Um den Schlaf gebracht

Tausende Bürger leiden unter dem Lärm ratternder Züge. Auf Ortstermin in München: Wo es in der Stadt besonders laut ist. Und was der Anwohner Erwin K. erzählt, der schon seit 1986 direkt an einer Bahntrasse lebt.
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Der lärmgeplagte Erwin K. an der Bahnüberführung Dreimühlenstraße: Das erste Jahr war „eine Katastrophe“.
Mike Schmalz Der lärmgeplagte Erwin K. an der Bahnüberführung Dreimühlenstraße: Das erste Jahr war „eine Katastrophe“.

MÜNCHEN - Tausende Bürger leiden unter dem Lärm ratternder Züge. Auf Ortstermin in München: Wo es in der Stadt besonders laut ist. Und was der Anwohner Erwin K. erzählt, der schon seit 1986 direkt an einer Bahntrasse lebt.

Tausende Menschen hören es jede Nacht – das Rattern der Züge, die mitten durch die Stadt fahren. „München ist nach Berlin der zweitgrößte deutsche Eisenbahn-Knotenpunkt“, sagt Wolfgang Hendlmeier – früher Leiter des Referats „Lärmschutz beim Verkehr“ im Bayerischen Landesamt für Umwelt. Die Länge aller Eisenbahnkörper im Stadtgebiet beträgt rund 115 Kilometer – mit vielen parallel geführten Strecken. Auf etwa 30 Kilometern grenzen laut Hendlmeier belastete Wohngebiete an. „Mit etwa 10 000 von störendem nächtlichem Bahnlärm betroffenen Bürgern.“

Der Lärm als Liebestöter

Erwin K. (58) ist einer von ihnen. Seit 1986 wohnt er in der Dreimühlenstraße. Als er die Wohnung damals besichtigte, war es Sonntag – und ruhig. „Ich habe nicht mitbekommen, dass hier ein Bahndamm ist.“ Das änderte sich nach dem Einzug schnell. „Das erste Jahr war eine Katastrophe.“ An Schlaf war kaum zu denken. Auf der einen Seite rauschen Züge in etwa 25 Meter Entfernung vorbei, auf der anderen rumpeln Autos übers Kopfsteinpflaster. „Der Lärm und der Stress haben auch dazu beigetragen, dass meine Beziehung auseinander gegangen ist“, erzählt Erwin K. Nach drei Jahren zog seine Freundin aus. Er blieb in der günstigen Wohnung. „Ich habe mich darauf eingestellt“, sagt er. Auch, wenn das Radio übertönt wird. Wenn er Gespräche auf dem Balkon unterbrechen muss. Oder die Zug-Vibrationen sogar spürbar sind, wenn er auf seiner Matraze liegt.

Wo es besonders laut ist

Welche Orte in der Stadt sind stark von Schienenlärm betroffen? Und reichen die Schutzmaßnahmen aus? Diesen Fragen widmete sich am Freitag eine Busexkursion des Münchner Forums und des Gesundheitsladens. Ein Auszug:

Beispiel Reifenstuelstraße, DB-Südring: Nirgends sonst rücken die Häuser so dicht an die Gleise, teils beträgt der Abstand nur siebeneinhalb Meter. Nachts wird laut Experte Hendlmeier ein Lärmpegel bis zu 75 Dezibel erreicht. „Über 65 Dezibel Dauerbeschallung besteht ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen.“

Beispiel Kolumbusplatz, DB-Südring: Hier beschallen Zug- und Autoverkehr die Anwohner doppelt. Nachts werden bis zu 70 Dezibel erreicht – dabei ist der so genannte Schienenbonus von fünf Dezibel schon abgerechnet. Was dahinter steckt: Schienenlärm gilt als „angenehmer“ als Autogeräusche und darf in Deutschland deswegen lauter sein. Für die Anwohner würde sich die Lage deutlich verbessern, wenn der S-Bahn-Südring anstelle der Zweiten Stammstrecke käme. Denn der „Baulastträger“ ist nur zu Lärmschutzmaßnahmen verpflichtet, wenn er eine Strecke neu baut oder stark umbaut.

Beispiel Leinthalerstraße, Freimann, DB-Nordring : Dort wurde „die erste Lärmsanierung an einer Münchner Eisenbahnstrecke verwirklicht“, so Hendlmeier. Vorher seien nachts über 70 Dezibel erreicht worden, jetzt sind es gut zehn Dezibel weniger.

Beispiel Barlowstraße, Englschalking, DB-Ostring : Neben der Trasse steht ein Riegelbau. Zur Bahn liegen hauptsächlich Nebenräume, die Fenster der meisten Schlafzimmer zeigen zur ruhigeren Barlowstraße. Die laute Seite wird nachts mit etwa 60 Dezibel beschallt.

Julia Lenders

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