Dieser bayerische Teenie ist jüngster Flipper-Weltmeister

Johannes Ostermeier ist mit 17 Jahren der jüngste Weltmeister im Pinball – in Deutschland bekannt als: Flippern. In seinem Sport ist er ein Naturtalent.
Interview: Hüseyin Ince |
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Die bunte Flipperwelt – für Johannes Ostermeier kostet sie auch viel Geld. "Das Preisgeld kompensiert einen Teil des Aufwands", sagt er.
Lino Mirgeler/dpa Die bunte Flipperwelt – für Johannes Ostermeier kostet sie auch viel Geld. "Das Preisgeld kompensiert einen Teil des Aufwands", sagt er.

München - Sie heißen Mata Hari, Dracula, Twilight Zone, Indiana Jones oder Lord of The Rings – und einer kennt diese Flipperkästen wie kaum ein Altersgenosse: Der Gymnasiast Johannes Ostermeier aus Markt Schwaben ist Flipper-verrückt – im positiven Sinne. Sein Vater Jürgen trug dazu bei. Er ist auch ein großer Flipper-Fan, spielt gemeinsam mit seinem Sohn weltweit bei Turnieren mit und hat über die Jahre 32 verschiedene Flippermaschinen aus verschiedenen Jahrzehnten angesammelt. Ein Gespräch über Talent, Reflex und auch 1860 München.

AZ: Johannes Ostermeier, um Weltmeister beim Flippern zu werden, muss man bestimmt täglich mehrere Stunden trainieren oder?
JOHANNES OSTERMEIER: Nein, meistens bin ich etwa eine Stunde im Keller und spiele an einer der Maschinen. Aber schon fast täglich.

Das reicht, um Weltmeister zu werden?
Ich denke, es macht viel aus, dass ich schon mit vier Jahren damit angefangen habe. Damals stand ich immer auf einem Hocker, damit ich die Knöpfe drücken und das Spielfeld sehen konnte.

Wie suchen Sie sich einen der 32 Flipper aus, an dem Sie spielen und trainieren?
Spontan. Ich schaue, wo es mich hinzieht.

Haben Sie Lieblingsflipper?
Klar, Batman 66 und AC/DC. Die verfügen über eine unendliche Spieltiefe, was nicht alle Flipper haben. Aber grundsätzlich machen fast alle Geräte Spaß.

Haben Sie eigentlich auch andere Hobbys?
Selbstverständlich. Ich spielte sehr lange Fußball. Aber da hatte ich keine so große Perspektive und keine Ambitionen wie beim Flippern. Deshalb habe ich damit aufgehört, um mich auf Flippern und 1860 zu konzentrieren.

1860, wie meinen Sie das?
Ich bin ein großer Sechzger-Fan, genauso wie mein Vater. Ich habe eine Dauerkarte und versuche, bei allen Heimspielen im Stadion zu sein.

"Mit meinem letzten Ball holte ich drei Milliarden Punkte auf"

Ein Hobby zum Siegen, eines zum Leiden – könnte man das so sehen?
(Lacht) Das kann man so sagen, ja.

Wollen Sie mal Flipper-Profi werden?
So weit ich weiß, kann niemand von dem Sport leben. Außerdem möchte ich eventuell Latein und Geschichte studieren. Latein ist neben Mathe eines meiner Lieblingsfächer.

Sie sind am 9. Juni in Mailand Weltmeister geworden. Fand das Turnier in einer Sporthalle statt?
Nein, es waren drei große Räume im Gewerbegebiet, im Flipperclub Double Pinball. In einem davon saßen die Kommentatoren. Das Turnier wurde schließlich live gesendet, auf dem Social-Media-Kanal Twitch. Mittlerweile findet man das Turnier auch auf Youtube, auf dem Kanal JDLPinball.

Wie viele Automaten standen da und wie viele Teilnehmer spielten um den Titel?
Die Teilnehmerzahl stand von Anfang an fest: 64. Für das Turnier wurden etwa 60 bis 70 Geräte aufgestellt.

Wie qualifiziert man sich?
Als deutscher Spieler über die deutsche Rangliste. Man muss Erster oder Zweiter sein.

Es gibt eine Rangliste?
Natürlich, der Sport ist europaweit sehr gut organisiert. Eine Weltrangliste gibt es auch. Da belege ich derzeit Platz Zwei.

Seit wann sind Sie die Nummer Eins der deutschen Rangliste?
Seit etwa zwei Jahren.

Die bunte Flipperwelt – für Johannes Ostermeier kostet sie auch viel Geld. "Das Preisgeld kompensiert einen Teil des Aufwands", sagt er.
Die bunte Flipperwelt – für Johannes Ostermeier kostet sie auch viel Geld. "Das Preisgeld kompensiert einen Teil des Aufwands", sagt er. © Lino Mirgeler/dpa

Hatten Sie mit dem Titel in Italien gerechnet?
Nicht zwingend. Aber ich wusste, dass ich es schaffen kann, spätestens seit dem Halbfinale. Da schlug ich den bis dahin amtierenden Weltmeister Raymond Davidson aus den USA und im Finale Daniele Acciari aus Rom, der zuvor mehrfach Weltmeister wurde. Ein sehr dramatisches Endspiel. In einer der zehn Spielrunden gab es ein Unentschieden. Passiert äußerst selten.

Wie muss man sich das vorstellen, Sie kommen bei der Weltmeisterschaft an und kennen eventuell das Gerät nicht. Was machen Sie dann?
Vor den Turnieren gibt es eine Gamelist. Da stehen die Geräte drauf: alt, mittelalt, neu. Aus allen Epochen müssen Automaten dabei sein. Es kommt durchaus vor, dass man ein paar Geräte nicht kennt. Damit muss man immer rechnen.

Ja und was machen Sie dann?
Ich spreche mit den anderen Spielern und hole mir Tipps. Kurz vor Beginn der Runde kann man sich auch einspielen.

Welches Gerät mussten Sie im Finale spielen?
Unter anderem Game of Thrones. Zum Schluss spielten wir auf Dracula.

Was ist die Geschichte von Dracula?
Das Ziel ist der Jackpot. Und für den braucht man den Multiball, am besten drei Multibälle gleichzeitig. Es war der Türöffner zum Jackpot. Das habe ich erreicht. Ich holte mit meinem letzten Ball in kurzer Zeit mehr als drei Milliarden Punkte auf. Das war der Turniersieg und gleichzeitig fast unmöglich zu schaffen.

"In den USA kann man bis zu 10.000 Dollar Preisgeld gewinnen"

Haben Sie besonders starke Nerven?
Ich denke schon. Mein Vater sagt immer, ich hätte gar keine.

Als ich selbst einige Male gespielt habe, ärgerte ich mich immer darüber, dass der Ball durch die Mitte so einfach ins Aus flutschen konnte. Da fühlt man sich so machtlos.
Das kann man verhindern. Jeder Flipper hat ein Pendel, dessen Sensibilität man einstellen kann. Man kann an jedem Gerät rütteln, an dem einen mehr, an dem anderen weniger. Wer zu viel rüttelt, wird vom Automaten disqualifiziert. Das muss man austesten. Und durch sanftes Rütteln kann man eben den Lauf der Kugel verändern.

Andere Jugendliche spielen digitale Spiele. Mittlerweile gibt es ja Computerspiel-Profis, die nur davon leben. Wie ist das bei Ihnen?
Ich habe zu Hause eine Playstation und habe früher sehr viel Fifa 2014 und 2015 gespielt. Mit digitalen Spielen kenne ich mich schon aus. Mittlerweile interessiert es mich nicht mehr so. Wenn ich lerne, entspannt es mich deutlich besser, wenn ich Pause mache und mich an den Flipper stelle. Es war einfach ein Glücksfall, dass mein Vater das Spiel ins Haus gebracht hat. Er steht ja selbst oft an den Geräten und ist zur Zeit Nummer 14 der deutschen Rangliste.

Und wenn Sie Besuch haben, spielen Sie dann Computerspiele oder Flipper?
Teils teils. Je nach Laune.

Was fasziniert Sie am Flippern eigentlich?
Das ist schwer zu sagen. Es ist ein fesselndes Spiel. Manchmal vergehen einfach vier Stunden und man merkt es kaum. Wie zuletzt mit zwei Freunden. Der soziale Aspekt spielt eine große Rolle. Die Szene ist klein. Man kennt sich und pflegt internationale Freundschaften.

Haben Sie eine Freundin?
Nein.

"Ein Leben ohne Flipper und 1860 ist nicht vorstellbar"

Keine Zeit für so etwas?
Doch, klar.

Muss Ihre Freundin auch Flippern mögen und können?
Nein, definitiv nicht. Sie müsste es nur akzeptieren, dass ich viele Wochenenden mit 1860 und Flippern beschäftigt bin.

Turniere in Toronto, Mailand, Kopenhagen im Oktober... Die Anreise und die Teilnahmegebühr kostet doch immer etwas. Wie finanziert man das?
Das Preisgeld kompensiert einen Teil des Aufwands.

Wie hoch ist das Preisgeld als Weltmeister?
1.000 US-Dollar, plus einen neuen Flipper: "Iron Maiden". Er ist etwa 6.000 Euro wert. Bei größeren Turnieren in den USA kann man sogar bis zu 10.000 US-Dollar gewinnen. Das ist irgendwann eines der nächsten Ziele: In die USA zu gehen und an diesen Turnieren teilzunehmen.

Wie hoch sind da die Teilnahmegebühren?
Das weiß ich gar nicht so genau. Bei der WM musste man 250 Euro einsetzen.

In Münchner Cafés und Kneipen stehen kaum noch Flipper. Wie verhält es sich mit der Anzahl der Spieler?
Die steigt. Viele holen sich die Automaten ins Haus. Die Szene wächst, vor allem in den USA.

"Es macht viel mehr Spaß gegen eine Person zu spielen, als alleine"

Wenn Sie die Gelegenheit hättest, würden Sie nur vom Flippern leben wollen?
Das könnte schon interessant sein. Aber ob ich das dann mein ganzes Leben machen würde oder könnte, das ist wieder eine andere, sehr schwierige Frage.

Was reizt Sie mehr, den Rekord am Automaten zu brechen oder einen Gegner zu besiegen?
Das ist ja eigentlich wieder die Frage: Spielt man lieber alleine oder gegen eine Person? Und da ist die Antwort eindeutig: Es macht viel mehr Spaß gegen jemanden zu spielen, in Gesellschaft zu sein.

Was sagt eigentlich Ihre Mutter dazu, dass Sie mit Ihrem Vater so Flipper-verrückt sind und so viel Zeit im Keller verbringen?
Die sagt: Das ist besser, als wenn wir sinnlos Zeit vergeuden würden.

Vervollständigen Sie den Satz: Ein Leben ohne Flippern wäre...
...nur halb so spannend. Es würden viele Freundschaften wegfallen. Da hätte ich ja nur noch 1860 als Hobby.

Und ein Leben ohne 1860 und Flippern?
Nicht vorstellbar.

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