Aus für das Kloster Altomünster: Schwester Apollonia kämpft weiter

Das Erzbistum übernimmt den Bau und will ihn renovieren. Die letzte Nonne muss raus. Aber sie hofft auf eine Rückkehr.
Nina Job |
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Unermüdliche Kämpferin: Schwester Apollonia mit dem Wanderstock der Heiligen Birgitta, Namensgeberin des Ordens.
M.Westermann/imago Unermüdliche Kämpferin: Schwester Apollonia mit dem Wanderstock der Heiligen Birgitta, Namensgeberin des Ordens.

München - Nun ist es offiziell. Vier Tage vor dem 520. Jubiläum ist das St. Birgitta-Kloster in Altomünster im Landkreis Dachau offiziell für tot erklärt worden. Per Dekret aus dem Vatikan wurde es am Dienstag aufgelöst. „Es war ein trauriger Tag“, sagte Peter Beer, Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising, gestern vor Journalisten. Das einzige Kloster des alten Zweiges des Erlöserordens in Deutschland wurde von der Erzdiözese übernommen. Mangels Nachwuchs fanden in dem weitgehend leerstehenden Gebäude zuletzt unter anderem Burnout-Seminare für gestresste Arbeitnehmer statt.

Wie es künftig genutzt wird, ist noch unklar. „Nun müssen wir erst einmal den Zustand begutachten lassen“, sagt Peter Beer. Schimmel und Schwamm hätten sich ausgebreitet, der Brandschutz entspricht den Anforderungen nicht mehr. Die bisherige Verwaltung habe Geld in den Sand gesetzt.

„Es war ein trauriger Tag“, sagt Generalvikar Peter Beer

Doch: „Für uns ist zentral, dass es weiterhin ein geistlicher Ort bleibt“, so der Generalvikar. „Wir werden einen signifikanten, zweistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen.“ Das Bistum will die Kommune und den Landkreis miteinbeziehen, um etwas Gemeinsames zu schaffen.

Zuletzt hatte im Kloster nur noch eine einzige Nonne gelebt: die rebellische Schwester Apollonia (62). Eine Mitschwester (79) lebt seit Jahren in einem Münchner Altenheim, die drittletzte Schwester starb 2015. Sie müssten aber mindestens zu dritt sein.

Schwester Apollonia kämpfte trotzdem darum, dass das Kloster, in dem sie seit mehr als 25 Jahren lebt, weiterbesteht. Sie schrieb an Papst Franziskus und Kardinal Marx, sie knüpfte Kontakte zur EU, ging mit einer Homepage (mutter-apollonia.net) online und gab Journalisten Interviews.

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Im Dezember 2015 erfuhr sie vom unvermeidlichen Aus. „Ich habe mich gefühlt, als wenn man mit der Fliegenklatsche an die Wand geschlagen wird“, sagte sie damals. Wenig später wurde ihr Schwester Gabriele, eine Ordensfrau von den benachbarten Franziskanerinnen in Schönbrunn, als apostolische Kommissarin vor die Nase gesetzt: Diese veranlasste, dass Konten gesperrt und Unterlagen beschlagnahmt wurden.

Priorin Apollonia durfte das Büro und Räume in der Klausur nicht mehr betreten. „Wie die von der Diözese mit uns umgegangen sind, war teilweise schikanös“, sagte sie zur AZ. Vom Dekret zur Auflösung, das seit 15. November vorlag, wusste sie nichts. Und selbst vom Vollzug erfuhr sie erst am Tag danach.

Zwangsumzug nach Rom oder in die Niederlande

„Bis 2. Februar soll ich nun mitteilen, in welchem Kloster ich künftig leben will.“ Wenn die 62-Jährige bei den Birgittinnen bleiben möchte, müsste sie nach Rom, Schweden oder Holland umziehen. Aber auch innerhalb der Diözese gibt es Möglichkeiten.

Doch die letzte Nonne des deutschen St. Birgitta-Klosters will sich nicht einfach hinauswerfen lassen. Schon einmal hatten Schwestern erreicht, dass sie bis zu ihrem Tod bleiben durften: Das war 1803. Die 62-Jährige erwägt, sich juristisch mit dem Vatikan und der Diözese anzulegen – und Rechtsmittel gegen das Dekret einzulegen. Doch dafür bräuchte sie einen Anwalt, noch dazu einen Spezialisten. Aber wovon sollte sie ihn bezahlen?

Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit – die der Rückkehr. „Zur Zeit haben wir eine Flaute im Ordensleben. Das kann sich wieder ändern! Schon mehrmals – nämlich in Kriegszeiten – mussten Leute das Kloster verlassen. Vielleicht kann ich in ein paar Jahren wiederkommen“, hofft sie.

Momentan ist für sie nur eines sicher: „Wenn ich gehen muss, wechsle ich in eine andere Diözese.“


Kloster seit 740

740: Der Bajuware Alto gründet ein kleines Kloster.

750 bis 1056: Gründung eines Benediktinerklosters.

1056-1270: Gründung eines Frauenklosters, eines Kononissenstifts, in dem adeligen Frauen relativ frei ohne strenge Regeln leben. Das Stift dient vor allem der Versorgung adeliger Töchter.

1270-1485: Benediktinerinnen-Kloster – wegen Misswirtschaft wird es 1485 aufgelöst.

Seit 1485: Herzog Georg der Reiche von Landshut („Landshuter Fürstenhochzeit“) schenkt das Kloster dem Birgittenorden, der es 1497 als Doppelkloster in Besitz nimmt. Die schwedische Mystikerin Birgitta (1303-1373) gründete um 1346 diesen Orden, der Nonnen und Mönche in Doppelklöstern vereinigte.

1589-1593: Neubau des Frauenkonvents (Norden), 1723 der des Männerkonvents (Süden) durch Hans Mayr d.J. (1677-1731). Beide Konvente sind durch das Kirchengebäude getrennt, aber auch verbunden: Denn sie nutzen die Kirche miteinander – nur auf verschiedenen Ebenen und Seiten: Die Mönche im ersten Stock (östlich des Altars), die Nonnen im zweiten Stock (westlich des Altars). Ein Gang unter dem Herrenchor mündet in einen bis heute erhaltenen Raum mit einer breiten Durchreiche: Entsprechend der Klostertradition ist das Frauenkloster fürs Kochen und Waschen aller Mönche und Nonnen zuständig. An dieser Durchreiche wurde beides übergeben.

1763: Neubau der heutigen Basilika von Baumeister Johann Michael Fischer.

1803: Zur Säkularisation wird das Kloster aufgelöst. Das Herrenkloster wird verkauft (heute noch in Privatbesitz); das Frauenkloster ist zum Aussterbekloster bestimmt – nachdem vier Nonnen sich nicht daraus vertreiben lassen und sich auch kein Käufer für die Gebäude findet. Die Klosterschwestern halten durch, bis 1841 wieder Nachwuchs in den Birgittenorden in Altomünster eintreten darf.

2016: Eine Nonne harrt noch aus – der Vatikan verfügt die Auflösung des einzigen Birgittenklosters in Deutschland

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