Absurde Idee: Eine Straße mitten durchs Dachauer KZ?

Lärmende Autos auf einer neuen Zufahrt innerhalb der Gedenkstätte – eine bizarre Idee erhitzt in Dachau die Gemüter.
von  Helmut Reister
Zur evangelischen Versöhnungskirche auf dem KZ-Gelände in Dachau könnten Gehbehinderte mit dem Auto kommen, gäbe es einen Fahrweg.
Zur evangelischen Versöhnungskirche auf dem KZ-Gelände in Dachau könnten Gehbehinderte mit dem Auto kommen, gäbe es einen Fahrweg. © imago

Lärmende Autos auf einer neuen Zufahrt innerhalb der KZ-Gedenkstätte – eine bizarre Idee erhitzt in Dachau die Gemüter.

Dachau - Eine Zufahrtsstraße auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte, direkt neben den religiösen Erinnerungsstätten: Der in aller Stille geschmiedete Plan scheint inzwischen wieder vom Tisch zu sein. Doch jetzt schieben sich die Beteiligten gegenseitig den Schwarzen Peter für die Idee zu, die durchaus noch Befürworter hat.

Der Landtagsabgeordnete Karl Freller, stellvertretender Vorsitzender der CSU-Fraktion, ist auch Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Das ehemalige Konzentrationslager in Dachau ist sein zentrales Aufgabenfeld. Hatte er die Idee von der Straße, die sogar den Durchbruch der Umgrenzungsmauer notwendig gemacht hätte? Mit der Urheberschaft des Plans, der bereits fertig in seiner Schublade liegt, hat er laut eigener Aussage nichts zu tun.

"Die Idee wurde an mich herangetragen", sagt er und macht kein Geheimnis daraus, dass er dem befahrbaren Weg durchaus positive Aspekte abgewinnen könne - etwa für gehbehinderte Menschen. Entschieden sei jedoch noch nichts. "Ich bin für jeden anderen Vorschlag offen", fügt er hinzu.

Umsetzung unwahrscheinlich

Der etwa 400 Meter lange Zufahrtsweg soll vor allem die evangelische Versöhnungskirche auf der anderen Seite des ehemaligen KZ-Geländes erreichen. Das Gotteshaus wurde in den 1960er Jahren auf Initiative von Überlebenden des Holocausts errichtet.

Dem Hausherrn, Pfarrer Björn Mensing, käme der Weg freilich gelegen. Für stark in ihrer Mobilität eingeschränkte Besucher wäre es eine erhebliche Erleichterung, ein Auto für die Fahrt zur Kirche nutzen zu können. Das käme ohnehin nur "ganz ganz selten" vor, schätzt Mensing. Mit der Straßenplanung selbst, sagt er, hätten er und die Versöhnungskirche aber nichts zu tun: "Ich wurde von Frau Hammermann darauf angesprochen."

Gabriele Hammermann ist die Leiterin der KZ-Gedenkstätte und sorgt bei der Frage nach dem Urheber der Idee für den Schluss eines Kreises. "Die Idee für eine Nordzufahrt", sagt sie, "ist von Herrn Stiftungsdirektor Freller eingebracht worden." Aber: "Die Idee", erklärt Hammermann den aktuellen Stand, "wird nicht realisiert, da sich die Opferverbände nach reiflicher Überlegung mit dieser Lösung nicht einverstanden erklärt haben."

Eine wesentliche Rolle bei der Absage des Projekts dürfte auch die Tatsache spielen, dass die geplante Zufahrt über den Grund und Boden des angrenzenden Karmelitinnenklosters führen würde.

Was man dort von einer Straße und Autos auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers hält, bringt Schwester Elija Boßler mit einem kurzen Satz zum Ausdruck: "Das ist inakzeptabel." Jetzt will es Gabriele Hammermann mit einem "runden Tisch" probieren - und am Dienstag tagt das Kuratorium.

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