt mit daran, dass es (glücklicherweise) noch zu wenige Ereignisse gab, um eine solide Datengrundlage zu erstellen.
Die Daten der Messinstitute
Die Gegend um München herum ist seismisch eigentlich unauffällig. Das berichtet Joachim Wassermann vom Geophysikalischen Observatorium der LMU. Seit etwas zehn Jahren werden hier verstärkt Daten zu unterirdischen Aktivitäten erhoben. Seit dem Beginn der dichteren Messungen wurden demnach keine bemerkenswerte Seismizität festgestellt. „Wir haben nie Werte über einer Magnitude von zwei festgestellt.“ Diese Werte seien harmlos, solange das Beben nicht direkt unterm Haus liege – „dann würden Sie schon deutlich was merken“, ergänzt Wassermann. Aus bayernweiten Messungen liegen Daten aus den letzten 20 Jahren vor – auch diese Werte lagen laut Wassermann nie über zwei auf der Richterskala.
Thema war die Seismizität nur im Rahmen der Messungen um die Geothermieanlage in Unterhaching – auch hier hielten sie sich allerdings im Rahmen.