Umfrage vor Landtagswahl in Bayern 2023: Söder verliert, Aiwanger gewinnt im BR-Trend

München - Knapp vier Wochen vor der Landtagswahl steckt die CSU im Stimmungstief, dagegen erreichen die Freien Wähler nach der Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger ein Rekordhoch. Im neuen Bayerntrend des BR, der am Dienstag veröffentlicht wurde, kommt die CSU von Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder erneut nicht über 36 Prozent hinaus, wie schon in zwei vorangegangenen Umfragen. Das ist der niedrigste Umfragewert seit mehr als eineinhalb Jahren – niedriger auch als das historisch schlechte Landtagswahlergebnis 2018 (37,2 Prozent).
Die Freien Wähler liegen in der repräsentativen Erhebung des Instituts Infratest dimap bei 17 Prozent. Das ist der höchste Wert, den sie je in einer Umfrage erzielten. Im Vergleich zum Bayerntrend vom Mai ist es ein Plus von fünf Punkten. Bei der Landtagswahl 2018 hatten sie 11,6 Prozent geholt, seither regieren sie zusammen mit der CSU.
Nach der Flugblatt-Affäre: Hubert Aiwanger und seine Freien Wähler im Höhenflug
Wäre am kommenden Sonntag Landtagswahl, würden die Grünen der Umfrage zufolge mit 15 Prozent nur noch auf Platz drei landen. Die AfD kommt im Bayerntrend auf 13 und die SPD auf neun Prozent. Für die FDP wird es immer enger: Mit drei Prozent würde sie klar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, säße also nicht mehr im Landtag.
Politikwissenschaftler hatten als Ursachen für den Höhenflug der Freien Wähler jüngst eine Mischung aus gewachsener Bekanntheit und Solidarisierungseffekten für Aiwanger genannt.

CSU und Freie Wähler wollen ihre Koalition nach der Landtagswahl fortsetzen
Der 52-Jährige hatte sich zuletzt gegen Vorwürfe gewehrt, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "SZ" berichtet hatte. Stattdessen bezichtigte sich sein Bruder als Verfasser. Aiwanger räumte aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden.
Nach mehreren Tagen, und auch nach weiteren Vorwürfen zu seiner Schulzeit, entschuldigte Aiwanger sich, ging aber zugleich zum Gegenangriff über und beklagte eine politische Kampagne. Söder lehnte eine Entlassung Aiwangers am Ende als "nicht verhältnismäßig" ab. CSU und Freie Wähler wollen ihre Koalition auch nach der Wahl fortsetzen.
In der CSU herrscht Unzufriedenheit
Sollte das Ergebnis am 8. Oktober so ausfallen wie die aktuellen Umfragen aussehen, hätte Söder ein weiteres Absacken der CSU zu verantworten. Doch auch wenn die Aiwanger-Affäre ein Faktor sein sollte: Schon in Umfragen zuvor war die CSU kaum über ihr Ergebnis von 2018 hinausgekommen.
Und das nach mehr als fünfjähriger Regierungszeit Söders, obwohl dieser seit langem nimmermüde durchs Land tourt und trotz des drastischen Ansehensverlustes der Ampel-Koalition. Bereits vor der Causa Aiwanger hatten nicht wenige CSU'ler angemerkt, dass die Partei eigentlich besser dastehen müsste.
"Am Ende zählt das Ergebnis": CSU-Generalsekretär Martin Huber übt sich in Optimismus
Die Freien Wähler wiederum dürften, sollte sich ihr Höhenflug fortsetzen, massiv gestärkt in Koalitionsverhandlungen mit der CSU gehen – samt Forderungen nach mehr als drei Ministerien wie bisher. Söder nannte die hohen Umfragewerte für Aiwanger am Dienstag, noch vor der Veröffentlichung des Bayerntrends, erneut "eine Fieberkurve auch von Solidarität".
Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber gibt sich demonstrativ gelassen: "Umfragen sind immer Momentaufnahmen, am Ende zählt das Ergebnis", sagte er der AZ. Er sei optimistisch, dass die CSU in den nächsten Wochen wieder zulege. Huber weiter: "Markus Söder hat als Ministerpräsident sehr hohe Beliebtheit und die CSU die höchste Kompetenz."

"Da geht noch mehr": Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze will kämpfen
Hubert Aiwanger wiederum teilte mit, die Wähler seien sensibel und würden erkennen, wenn vor der Wahl eine Schmutzkampagne gegen die Freien Wähler und ihn selbst gefahren werde. "Sie sehen, dass hier pünktlich zu Beginn der Briefwahl dem Aiwanger eine mitgegeben werden sollte und das wird nun entsprechend quittiert, indem die Leute die Freien Wähler unterstützen und nicht die Schmutzkampagne, die von langer Hand vorbereitet war."
Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze gibt sich kämpferisch: "Das ist eine ordentliche Ausgangsposition, aber da geht noch mehr. Wir kämpfen wie noch nie, weil uns Bayern am Herzen liegt. Ein stabiles Klima und saubere, günstige Energie sowie die besten Startchancen für alle Kinder – das gibt es mit uns Grünen", sagt sie der AZ.
Alarm-Stimmung bei Florian von Brunn (SPD) und Martin Hagen (FDP)
Für Florian von Brunn, den Spitzenkandidaten der SPD, ist die Umfrage "erschreckend, aber noch nicht das Wahlergebnis". Jetzt gehe es um Gerechtigkeit und Anstand in Bayern statt einem Rechtsruck!
"Wir als SPD stehen für die Verteidigung unserer Demokratie und für ein soziales und bezahlbares Bayern." Das wolle man in den vier Wochen bis zur Wahl sehr deutlich machen.

Auch Martin Hagen, Spitzenkandidat der Liberalen, will die Wahl noch nicht verloren geben. "Die letzten Wochen hat die Aiwanger-Affäre alles überlagert. Man sieht, dass alle demokratischen Parteien außer den Freien Wählern verloren haben. Das wird sich bis zur Wahl hoffentlich wieder normalisieren, vor allem wenn Sachthemen zurück in den Fokus rücken", sagt er der AZ. Die Umfrage sei ein Weckruf für Unentschlossene. "Wer die Mitte stärken und eine liberale Partei im Landtag haben will, muss am 8. Oktober FDP wählen!"